Andreas Schicker wünscht sich mehr politische Unterstützung. "Da hinken wir in der Steiermark hinterher."
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Sturm Graz hat das größte Geschäft der Vereinsgeschichte hinter sich. Am Wochenende ging der Wechsel des 19-jährigen Stürmers Rasmus Höjlund zu Atalanta Bergamo über die Bühne. Mit der Ablöse von 17 Millionen Euro stoßen die Steirer in eine neue Dimension vor. Durch Boni könnte der Erlös auf 20 Millionen ansteigen. Eine derartige Summe hat man in Österreich abseits von Salzburg noch nicht gesehen. Am Dienstagabend verstärkte sich der Vizemeister mit dem offensiv vielseitig einsetzbaren Dänen William Böving. Der 19-Jährige stand zuletzt in seiner Heimat beim FC Kopenhagen, für den er in der laufenden Saison viermal in Pflichtspielen mitwirkte, unter Vertrag und unterschrieb bei den Steirern bis 2026.

STANDARD: 20 Millionen Euro für Rasmus Höjlund – ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte?

Schicker: Das war es. Wir haben dem Verein gegenüber eine Verantwortung. Bei einer solchen Summe kann Sturm Graz nicht Nein sagen. Man muss die wirtschaftliche Seite sehen. Der Spieler könnte sich verletzen oder seine Form verlieren. Dann ist er um dieses Geld nicht mehr zu verkaufen, dann hätten wir eine Riesenchance verpasst. Zumal mehrere Vereine Interesse hatten.

STANDARD: Höjlund hat seinen Marktwert in 21 Spielen verzehnfacht. Hätten Sie bei Ihrem Amtsantritt vor rund zwei Jahren eine derartige Summe für möglich gehalten?

Schicker: Nein. Für Sturm Graz lag die Grenze bei drei Millionen Euro. Diese Summe ist eine neue Dimension. Wir haben einen klaren Weg verfolgt. Der macht sich jetzt bezahlt. Aber man darf nicht die Bodenhaftung verlieren, dieser Transfer war außergewöhnlich. Ablösesummen in dieser Größenordnung sind alles andere als alltäglich. Wir werden in Zukunft definitiv wieder Spieler um niedrigere Beträge abgeben müssen.

STANDARD: Sturm war im Winter nicht als einziger Verein an Höjlund interessiert. Mit welchem Argument konnte sich der Verein auf diesem hart umkämpften Markt durchsetzen?

Schicker: Viele Klubs waren an ihm dran. Bei denen hätte Rasmus aber eine ähnliche Situation wie in Kopenhagen vorgefunden, als vierter oder fünfter Stürmer. Bei uns verdient er vielleicht weniger, aber er bekommt Spielzeit. Das ist für einen ambitionierten Profi wichtig, damit konnten wir ihn überzeugen.

STANDARD: Herausragende Spieler gehen schneller, als sie gekommen sind. Ist es für einen Verein wie Sturm Graz noch möglich, nachhaltig zu arbeiten?

Schicker: Es macht die Arbeit für den Trainer nicht einfacher. Vor allem, wenn man Red Bull Salzburg einen Schritt näher kommen will. Höjlund wäre im Herbst mit dem kompakten Programm rund um die Europa League ein wichtiger Spieler gewesen. Wenn man im Unterbau und im Scouting gut vorbereitet ist, kann man aber reagieren. Wir haben im Winter Yeboah verkauft und Höjlund geholt.

Der Däne Rasmus Höjlund schoss in 21 Pflichtspielen für Sturm Graz zwölf Tore.
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STANDARD: Kelvin Yeboah wurde für 6,5 Millionen Euroan Genua CFC verkauft. Das war damals ebenfalls ein Rekordtransfer. Was ist da los? Haben die unzähligen Transfers von Red Bull Salzburg den Standort aufgewertet?

Schicker: Wir profitieren in erster Linie vom Aufstieg der Liga in der Fünfjahreswertung. Da kann man Salzburg danken. Unsere Meisterschaft ist mit fünf internationalen Startplätzen sehr interessant geworden, eine Teilnahme an der Europa League ist attraktiv. Damit kann man Kategorie-A-Talente nach Graz lotsen. Diese Spieler wissen, dass wir ihnen bei einem guten Angebot keine Steine in den Weg legen.

STANDARD: Yeboah ist mit Genua abgestiegen, er trifft kaum noch. Hat er Sturm zu früh verlassen?

Schicker: Wir haben ihn darauf hingewiesen, dass Genua sehr wenige Tore erzielt. Ein Abstiegskandidat, der defensiv spielen lässt. Das war für ihn nicht ideal. Und in der Serie A ist es schwieriger, Tore zu erzielen, als in Österreich. Wir hätten ihn gerne noch im Frühjahr bei Sturm gesehen. Höjlund passt besser zum Spielstil von Atalanta. Er kann auch dort seine Tore machen.

(Schickers Telefon klingelt.)

Schicker: Einen Moment, ich muss ein Telefonat entgegennehmen, es geht um einen möglichen Transfer.

(Zehn Minuten später ruft Schicker zurück.)

STANDARD: War die von Trainer Christian Ilzer geforderte Mischung aus Mario Haas und Hans Krankl am Telefon?

Schicker: Wenn ich diesen Mix finden würde, hätte ich mir in Graz eine Statue verdient. Wir werden versuchen, die Position neu zu besetzen. Wir haben mit Emanuel Emegha und Mohammed Fuseini zwar vielversprechende Offensivspieler, die brauchen aber noch Zeit. [Anm.: Inzwischen gab Sturm die Verpflichtung von William Böving bekannt.] Und wir haben sportliche Ziele.

STANDARD: Kann das Geld den Kopf verdrehen? Wird man dazu verleitet, höhere Ablösesummen zu bezahlen?

Schicker: Nein, wir werden unseren Rahmen nicht verlassen. Man muss vorsichtig bleiben. Wenn man einen großen Transfer hinter sich hat, wird es in der Regel nicht billiger. Es spricht sich herum, dass Sturm ein bisschen Geld in der Kassa hat. Aber ein Spieler, der vier Millionen kostet, ist nicht viel besser als einer um zwei Millionen. Die Frage ist eher, was wir aus ihm machen können.

STANDARD: Was macht man mit so viel Geld, wenn man es nicht in Ablösesummen investiert?

Schicker: Wir haben die Möglichkeit, in die Infrastruktur zu investieren. Das Trainingszentrum Messendorf ist für unsere Kampfmannschaft ausreichend. Mit Sturm II, den Frauen und dem Nachwuchs sind wir aber überfüllt. Der Verein will Geld in die Hand nehmen, wir brauchen aber auch politische Unterstützung. Da hinken wir in der Steiermark hinterher.

STANDARD: Der Verein will die Einnahmen also nachhaltig investieren.

Schicker: Oft heißt es, wir starten schlecht ins Frühjahr. Aber warum ist das so? Red Bull Salzburg, Austria, Rapid, LASK verfügen alle über eine Rasenheizung in ihren Trainingszentren. Wir trainieren in der Winterpause bis auf zwei Wochen im Trainingslager ausschließlich auf Kunstrasen. Da darf man sich nicht wundern, wenn man sich im Frühjahr schwertut. Das müssen wir angehen. (Philip Bauer, 30.8.2022)