Masken als Schutz im Kampf gegen eine Pandemie sind nicht neu. Auch während der Spanischen Grippe ab 1918 wurden sie eingesetzt, im Bild tragen sie Polizeibeamte. Und auch damals gab es schon viele Proteste dagegen und die Behauptung, Masken seien sinnlos und schädlich. Doch genau das Gegenteil ist der Fall, wie unzählige Studien beweisen.

Foto: National Archives / gemeinfrei

Man solle bitte in geschlossenen Innenräumen, wo Abstandhalten nicht möglich ist, wieder Maske tragen – so lautet der dringende Apell von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Das ist nämlich, außer in Wiener Öffis, fast nirgends mehr Pflicht, und selbst dort halten sich immer weniger daran. Weil die Maske als nervig empfunden wird – aber auch weil viele ihre Wirksamkeit infrage stellen.

Dieses Hinterfragen findet Hans-Peter Hutter befremdlich, "weil Masken sind absolut nichts Neues in der Medizin, sie wurden nicht für die Pandemie erfunden". Im Spital etwa werden sie schon lange angewendet, weil sie ein sehr effizientes Mittel sind, um sowohl Patientinnen und Patienten als auch das Personal vor Infektionen zu schützen, betont der Umweltmediziner vom Zentrum für Public Health an der Med-Uni Wien.

Historische Vorbilder

In Operationssälen gehören sie also schon längst zum Alltag, aber auch in der Pandemiebekämpfung sind sie nicht neu. Erste Hinweise zum Masketragen gibt es bereits aus dem Mittelalter – auch wenn man damals die Übertragungswege noch nicht verstanden hatte. Man propagierte die Miasma-Theorie, die davon ausging, dass die Luft durch faulige Prozesse verunreinigt wurde und so für Krankheiten verantwortlich war.

Doch bereits während der Spanischen Grippe ab 1918 wurde die Maske als offizielles Mittel zur Unterbrechung der Ansteckungswege genutzt. Texte aus der Zeit fordern die Bevölkerung zum Masketragen in Menschenmengen auf – und schon damals gab es eine große Bewegung dagegen, und die Masken wurden als sinnlos abgestempelt.

Dabei ist das Masketragen schon aus Plausibiliätserwägungen nur als sinnvoll zu beurteilen, sagt Hutter: "Wenn ein Virus sich über ausgeatmete Tröpfchen verbreitet und diese Tröpfchen von einer Barriere aufgehalten werden, dann ist der Nutzen klar." Trotzdem ist es natürlich wichtig, die Maßnahme und ihre Auswirkung wissenschaftlich zu untersuchen, betont Hutter, was man auch in zahlreichen Publikationen, Reviews und Metaanalysen, die in anerkannten wissenschaftlichen Journals erschienen sind, getan hat.

Die Quintessenz: "Die Maske ist eine von mehreren probaten, nicht pharmakologischen Maßnahmen gegen die Virusverbreitung. Weitere sind Abstandhalten, Händewaschen und regelmäßiges Lüften. Und am besten führt eine Kombination aus mehreren oder allen Maßnahmen nachweislich zu einer starken Reduktion des Ansteckungsrisikos."

Übertragungsrisiko bis zu 83 Prozent reduziert

Doch zu einigen Hard Facts: Die US-amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) wollten es genau wissen mit den Masken. In einer Studie, die von Februar bis Dezember 2021 im US-Bundesstaat Kalifornien durchgeführt wurde, untersuchte man außerhalb von Laborbedingungen, also in der täglichen Anwendung, wie sehr sich das Ansteckungsrisiko durch Masken verringerte.

Dafür wurden über 1.000 Menschen, die in Kalifornien leben und sich auf Sars-CoV-2 testen ließen, egal ob mit positivem oder negativem Ergebnis, zufällig ausgewählt. Dazu muss gesagt werden, dass sich in Kalifornien, anders als in Österreich, Menschen hauptsächlich deshalb auf Sars-CoV-2 testen ließen, weil der begründete Verdacht einer Infektion bestand. Alle Studienteilnehmenden wurden befragt, wie oft sie sich in den 14 Tagen vor dem Test in Innenräumen aufgehalten hatten und ob sie dabei Maske getragen hatten. Die eindeutigen Ergebnisse: Einen normale Stoffmaske reduziert das Infektionsrisiko um 56 Prozent, ein Mund-Nasen-Schutz immerhin schon um 66 Prozent, und eine FFP2-Maske schafft beachtliche 83 Prozent.

Menschen, die in Innenräumen Maske trugen, reduzierten das Risiko einer Infektion deutlich. Das untersuchte man in Kalifornien von Februar bis Dezember 2021.
Foto: CDC

Einschränkend ist zu bemerken, dass der Testzeitraum nur die Varianten Alpha und Delta einschließt, die Omikron-Varianten begannen sich zu Studienende gerade erst auszubreiten. Aber das Ergebnis ist trotzdem ziemlich klar, betont Gerald Gartlehner, Epidemiologe und Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems: "Omikron ist noch infektiöser, deshalb stimmen die Zahlen vielleicht nicht mehr ganz. Aber die Richtung passt. Die Maske ist ein hochwirksames Mittel für den Selbstschutz."

