Mithilfe einer Fotosammlung aus dem 19. Jahrhundert eröffnet Kurt Tutschek im Gastblog einen kritischen Blick auf den Umgang mit der indigenen Bevölkerung Amerikas. 

Weltausstellungen erfreuten sich über viele Jahrzehnte hindurch großer Beliebtheit. Waren sie doch eine Möglichkeit in Zeiten, in denen Reisen noch nicht so leicht möglich war, die ganze Welt direkt vor die eigene Haustüre zu bringen. Seit 1851 die erste Weltausstellung im Londoner Hyde Park stattfand, etablierten sich die Ausstellungen als Leistungsschau der teilnehmenden Länder.

Der weitreichende Erfolg der Weltausstellung in Chicago im Jahr 1893 inspirierte die verantwortlichen Politiker in Omaha, Nebraska, ihre eigene Version einer derartigen Ausstellung zu veranstalten. Die "Trans-Mississippi and International Exposition" wurde in die Tat umgesetzt und fand vom 1. Juni bis zum 31. Oktober 1898 am nördlichen Stadtrand von Omaha in der Nähe des Missouri River statt. Parallel zu den Gondeln, die in aufwändig angelegten Kanälen durch die Lagune glitten, zu den monumentalen Statuen und üppigen Gärten, die Besucher anlockten, fand auch eine Veranstaltung statt, die das Leben der indigenen Bevölkerung zum Thema machen sollte: der "Indian Congress". Mehr als 500 Native Americans aus 35 Stämmen nahmen teil.

Black Horse | Arapahoe
Foto: Boston Public Library | Public Domain

Während die ursprüngliche Intention des federführenden Ethnologen James Mooney durchaus redlich gemeint war, nämlich das tägliche Leben, die Handwerkskunst und die traditionelle Kultur möglichst vieler Stämme zu veranschaulichen und dem weißen Publikum näherzubringen, verlief die Veranstaltung letztlich doch ganz anders.

Nach der Eröffnung des Kongresses stellte das Organisationskomitee nämlich rasch fest, dass die Besucher und Besucherinnen der Ausstellung vor allem Tänze, Spiele, Zeremonien und Scheinkämpfe sehen wollten. Als Highlights entpuppten sich Regen- und Geistertänze. Und so wurde der "Kongress" zu einem profitorientierten Ableger von "Buffalo Bill's Wild West Show". Für diejenigen, die das ursprüngliche Konzept des Projekts unterstützt hatten, war das Ergebnis ein Debakel. Doch für die Öffentlichkeit geriet es zum denkwürdigsten und unterhaltsamsten Bereich der Ausstellung.

Zur Dokumentation des Kongresses beauftragte James Mooney den Fotografen Frank Rinehart damit, möglichst alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen mit seiner Kamera festzuhalten. So entstand bis Ende Oktober 1898 eine der größten Sammlungen von Porträts der indigenen Bevölkerung.

Natürlich sind es auch hier Posen, Inszenierungen, die Rinehart seinen Modellen abverlangte, denn die Porträts entstanden in seinem Studio. Aber Rinehart hielt die Menschen samt ihren Namen und ihrer Stammeszughörigkeit fest - keine Selbstverständlichkeit in Zeiten als "noble, aber unzivilisierte Wilde" in erster Linie als Schauobjekte galten, die die Überlegenheit der weißen Bevölkerung plakativ veranschaulichen sollten.

Chief Goes To War & Chief Hollow Horn Bear | Sioux
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Cloud Man | Assinaboine
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Hattie Tom | Apache
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Howard Frost, Dolmetscher | Omaha
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Spies On The Enemy | Crow
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Henry Wilson & seine Frau | Mojave (Apache)
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Yellow Feather | Maricopa
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Two Little Braves - Sac and Fox
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Hubble Big Horse | Cheyenne
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Little Bird | Arapahoe
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Geronimo (Guiyatle) | Apache
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Turning Eagle | Sioux
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Kiowa
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Ahahe und Kind | Wichita
Foto: Boston Public Library | Public Domain
Mosteose (Holy Rabbit) | Iowa
Foto: Boston Public Library | Public Domain
In Summer | Kiowa
Foto: Boston Public Library | Public Domain

Der Indian Congress der Trans-Mississippi-Ausstellung war nur eine von vielen Weltausstellungen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, die "primitive" indigene Völker im Vergleich zur "zivilisierten" westlichen Kultur zeigten. 

Im Glauben, dass die Kultur der Ureinwohner Amerikas durch die Bemühungen der Regierung, ihre Verteter und Vertreterinnen in die weiße Gesellschaft zu assimilieren, bald aussterben würde, wurden die Ausstellungen auch weithin als "letzte Chance" beworben, eine "sterbende Rasse" zu sehen. (Kurt Tutschek. 3.9.2022)

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