"Andor" spielt einige Jahre nach der Order 66.

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Während in glamourösen Wolkenkratzern ranghohe Militärs und Senatorinnen einander mit süffisanter Miene zuprosten, fliehen Menschen am anderen Ende der Galaxis aus ihren Häusern, um dem autoritären Arm des Imperiums zu entkommen. Dörfer liegen in Schutt und Asche. Die ein Hälfte der Zivilbevölkerung leidet unter Repressalien eines Regimes, während sich die andere bewaffnet und zum Gegenschlag ausholt.

Schon der Trailer lässt erkennen, was viele "Star Wars"-Fans im Vorfeld bezweifelten. Die neue Disney+ Serie "Andor" ist anders. Düsterer. Der Cocktail aus galaktischem Kriegsszenario, bedrückender Atmosphäre und persönlichen Geschichten bescherte einst 2016 schon "Rogue One" viele positive Resonanzen. War die Angst der Fans doch groß, dass nach der Übernahme durch Disney "Star Wars" zum kunterbunten Weltraumspielplatz mutieren würde.

Star Wars

2022 präsentiert Disney nun die zwei Staffeln umfassende Serie "Andor" rund um den in "Rogue One" eingeführten Rebellenagenten Cassian Andor, dessen Handeln den Grundstein für die Vernichtung des ersten Todessternes legte. Die Show möchte abermals Aspekte der Galaxis thematisieren, die in bisherigen "Star Wars"-Produktionen hintenanstehen mussten, erklärt Hauptdarsteller und ausführender Produzent Diego Luna dem STANDARD.

"'Rogue One' war damals etwas Einzigartiges. Wir hatten einen in sich geschlossenen Film, der eine fertige Geschichte erzählte. Ähnlich ist es mit 'Andor'. Aktuell erscheinen unglaublich viele 'Star Wars'-Serien und Filme, aber diese hier ist anders. Sie ist ebenfalls in sich geschlossen und bleibt auf dem Boden. Es geht nämlich um die Menschen; normale Menschen, die gewöhnliche Dinge tun und einen Alltag führen. Es ist das realistischste 'Star Wars', das wir bisher gesehen haben. Wir sehen die galaktischen Lebensrealitäten der Menschen aus einem neuen Blickwinkel."
Das Imperium befindet sich während "Andor" kurz vor seinem Höhepunkt.
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Die Schwesterserie "Obi-Wan Kenobi" stieß im Frühjahr auf gemischte Gefühle innerhalb der Fangemeinde. Die Serie traue sich nicht genug, sie sei zu infantil und zu bunt. "Andor" lässt die Sorge, dass nun jede zukünftige "Star Wars"-Produktion ähnliche Wege gehen könne, als unberechtigt erscheinen. Luna selbst sieht die erwachsenere Tonalität der Serie als Chance.

"Die Stimmung der Serie ist einzigartig. Sie ist düster und behandelt persönliche Konflikte genauso wie politische Intrigen. Diese Komplexität hebt sie von anderen 'Star Wars'-Produktionen ab. Wir befinden uns ja auch in einer ganz anderen Ära der Galaxis als noch bei 'Rogue One'. Fünf Jahre bevor das Imperium die Galaxie endgültig, komplett kontrolliert und unterjocht. Die Stimmung ist aufgebracht – revolutionär. Cassian Andor selbst ist zu dieser Zeit noch ein ganz anderer Mann. Wir erzählen die komplette Geschichte eines Mannes, der an einen Punkt kommen muss, an dem er bereit ist, alles für eine Sache zu opfern. Um an diesen Punkt zu kommen, muss einem Menschen viel widerfahren, und genau diese Reise können wir in der Serie behandeln."
"Obi-Wan Kenobi" spaltete einst die Fans.
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Was Orks für "Herr der Ringe" und Zauberstäbe für "Harry Potter" sind, ist das Lichtschwert für "Star Wars". Dementsprechend laut waren die ersten Reaktionen, als bekannt wurde, dass "Andor" ganz ohne die ikonischen Waffen der Jedi auskommen wird. Zwar erzählt die Serie eine klassische Geschichte von Gut gegen Böse – Imperium versus Rebellion –, der altbekannte Konflikt zwischen Jedi und Sith spielt jedoch so gut wie keine Rolle. Durch Grautöne soll die Serie dem Publikum realistischer und greifbarer erscheinen. Laut Diego Luna beginnt dieses Vorhaben schon beim Protagonisten.

