Den Vorwurf, bewusst an den Terminbörsen gezockt zu haben, erheben die Expertinnen und Experten gegen die Wien Energie nicht.

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Wien – War das, was die Wien Energie über Jahre am Energiemarkt tat, "business as usual" oder ein hochspekulatives Geschäft? Um diese Frage zu beantworten, kamen am Dienstagabend Expertinnen und Experten aus der Branche zu einem "Runden Tisch" auf ORF 2 zusammen. Dem politischen Aufschrei – die Wiener Volkspartei etwa sprach "vom größten Finanzskandal seit der Bawag-Pleite" – wollten sie sich nicht anschließen. Termingeschäfte seien unabdingbar, betonte etwa der Aufsichtsratschef der ins Straucheln gekommenen Wien Energie, Peter Weinelt: "Wir müssen zwei Jahre im Voraus handeln, um die Energieversorgung sicherzustellen." Der Energie-Analyst Johannes Benigni sah jedoch mögliche Fehler im Risikomanagement des Unternehmens. So hätte man etwa Laufzeiten und Instrumente überdenken müssen: "Mit etwas Erfahrung im Kontrollgremium hätte man das anders machen können." Dem schloss sich Michael Böheim, Energieexperte des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, an: "Wieso hat man das so lange laufen lassen, denn die Risiken waren ja bekannt?"

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Normale Preissignale

Wenn nun die Republik Österreich der Stadt Wien Liquiditätsunterstützungen in Milliardenhöhe zur Verfügung stellt, dann bedeute das nicht, dass das Geld für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auf immer verloren sei, betonte Monika Köppl-Turyna, Direktorin Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria. Einen "verrückten" Markt, von dem in den letzten Tagen immer wieder die Rede war, sieht sie ebenso wenig: "Ein Markt gibt Preissignale. Und die Signale sind, dass es Knappheit gibt. Es wäre seltsam, wenn die Preise jetzt niedrig wären."

Rufe nach Regulierung

Die Forderung nach einer Regulierung des europäischen Strommarkts kam in der Diskussion am lautesten von Barbara Schmidt, Generalsekretärin der Branchenvertretung Oesterreichs Energie: "Wir waren immer dagegen, in den Preis einzugreifen. In den letzten Tagen haben wir aber gesehen: Jetzt muss auf europäischer Ebene etwas passieren" – das aber nur temporär. Ob es so weit kommt, könnte sich am 9. September weisen. Da hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Sondertreffen der EU-Energieministerinnen und EU-Energieminister zu genau dieser Frage einberufen. Die geplante Kreditlinie in Höhe von zwei Milliarden Euro für die Wien Energie war am Dienstagabend noch nicht finalisiert. (miwi, 30.8.2022)