Klimaanlagen kühlen wie hier in Madrid zwar die Innenräume, heizen aber gleichzeitig die Umgebungsluft auf.

Foto: REUTERS/Isabel Infantes

Klimaanlagen können Leben retten: Klettern die Temperaturen wie in diesem Sommer an manchen Tagen auf bis zu 40 Grad, geht ohne künstliche Kühle vielerorts kaum noch etwas. Die Mehrheit der Menschen, die in diesem und im vergangenen Jahr bei Hitzeperioden ums Leben kamen, hatten keine Klimaanlage, zeigten mehrere Studien in den USA. Dabei sind dort immerhin bereits 88 Prozent der Haushalte mit Klimaanlagen ausgestattet, während es in Europa Schätzungen zufolge nur 20 Prozent sind.

Angesichts zunehmender Hitzewellen durch den Klimawandel könnte das immer mehr zum Problem werden, sagen Fachleute. Bereits seit Jahren steigt die Nachfrage nach Klimaanlagen, am Wohnungsmarkt boomen Häuser und Wohnungen, die bereits mit einer Klimaanlage ausgestattet sind. Laut Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) könnte die Zahl der Klimaanlagen weltweit von heute zwei Milliarden bis 2050 auf fünf Milliarden anwachsen. Der ungute Nebeneffekt: Das treibt auch den Stromverbrauch und CO2-Ausstoß in die Höhe. Bereits jetzt gehen laut IEA zehn Prozent des weltweiten Stromverbrauchs auf Klimaanlagen zurück. Können wir uns künftig auch kühlen, ohne den Planeten aufzuheizen?

Wärme in Umgebung

Das grundsätzliche Prinzip hinter Klimaanlagen hat sich seit ihrer Erfindung vor rund hundert Jahren kaum verändert: Mithilfe eines Kältemittels, das sich abwechselnd in flüssigem und gasförmigem Zustand befindet, wird Wärme im Inneren eines Raumes in die wärmere Außenluft befördert. Weil Wärme physikalisch jedoch normalerweise immer nur in Richtung kühlerer Temperatur wandert, braucht dieser Prozess gerade an heißen Tagen sehr viel Energie.

Zudem kühlen Klimaanlagen damit zwar Innenräume, heizen aber gleichzeitig die Luft außerhalb auf. Studien haben gezeigt, dass die Wärme von den Außenmodulen der Klimaanlagen Städte bei Nacht um rund einen Grad Celsius erwärmen können.

Klimaschädliche Kältemittel

Hinzu kommt, dass sich in vielen Kältemitteln nach wie vor Fluorkohlenwasserstoffe befinden, die einen hundertmal größeren Treibhauseffekt haben als CO2. Die EU will diese Emissionen beispielsweise reduzieren, indem sie die Anforderungen an den Bau und die Wartung von Klimaanlagen nach oben schraubt.

Bisher entstehen rund 80 Prozent der Emissionen bei Klimaanlagen durch die Energie, die sie benötigen, und der Rest durch die Kältemittel, schätzen Expertinnen. Strom für Klimaanlagen müsste künftig also am besten aus erneuerbaren Energien kommen.

Zudem müssen Klimaanlagen künftig energieeffizienter werden, sagen die Energieexperten der IEA. Denn allein durch effizientere Anlagen ließen sich laut IEA deren Auswirkungen auf das Klima um die Hälfte reduzieren.

Mit Wärmepumpen kühlen

Hersteller wie Daikin und Gree Electric Appliances stellten kürzlich bereits Klimaanlagen vor, deren Klimaauswirkungen fünfmal geringer sein sollen als die herkömmlicher Anlagen. Sie sollen in den nächsten Jahren auf den Markt kommen. Experten befürchten jedoch, dass viele Menschen nach wie vor eher zu Geräten tendieren werden, die zwar ineffizienter, dafür aber um einige Hundert Euro günstiger sind.

