Die drei großen ägyptischen Pyramiden von Gizeh zählen zu den beeindruckendsten Bauwerken der Menschheitsgeschichte. Die größte unter ihnen, die Cheops-Pyramide, war nach ihrer Errichtung in der Zeit von etwa 2.620 bis 2.500 vor Christus fast 4.000 Jahre lang das höchste Bauwerk der Welt. Wie dieser Koloss und seine beiden Begleiter, Chephren und Mykerinos, aus tonnenschweren Steinblöcken errichtet werden konnten, war lange Zeit ein Rätsel.

Die Pyramiden von Gizeh sind das letzte erhaltene Weltwunder der Antike. Die Monumentalbauten beeindrucken auch nach 4.600 Jahren noch.
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Archäologische Funde der vergangenen Jahre zeigen, dass Rampen eingesetzt wurden, um die großteils aus Kalkstein und Granit bestehenden Quader aufeinanderzutürmen. Doch wie kamen die gewaltigen Blöcke aus nilaufwärts gelegenen Steinbrüchen überhaupt zur Baustelle, die sich auf einem heute fast zehn Kilometer vom Ufer des Nils gelegenen großen Kalksteinplateau befand? Ein internationales Forschungsteam um Hader Sheisha von der Universität Aix-Marseille liefert nun weitere Hinweise auf eine mögliche Erklärung: Günstige Klimabedingungen dürften die logistische Herausforderung erheblich erleichtert haben.

Schiffbarer Seitenarm

Demnach dürfte es zur Zeit des Pyramidenbaus einen heute ausgetrockneten Seitenarm des Nil gegeben haben, der fast an das Plateau heranreichte. Mithilfe von Kanälen und Hafenanlagen und unter Ausnutzung der jährlichen Fluten dürften die Steinblöcke auf dem Wasserweg bis direkt an die Baustelle gebracht worden sein, berichten Sheisha und sein Team im Fachblatt "PNAS".

Ein Pyramidenhafen dürfte das Heranschaffen der Baumaterialien ermöglicht haben.
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Tatsächlich wurden bereits in der Vergangenheit Überreste von Hafenanlagen östlich der Pyramiden gefunden. Bislang war allerdings unklar, ob der Wasserstand zur Zeit des Baus für den anspruchsvollen Schiffstransport ausreichte. Antworten auf diese Frage fand das Forschungsteam nun in Bohrkernen aus dem einstigen Nil-Seitenarm. Mithilfe von Gesteinsanalysen und Pollenspuren gelang es, die klimatischen Verhältnisse in der Region und den Verlauf des Wasserstands für einen Zeitraum von fast 8.000 Jahren zu rekonstruieren.

Blüte am Nil

Das Ergebnis passt gut zu früheren Modellen der Nil-Entwicklung. Demnach setzte etwa 3.000 v. Chr. eine trockenere Periode ein und ließ den Wasserpegel sinken. Dadurch entstand nicht nur neues fruchtbares Uferland, das besiedelt werden konnte, sondern auch eine günstige Lage für den Pyramidenbau. Trotz sinkender Pegel reichte den Forschenden zufolge der Wasserstand im Cheops-Seitenarm des Nils aber für die Schifffahrt aus.

"Von der dritten bis zur fünften Dynastie bot sich eindeutig ein günstiges Umfeld für eine Pyramidenbaustelle", schreiben die Forschenden. Durch künstliche Vertiefungen, den Bau von Anlagen sowie die Nutzung der jährlichen Überflutungen entstand demnach ein Hafen, ohne den der Bau logistisch kaum bewältigbar gewesen wäre.

Nur wenige Jahrhunderte nach der Vollendung der Pyramiden, etwa 2.200 v. Chr., änderte sich die klimatische Lage. Eine Trockenperiode, die vermutlich schwere Hungersnöte auslöste und das Ende des Alten Reichs markierte, verwandelte auch den Seitenarm des Nils in ein Rinnsal. Es folgten jahrhundertelange Schwankungen, ganz ausgetrocknet dürfte der Baustoffzubringer dann rund 1.000 v. Chr. sein. (dare, 31. 8.2022)