Ein Mitglied der Miliz Saraya al-Salam feuert ein Maschinengewehr ab.

Foto: REUTERS/Thaier Al-Sudani

Schwere Geschütze werden aufgefahren.

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Blick auf die grüne Zone in Bagdad.

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Bagdad – Der politische Konflikt im Irak ist in der Nacht auf Dienstag weiter in Gewalt umgeschlagen. Videos zeigten die Miliz Saraya al-Salam (Friedenskompanie, vormals: Mahdi-Armee) des einflussreichen Schiitenführers Muktada al-Sadr, die sich in der sogenannten Grünen Zone in Bagdad mit Iran-treuen Milizen schwere Kämpfe lieferte. Dabei waren lange Feuersalven zu hören. Die Nachrichtenseite Al-Sumaria berichtete von 15 Toten und 350 Verletzten.

Hoch gesichertes Gebiet

Die Kämpfe gingen am Dienstagmorgen trotz einer Ausgangssperre teils weiter. In der rund zehn Quadratkilometer großen und eigentlich hoch gesicherten Grünen Zone im Zentrum Bagdads befinden sich zahlreiche Regierungseinrichtungen, das irakische Parlament sowie mehrere Botschaften, darunter auch die diplomatische Vertretung der USA. Die Gegend gilt eigentlich als ein vergleichsweise sicherer Zufluchtsort.

Berichten zufolge gingen in der Nacht in der Grünen Zone auch mehrere Raketen nieder. Videos in sozialen Netzwerken sollen zeigen, dass daraufhin auch das Raketenabwehrsystem (C-Ram) zum Schutz der US-Botschaft aktiviert wurde.

Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra teilte mit, in der Gegend rund um seine Botschaft werde gekämpft. Die Mitarbeiter seien evakuiert worden und würden vorübergehend von der deutschen Botschaft aus arbeiten. Die Lage im Irak sei "sehr angespannt" und ändere sich rasch, schrieb Hoekstra auf Twitter.

Al-Sadr im Hungerstreik

Der Iran stellte alle Flüge in Richtung Bagdad ein und schloss nach Angaben des Innenministeriums auch die Grenzen zum Nachbarland Irak. "Die Grenzen bleiben bis auf weiteres geschlossen, bis die politische Lage in Irak sich beruhigt", sagte ein Ministeriumssprecher laut iranischen Medien am Dienstag.

Anhänger der einflussreichen Geistlichen al-Sadr hatten den Regierungspalast mit dem Büro des Ministerpräsidenten Mustafa al-Kadhimi am Montag gestürmt und vorübergehend besetzt. Zuvor hatte Sadr seinen Rückzug aus der Politik erklärt. Am späten Montagabend gab der 48 Jahre alte Religionsführer auch bekannt, in einen Hungerstreik zu treten, bis die Gewalt gegen seine Anhänger eingestellt werde.

Politische Pattsituation

Al-Sadrs Bewegung war aus der Parlamentswahl im Oktober vergangenen Jahres als stärkste Kraft hervorgegangen. Es gelang ihr aber nicht, eine Regierung zu bilden. Al-Sadr weigerte sich, mit den Iran nahe stehenden Parteien zu kooperieren. Damit kam es zu einer Spaltung des schiitischen Lagers.

Einen von seinen politischen Gegnern vorgeschlagenen Regierungschef wollte al-Sadr auch nicht akzeptieren. Es entstand eine politische Pattsituation, die sich über Monate immer weiter zuspitzte. Al-Sadr forderte als Ausweg aus der Krise Neuwahlen. Vor einem Monat hatten seine Anhänger bereits das Parlamentsgebäude besetzt.

Eigentlich galt schon ab Montagnachmittag in Bagdad und ab demselben Abend eine landesweite Ausgangssperre. Ministerpräsident al-Kadhimi ordnete an, dass die offiziellen Arbeitszeiten am Dienstag im ganzen Land ausgesetzt seien. Das teilte das Kabinett der staatlichen Nachrichtenagentur INA zufolge in der Nacht mit.

Guterres besorgt

Die Demonstrationen der Sadristen breiteten sich auch auf andere Provinzen aus. Laut Berichten zogen seine Anhänger dabei unter anderem auch in Basra und Dhi Qar im Süden auf die Straße und besetzten Gebäude der Provinzregierungen. Dass der Konflikt sich in einen landesweiten "Bürgerkrieg unter Schiiten" ausweite, sei derzeit aber noch unwahrscheinlich, schrieb ein Analyst bei der Middle East Economic Survey (MEES).

Uno-Generalsekretär António Guterres äußerte sich besorgt über die Proteste. Er rufe zu Ruhe und Zurückhaltung auf, teilte sein Sprecher mit. Die Europäische Union bezeichnete es in einer Mitteilung als "entscheidend, dass alle Akteure von Handlungen absehen, die zu weiterer Gewalt führen könnten". Die US-Botschafterin im Irak, Alina Romanowski, erklärte, die "Sicherheit, Stabilität und Unabhängigkeit des Irak" könnten nicht aufs Spiel gesetzt werden.

"Die Verhinderung eines irakischen Bürgerkriegs muss jetzt unser erstes Ziel sein", sagte Ewa Ernst-Dziedzic, außenpolitische Sprecherin der Grünen. Sie forderte die Staatengemeinschaft und insbesondere die EU dazu auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um die Gewalt zu stoppen. Sollten die Kämpfe weitergehen, müssten europäische Staaten auch einen Stopp der Waffenlieferungen in die Region anpeilen. (APA, 30.8.2022)