Vier Delfinmännchen nähern sich in der australischen Shark Bay einem Weibchen. Dass die Zusammenkunft letztlich Früchte trägt, ist dem komplexen Allianzsystem der Tümmler zu verdanken.
Foto: Simon Allen

Dass Delfine zu den Intelligenzbestien im Tierreich zählen, ist allgemein bekannt. Entsprechend komplex gestaltet sich auch ihr Sozialleben. Vor allem männliche Delfine pflegen nicht nur Freundschaften, sondern gelten auch als wählerisch bei ihren Sozialkontakten. Bisweilen kommt es zu regelrechten Feindschaften mit rivalisierenden Gruppen. Doch selbst mit den Kontrahenten schaffen sie es, zu kooperieren, wenn es darum geht, sich den gleichen Lebensraum zu teilen.

Ein internationales Team unter der Leitung von Forscherinnen und Forschern der University of Bristol hat sich diese vielschichtigen Beziehungsnetze genauer angesehen. Ihre nun im Fachjournal "PNAS" präsentierten Schlussfolgerungen: Männliche Große Tümmler bilden die größten bekannten mehrschichtigen sozialen Netzwerke im Tierreich.

Allianzen in der Shark Bay

Für ihre Studie untersuchten die englischen Forschenden gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Zürich und der University of Massachusetts die Allianzstrukturen zwischen 121 erwachsenen männlichen Indopazifik-Tümmlern (Tursiops aduncus) in der Shark Bay in Westaustralien. Dabei zeigte sich (wie bereits bei früheren Untersuchungen), dass die Delfinmännchen in der Shark Bay auf unterster Ebene Partnerschaften mit zwei bis drei Männchen eingehen, um gemeinsam und kooperativ um einzelne Weibchen zu buhlen.

Allianzen zweiter Ordnung werden zwischen vier bis 14 nicht miteinander verwandten Männchen geschmiedet; auch diese waren bereits bekannt. Diese alliierten Gruppen konkurrieren mit anderen Allianzen derselben Ordnung um die Nähe zu den weiblichen Delfinen. Als wäre das aber nicht schon komplex genug, entdeckten die Wissenschafter nun sogar Allianzen dritter Ordnung. Diese ergeben sich aus der Kooperation von Gruppen der zweiter Allianzordnung.

Sechs Männchen stellen einem Weibchen nach.
Foto: Simon Allen

Doch nicht so einzigartig

"Die Zusammenarbeit zwischen Verbündeten ist in menschlichen Gesellschaften weit verbreitet und ein Kennzeichen unseres Erfolgs", sagt Hauptautorin Stephanie King. "Unsere Fähigkeit, strategische, kooperative Beziehungen auf mehreren sozialen Ebenen aufzubauen, wie beispielsweise Handels- oder Militärbündnisse, sowohl national als auch international, galt einst als einzigartig für unsere Spezies."

Doch die neue Studie habe gezeigt, dass männliche Große Tümmler ebenfalls mehrstufige Bündnisnetzwerke bilden können. "Diese kooperativen Beziehungen zwischen ganzen Gruppen ermöglicht es den einzelnen Männchen schließlich, mehr Zeit mit Weibchen zu verbringen, wodurch ihr Fortpflanzungserfolg gesteigert wird", so die Forscherin von der Bristol School of Biological Sciences.

Vorteile für die Fortpflanzungserfolg

Letztlich konnten die Forschenden feststellen, dass die Dauer des Zusammenseins zwischen männlichen und weiblichen Delfinen davon abhängt, wie gut es um die Bündnisse dritter Ordnung steht. Soziale Bindungen zwischen diesen Gruppenallianzen führen daher zu langfristigen Vorteilen für die beteiligten Männchen.

Bisher war man davon ausgegangen, dass die vermeintlich einzigartige Zusammenarbeit zwischen Gruppen beim Menschen vor allem von zwei Merkmalen abhängt: der Entwicklung von Paarbindungen und der elterlichen Fürsorge durch Männer. "Unsere Resultate zeigen jedoch, dass Allianzen zwischen Gruppen auch ohne diese Merkmale aus einem Sozial- und Paarungssystem entstehen können", sagt Richard Connor, emeritierter Professor an der University of Massachusetts und ebenfalls Hauptautor der Studie. (tberg, 30.8.2022)