Das Reich Elam brachte mehrere Schriften hervor, darunter eine Keilschrift. Die Schrift Linear Elamite konnte bisher nicht entziffert werden.
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Jahrtausendealte unleserliche Texte, ein Schwarzmarkt mit wertvollen Artefakten, eine untergegangene Kultur – die Geschichte hat alle Bestandteile für einen Abenteuerfilm. Nur dass es sich hier um reale Forschung handelt: In einer in der "Zeitschrift für Assyrologie und Vorderasiatische Archäologie" publizierten Studie behauptet nun eine Gruppe von fünf Forschern, die bisher unleserliche Schrift des antiken im heutigen Iran liegenden Reichs Elam entziffert zu haben.

Bei der Schrift, deren Fachbezeichnung Linear Elamite lautet, handelt es sich um eine Schrift, die mit den Keilschriften verwandt ist. Das Konzept basiert darauf, mit einem Griffel aus Holz Zeichen in weichen Ton zu drücken, wobei keilförmige Abdrücke entstehen, die der Schrift ihren Namen geben. Zum Schreiben wurde die Technik erstmals im vierten vorchristlichen Jahrtausend von den Sumerern benutzt, deren Schrift als das älteste vollständige Schriftsystem der Welt gilt.

Die Entzifferung der ersten Keilschriften gelang bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch den Lehrer und Amateurgelehrten Georg Friedrich Grotefend, dessen Arbeit zwanzig Jahre später im Zuge der Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphen durch Jean-François Champollion und des Vergleichs mehrsprachiger Inschriften in Hieroglyphen und Keilschrift bestätigt werden konnte.

Das Problem zu weniger Funde

Inzwischen haben sich die Entzifferungsmethoden durch mathematische Modelle und immer leistungsfähigere Computer stark weiterentwickelt. Doch einige Schriften widersetzen sich nach wie vor der Übersetzung. Immer sind es Schriftsysteme, zu denen es nur wenige Fundstücke gibt, die statistische Zugänge erschweren.

Das gilt auch für Linear Elamite, das neben einer eigenen elamitischen Keilschrift verwendet wurde, hauptsächlich für monumentale Texte. Heute sind nur 40 Texte bekannt – bei stattlichen 300 verschiedenen Schriftzeichen. Verwendet wurde die Schrift zwischen dem dritten und frühen zweiten Jahrtausend vor Christus im Süden des heutigen Iran. Im Jahr 2018 lieferten acht bisher unbekannte Silberbecher mit elamitischen Inschriften neue Ansätze für Entzifferungsversuche. Einen solchen legte das Team um François Desset nun vor. Nur etwa 3,7 Prozent der Schriften in Linear Elamite blieben unlesbar, heißt es. Man veröffentlichte einzelne Textteile, die von einem König namens Puzur-Sušinak erzählen.

An dem verkündeten Durchbruch gibt es allerdings Zweifel. Der Wissenschafter Jacob Dahl von der Universität Oxford, der selbst an einer Variante des Elamitischen forscht, kritisiert, dass in die Analyse auch Tafeln einbezogen wurden, die "verdächtige" Fehler hätten – ein Hinweis, dass es sich um Fälschungen handeln könnte. Letztere sollten bei der Entzifferung einer bisher unbekannten Schrift natürlich sofort als solche auffallen.

Zweifel an einigen Stücken

Diese Zweifel werden durch einen Bericht des Museums für Kulturgeschichte in Oslo genährt, das die zweifelhafte Herkunft einiger der für die Entzifferung verwendeten Stücke moniert. Sie stammen aus einer privaten Sammlung und könnten, so der Verdacht, illegal aus dem Iran ausgeführt worden sein. Von Schwarzhandel und sogar Plünderung ist die Rede. Die Stücke sollten in den Iran zurückgebracht werden, und man sollte die dortigen Behörden konsultierten. Der Sammler Martin Schøyen, der die Sammlung, zu der neben Keilschrifttafeln auch Papyri und andere Kunstgegenstände aus unterschiedlichen Epochen gehören, von seinem Vater übernahm, tritt den Vorwürfen mit einer eigenen Publikation entgegen. Auch die Herkunft weiterer Stücke aus einer anderen Sammlung wird diskutiert. Konkrete Hinweise auf Fälschung wurden aber nicht gefunden.

Immer wieder wird Schmuggel mit antiken Schrifttafeln aufgedeckt, etwa 2019 am Flughafen Heathrow, wo diese Stücke konfisziert wurden.
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Weitere Forschungen nötig

Unstimmigkeiten über die Entzifferung von alten Schriften haben Tradition. Auch der erfolgreichen Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen waren verschiedene Versuche vorausgegangen, den Bildzeichen bestimmte Bedeutungen zuzuordnen. Nicht immer ist es einfach, die Korrektheit solcher Versuche zu beurteilen.

Die Elamitische Kultur lebte neben den bekannteren Sumerern und gehörte zu den ersten Kulturen, die eine komplexe Verwaltung mithilfe von Schriftzeichen aufbaute. Einzelne Teile der Schrift ließen sich schon länger entziffern, ein ganzheitlicher Ansatz fehlte aber bislang.

Das Team verspricht, in Zukunft weitere Übersetzungen zu publizieren. Dann wird sich zeigen, wie viel die Übersetzungsversuche wert sind. (Reinhard Kleindl, 1.9.2022)