Einigung in Prag: Bei Treffen der EU-Außen- und EU-Verteidigungsminister gestern, Dienstag, wurde ein europäisches Ausbildungsprogramm für ukrainische Soldaten auf den Weg gebracht. Den Vorschlag hatte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell vorgelegt. Österreichs Ressortchefin Klaudia Tanner (ÖVP) hatte im Vorfeld skeptisch von einer "neutralitätsrechtlichen Frage" gesprochen.

Josep Borrell stieß mit seinem Vorschlag, die Ausbildung ukrainischer Soldaten europaweit zu koordinieren, in Prag auf Zustimmung.
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Unterstützung erhielt Borrell hingegen aus Deutschland. Siemtje Möller, Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, nannte die "Koordinierung der Maßnahmen der Ausbildung" notwendig und schlug die Bereiche Luftverteidigung und Artillerie als mögliche Beteiligungsschwerpunkte der Bundesrepublik vor. Bereits am Montag hatte Bundeskanzler Olaf Scholz ebenfalls in Prag in einer Grundsatzrede ein europäisches Luftabwehrsystem gefordert und der Ukraine Unterstützung zugesichert.

Visastopp umstritten

In Prag diskutierten auch die EU-Außenministerinnen und -minister über einen Vergabestopp für Touristenvisa an russische Bürger, ihr Treffen wird heute, Mittwoch, fortgesetzt. Dies wird vor allem von den baltischen Staaten, Finnland und Tschechien gefordert, gestern sprachen sich auch die Niederlande dafür aus. Estland und Tschechien stellten die Visavergabe bereits ein.

Deutschland und Frankreich wandten sich ihrerseits in einem gemeinsamen Positionspapier gegen den Vorstoß. Man wolle "weiterhin in der EU zwischenmenschliche Kontakte zu russischen Staatsangehörigen ermöglichen, die nicht mit der russischen Regierung in Verbindung stehen", heißt es darin.

Ein Visastopp auf EU-Ebene müsste einstimmig beschlossen werden und gilt als höchst unwahrscheinlich. Stattdessen tritt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock, für ein Aussetzen des vereinfachten Visumsverfahrens ein.

CNN sieht Erfolge bei ukrainischer Offensive

Während die EU über Unterstützung für die Ukraine debattierte, herrschte weiter Unklarheit über deren Gegenoffensive in der Region Cherson. Ihren Beginn hatte die Sprecherin des südlichen Kommandos der ukrainischen Streitkräfte, Natalia Humeniuk, am Montag bekanntgegeben. Noch am Abend sollen laut CNN vier Siedlungen in der seit kurz nach Kriegsbeginn von Russland besetzten Region wieder unter ukrainische Kontrolle gebracht worden sein.

Allerdings wollte Humeniuk diese Berichte auf Nachfrage diverser Medien nicht kommentieren. "Anders als CNN sorge ich mich sehr um das Schicksal der Leute, die dort leben. Deshalb werden wir vorerst nichts bestätigen", sagte sie im ukrainischen Fernsehen.

Chersoner Medien berichteten am Dienstagmorgen von Schüssen, die in der Stadt zu hören gewesen sein sollen. Das russische Verteidigungsministerium meldete seinerseits, man habe die Gegenoffensive zurückgeschlagen und dabei über 1.000 ukrainische Soldaten "ausgeschaltet". Die Angaben beider Seiten sind derzeit nicht unabhängig prüfbar. (Thomas Fritz Maier, 30.8.2022)