"Cassian Andor ist kein klassischer Held. Er hat schreckliche Dinge getan, aber ist fähig zu wachsen und sich zu verändern. Es ist spannend, seine Reise zu beobachten, weil es die Reise eines normalen Mannes ist, der eines Tages erkennt, dass auch er Großes bewirken kann. Es wirkt so, als würden Sie jemandem zusehen, den Sie kennen. Wir wollten keine Geschichte über unerreichbare und unnahbare Helden erzählen. Die gibt es zum Zeitpunkt der Serie sowieso nicht. Es ist schließlich eine Zeit der Galaxis ganz ohne Jedi. Ganz ohne Retter. Es gibt nur normale Menschen. Gewöhnliche Personen, die überleben und herausfinden, dass ihre Stärke in ihrer Anzahl liegt und daran, aneinander zu glauben, damit gemeinsam etwas erreicht werden kann. Ihre Stärke liegt in der Gemeinschaft. Ich glaube, deswegen wird die Serie Anklang finden. Menschen lieben es, Geschichten zu hören, die möglich klingen, die echt klingen. Als könnten sie wirklich passieren. Cassians Geschichte klingt möglich."
Cassian Andor wächst in einer von Repressalien geplagten Galaxis auf.
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Weil "Obi-Wan Kenobi" und "Das Buch von Boba Fett" die Fans eher zwiegespalten zurückließ, lasten große Erwartungen auf den Schultern von "Andor". Die Vorzeichen lassen allerdings einen gewissen Optimismus zu. Allein an der ersten Staffel von "Andor" wurde länger gearbeitet als an einer Staffel "The Mandalorian", "Das Buch von Boba Fett" und "Obi-Wan Kenobi" zusammen. Weiters ist die Serie in einem signifikanten Punkt allen anderen "Star Wars"-Shows einen Schritt voraus.

Sie verfolgt ein feststehendes Konzept.

Während beispielsweise "Obi-Wan Kenobi" ursprünglich als Film geplant war, dann in ein Serienkonzept umformuliert wurde, nur um dessen bestehende Drehbücher kurz vor Drehbeginn komplett zu überarbeiten, waren die Grundvoraussetzungen für "Andor" seit Beginn klar definiert.

Von Anfang an war klar, dass "Andor" genau zwei Staffeln zu exakt 24 Episoden lang sein soll. Jeweils drei Episoden stellen einen "Block" dar, der von einem Regisseur oder einer Regisseurin gedreht und verantwortet wird. Die erste Staffel "Andor" wird einen Zeitraum von einem Jahr abdecken, während in Staffel zwei ein Jahr in jeweils einem "Block" erzählt wird. Eine derart klare Vorgehensweise und Vision haben andere Produktionen des "Star Wars"-Universums vermissen lassen. Der Anfang und das Ende von "Andor" sind klar definiert. Die letzte Folge "Andor" wird direkt vor der Eröffnungsszene von "Rogue One" angesetzt sein, ähnlich wie es "Rogue One" schon bei "Episode IV" tat.

Ein dementsprechend großes Projekt lässt sich klarerweise nicht im Vorbeigehen realisieren. Diego Luna selbst skizziert den Arbeitsaufwand als immens.

"Das Format einer mehrstaffeligen TV-Show gibt uns unglaublich viele Freiheiten. Wir können episch und abenteuerlich sein, dann wiederum eine persönliche und intime Geschichte zwischen zwei Menschen erzählen, um einen Wimpernschlag später politisch und düster zu werden. Die Anzahl an Momenten, in denen wir uns neu erfinden können, ist großartig. Aber lassen Sie mich ehrlich sein. Die schiere Größe des Projektes stellte eine große Herausforderung dar. Zwölf Episoden für die erste Staffel! Das sind quasi vier Filme. (lacht)
Uns bleibt nicht viel Zeit, das zu verarbeiten und zu feiern. Kaum ist man mit einer Sache fertig, ist schon die nächste Mammutaufgabe dran. Wir bereiten Staffel zwei schon vor, während wir noch an Staffel eins arbeiten und sie promoten. Der Arbeitsaufwand ist verrückt. Bei so einem gigantischen Projekt muss jeder von uns fokussiert bleiben und nebenbei noch auf die eigene Gesundheit achten. Andererseits ist die Arbeit unglaublich – wir haben alle Freiheiten, die wir uns nur wünschen konnten. Jetzt müssen wir nur noch abliefern. (lacht)"
Neben intergalaktischen Revolutionsbestrebungen bleibt immer noch genug Raum für politisches Weltraumränkespiel.
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Ob "Andor" wirklich abliefert, kann jeder und jede ab 21. September auf Disney+ für sich selbst entscheiden. (Max Leschanz, 17.9.2022)