Auch mit einer Wärmepumpe lassen sich Gebäude kühlen. Die Maschine benötigt dafür lediglich ein bestimmtes Bauteil, damit sie auch umgekehrt funktioniert. Gerade für Mieterinnen und Mieter ist die Installation einer Wärmepumpe aber meist mit mehr Aufwand und zunächst höheren Kosten verbunden. Start-ups wie Gradient versprechen deshalb, in den nächsten Jahren Wärmepumpen auf den Markt zu bringen, die kleiner sind, sich einfach unter dem Fenster montieren lassen, ohne das Licht zu blockieren, und die auf ein klimafreundlicheres Kältemittel setzen.

Start-ups wie das US-amerikanische Unternehmen Gradient wollen Wärmepumpen, die Gebäude heizen und kühlen, leichter installierbar machen.
Foto: Gradient

Bessere Isolierung

Allerdings bringt auch die beste Wärmepumpe oder Klimaanlage wenig, wenn die Wohnung oder das Haus schlecht isoliert ist. Gut isolierte Räume halten im Winter die Wärme und im Sommer die Kühle im Inneren – und sparen damit Energie, die normalerweise in Heizung und Klimaanlage fließt.

Das trifft auch auf Geschäfte zu. Frankreichs Ministerin für die Energiewende, Agnès Pannier-Runacher, erließ etwa im Zuge der Energiekrise im Juli eine Verordnung, wonach Geschäftsbetreiber, die bei laufender Klimaanlage ihre Türen geöffnet haben, Strafen von bis zu 750 Euro zahlen müssen. Laut Pannier-Runacher führe diese "absurde" Gewohnheit nämlich zu einem zwanzig Prozent höheren Energieverbrauch.

Viele Wissenschafterinnen sprechen sich zudem dafür aus, nicht nur auf eine Kühlung durch Klimaanlagen, sondern auf eine passive Kühlung zu setzen. Passive Kühlung braucht wenig bis keine Energie, ist meist günstiger umzusetzen und verringert die Abhängigkeit von Klimaanlagen. Dazu gehören etwa Jalousien, die die Sonne blockieren, die untertags auf die Fenster trifft, doppelt verglaste Fenster, Belüftungssysteme, die den natürlichen Luftzug in Innenräumen nutzen und Grünflächen auf den Dächern oder an den Wänden des Gebäudes.

Alte Lösungen nutzen

Auch alte Lösungen können für die Zukunft möglicherweise relevant sein. Im arabischen Raum dienen sogenannte Windfänger seit Jahrhunderten dazu, kühle Luft von außen nach innen und warme Luft von innen nach außen zu befördern. Dafür stehen meist zwei oder mehrere Türme mit offenen Fenstern auf dem Dach der Gebäude. Eine eigene Klimaanlage braucht es in vielen dieser Gebäude dann keine mehr.

Und in Ländern wie Griechenland wiederum sollen die vielerorts weiß gestrichenen Wände der Häuser möglichst viel Sonnenlicht reflektieren und damit ebenfalls Gebäude kühlen.

Sogenannte Windtürme oder Badgire werden seit Jahrhunderten zur natürlichen Belüftung von Gebäuden genutzt.
Foto: imago images/robertharding

Nicht zuletzt geht es nicht nur darum, die Temperatur im Gebäude, sondern auch in der Umgebung zu senken, sagen Experten – das Gegenteil von dem Effekt also, den Klimaanlagen auf ihre Umgebung haben. Denn gerade in Städten speichern Straßen und Mauern die Wärme über den Tag und geben diese dann in der Nacht frei. Mehr Grünflächen und Bäume, die Bewohnern Schatten spenden, sind laut Expertinnen eine der besten Lösungen gegen den sogenannten Hitzeinseleffekt in Städten.

Nachfrage wächst

Die Zahl neuer Klimaanlagen wird in den nächsten Jahrzehnten wohl dennoch in die Höhe schnellen, glauben Experten. In Ländern wie Indien ist die Nachfrage nach Klimaanlagen bereits in den vergangenen Jahren jedes Jahr um rund ein Fünftel gewachsen. Kurzfristig können die Anlagen für viele Menschen wohl tatsächlich überlebenswichtig sein. Langfristig jedoch braucht es laut Experten auch andere Lösungen – sonst könnten die Klimaanlagen eines Tages selbst zur Klimabedrohung werden. (Jakob Pallinger, 31.8.2022)