Gartlehner kann sich deshalb auch vorstellen, dass die Maskenpflicht womöglich wieder kommt: "Wir werden im Winter wohl eine Omikron-Welle haben. Und dazu werden, wahrscheinlich ab Jänner, Grippefälle kommen. Diese beiden Faktoren gemeinsam könnten die Situation in den Krankenhäusern wieder schwierig machen. Da wäre es möglich, dass wieder eine flächendeckende Maskenpflicht eingeführt wird. Das macht auch Sinn, weil Masken wohl das beste nicht pharmakologische Mittel sind, um das Infektionsrisiko zu senken. Und wir haben uns auch alle schon daran gewöhnt."

Keine Einschränkung der Arbeitsleistung

Den höheren CO2-Ausstoß, der von Maskenkritikern in dem Zusammenhang immer wieder als gesundheitsschädlich ins Rennen geführt wird, lässt Gartlehner dabei nicht als gefährdend gelten: "Das ist ganz sicher kein Problem. Medizin Transparent hat untersucht, ob Masketragen eine Auswirkung auf die Arbeitsleitung hat, und das ist definitiv nicht der Fall."

Insgesamt drei randomisierte Studien setzen sich mit dem Thema auseinander. Eine untersuchte die Auswirkung von Masken auf die Arbeit von Rettungssanitätern, eine analysierte die Blutgaswerte mit Maske unter kardiovaskulärer Belastung und eine erforschte die kognitiven Leistungen unter Druck beim Tragen von Maske.

Die Ergebnisse: Rettungssanitäter erfüllten Wiederbelebungsmaßnahmen an einer Puppe nach dem Hinauflaufen von drei Stockwerken mit schwerem Notfallausrüstungsset genauso gut und effizient mit FFP2-Maske wie ohne. Ein 20-minütiger Konzentrationstest jeweils im Sitzen und auf dem Fahrrad-Ergometer zeigte keine Unterschiede zwischen dem Tragen einer FFP2-Maske, einer chirurgischen Maske und keiner Maske. Und 15 Minuten Kopfrechnen unter Zeitdruck erledigten die Probanden mit FFP2-Maske genauso gut wie ohne Maske.

"Natürlich ist es mühsamer und unangenehmer, damit zu arbeiten. Aber es hat keine negativen Auswirkungen auf die Leistung, außer womöglich ein paar Hautirritationen und in einigen Fällen Kopfschmerzen", sagt Gartlehner. Auch systemische Reviews zeigen ähnliche Ergebnisse. Hier werden ein unangenehmes Gefühl, manchmal Kopfschmerzen und auch Atemschwierigkeiten als Nebenwirkungen aufgezeigt. In einer Metaanalyse von 5.471 Artikeln konnten keine nennenswerten schädlichen Auswirkungen des Masketragens festgestellt werden.

Selbstschutz in Öffis

Vor allem zum Selbstschutz empfiehlt Gartlehner Masken als sehr wichtige Maßnahme. Untersucht man sie auf ihre Sinnhaftigkeit zur Pandemiebewältigung, entstehe aber ein differenzierteres Bild: "Will ich mich selbst schützen, werde ich alles dafür Nötige tun. Werde ich aber zum Masketragen gezwungen, wird das eher halbherzig oder gar nicht geschehen. Deshalb ist der insgesamte Einfluss der Maske auf das Gesamtgeschehen wohl niedriger als eine Risikoreduktion von 83 Prozent."

In Wiener Öffis ist Maske nach wie vor Pflicht. Aber bei weitem nicht alle Fahrgäste halten sich daran.
Foto: Regine Hendrich

Doch zurück zu den Öffis. In Wien ist da die Maske Pflicht, in den Bundesländern nicht. Und auch in Flugzeugen muss kein Schutz mehr getragen werden. Von den Airlines kommt diesbezüglich die Rechtfertigung, nirgendwo sonst gebe es so ein gutes Luftfiltersystem. Das sei wohl korrekt, bestätigt Gartlehner, aber nur, solange die Triebwerke laufen: "Sobald die abgeschaltet sind, ist die Infektionsgefahr besonders hoch, weil in dem abgeschlossenen Raum die Luft nicht mehr gefiltert wird."

Der Epidemiologe und der Umweltmediziner Hutter sind sich außerdem einig, dass Öffis ohne Schutzmaßnahmen sehr wohl zum epidemiologischen Geschehen beitragen. Das Problem dabei, wie Hutter erklärt: "Es ist sehr schwer bis unmöglich, Infektionsketten in Öffis nachzuweisen. Es liegt in der Natur der Sache, dass man sich dort zwar eher kurz aufhält, aber praktisch niemanden von den Personen kennt, denen man in Stoßzeiten doch sehr nahe kommt. Entsprechend ist eine Nachverfolgung der Ansteckungskette praktisch unmöglich."

Aus epidemiologisch-infektiologischer Sicht sprechen eindeutig mehr Gründe für das Masketragen als dagegen, betont Hutter, auch in Bezug auf das Pandemiemanagement. "Aber das ist die eine Seite. Die andere ist die politisch-gesellschaftliche." Ob es wieder eine Maskentragepflicht geben werde, sei auch eine gesellschaftspolitische Abwägung – welches Risiko ist die Politik bereit, in Kauf zu nehmen? "Und diese beiden Aspekte muss man klar trennen und erklären. Dann kann sich jeder Mensch sein eigenes Bild machen, auf welcher Basis bestimmte Maßnahmen verordnet wurden. Ich habe den Eindruck, dass, statt vorsorglich Maßnahmen zu ergreifen, erst dann reagiert wird, wenn die Zahlen steigen – aber dann ist das Kind schon in den Brunnen gefallen." (Pia Kruckenhauser, 6.9.2022)