Die Lager in Cox's Bazar sind auch nach fünf Jahren noch überfüllt.

Foto: EPA/MONIRUL ALAM

Zäune und Checkpoints schränken die Bewegungsfreiheit der Rohingya in Bangladesch ein.

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Wenige Quadratmeter bleiben der Großfamilie als Unterschlupf. Bis zu drei Generationen leben in den Flüchtlingslagern von Cox's Bazar in einem behelfsmäßigen Raum, der in Österreich von der Größe her maximal als normalgroßes Schlafzimmer für zwei Personen durchgehen würde. Dabei rinnt während der Regenzeit das Wasser in die Hütten, die teilweise nur mit Plastikplanen abgedeckt sind. Was 2017 als Notlager für eine vertriebene Minderheit aus Myanmar entstanden ist, ist fünf Jahre später noch das überfüllte Camp, in dem sich fast eine Million Rohingya befinden.

Dabei werden die Probleme eher mehr als weniger, wie sich aus den Erzählungen von Kennedy Uadiale ableiten lässt, dem medizinischen Koordinator für Ärzte ohne Grenzen im Camp. Im Gespräch mit dem STANDARD berichtet der Arzt davon, wie sich vor allem die hygienischen Zustände im Lager in den vergangenen Jahren konstant verschlechtert haben. Weniger Frauen haben Zugang zu Binden oder Tampons, die Toiletten werden zwar teilweise besser, doch berichten mehr Menschen von sichtbaren Fäkalien in den Latrinen und von übergehenden Toiletten.

Anstieg von Krankheiten

Die schmutzigen Sanitäranlagen und die Enge im Lager begünstigen, dass sich Krankheiten schneller ausbreiten, erzählt Uadiale. Allein in den ersten drei Monaten des aktuellen Jahres wurden so viele Menschen wegen Hauterkrankungen behandelt wie im gesamten Jahr 2021. Gleichzeitig litten heuer auch um 50 Prozent mehr Geflüchtete an Durchfallerkrankungen als noch 2019. Das medizinische Personal in den Flüchtlingslagern musste in diesem Jahr zusätzlich gegen einen Dengue-Fieber-Ausbruch kämpfen. Das Virus wird durch Moskitos übertragen, die in Wassertanks, Pfützen oder anderen stehenden Wassern brüten. "Und davon gibt es in den Lagern genügend", sagt der MSF-Arzt.

Sorge bereitet den humanitären Helfern auch die Zahl der bewaffneten Checkpoints in und die Zäune um die Lager. Rohingya würden manchmal nicht zu den medizinischen Einrichtungen durchgelassen, weil sie nicht "krank aussehen", wie Uadiale erzählt. Dabei bräuchten sie oft wichtige Medikamente, die sie sich auffüllen lassen müssten. Chronische Krankheiten wie etwa Asthma oder Bluthochdruck kommen vermehrt unter den Geflüchteten vor.

Video: Rohingya-Verfolgung: "Schleichender Völkermord"
DER STANDARD

Keine sichere Rückkehr

Bereits seit Jahren fordert die Regierung Bangladeschs ob der hohen Zahl von Flüchtlingen die rasche Rückkehr der Rohingya nach Myanmar. Doch selbst die Vereinten Nationen – in Person von Menschenrechts-Kommissarin Michelle Bachelet – sind der Meinung, dass die Bedingungen für eine freiwillige und sichere Rückkehr der Menschen nicht gegeben sind.

Die Geflüchteten in Bangladesch, mit denen MSF-Arzt Uadiale gesprochen hat, wollen zurück in ihre Heimat, nach Myanmar. Auch, wenn sie auf dem Papier keine Staatsangehörigen des Landes, sondern staatenlose ohne Rechte sind. Doch auch Uadiale sieht wie Bachelet große Fragezeichen, was eine "sichere und würdevolle" Rückkehr der Rohingya angeht.

Umsiedlung und Pushbacks

Die Behörden Bangladeschs haben unter Kritik mittlerweile etwa 30.000 Rohingya aus den Lagern von Cox's Bazar auf die Sedimentinsel Bhasan Char gebracht. Auf der Insel an der Mündung des Golfs von Bengalen, die sich erst vor 15 Jahren durch Schluffanschwemmung aus einem Mündungsfluss gebildet hat und bis vor kurzem unbewohnbar war, sollen die Unterkünfte für die Geflüchteten besser sein. Menschenrechtsorganisationen haben aber die Sorge, dass eine Sturmflut die Insel wieder verschwinden lassen könnte.

Tausende Rohingya waren nach der Gewaltwelle vor fünf Jahren auch ins benachbarte Thailand geflohen, wo sie aber wenig willkommen waren. Auch heute noch ist die Zahl der Schutzsuchenden in dem Land unklar. Berichte über illegale Pushbacks auf dem Meer durch die thailändischen Behörden und die Inhaftierung von Rohingya ohne Aussicht auf ein Asylverfahren finden sich in zahlreichen Menschenrechtsberichten. Ebenso in Malaysia, wo die meisten Betroffenen – nach Bangladesch – geflüchtet waren. Zehntrausende Rohingya, unter anderem auch Kinder, befinden sich dort in Anhalteeinrichtungen.

In Indien – wo sich ebenso zahlreiche Angehörige der muslimischen Minderheit befinden – machen Berichte über Abschiebungen nach Myanmar die Runde. Alleine im Mai sollen sich daraufhin laut Medienberichten 2.000 bis 3.000 Rohingya auf den Weg nach Bangladesch gemacht haben, um den indischen Behörden zu entgehen. Viele sind auch im Land selbst untergetaucht. Nachdem Indien nie die UN-Flüchtlingskonvention von 1951 anerkannt hat, gelten die Rohingya als "illegale Einwanderer" im Land. (Bianca Blei, 20.9.2022)