Robert Habeck erlebte am Mittwoch ein Wechselbad der Gefühle. Zunächst trat der grüne deutsche Wirtschaftsminister im brandenburgischen Meseberg noch recht frohgemut vor die Presse. Gemeinsam mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollte er demonstrieren: Die Ampelkoalition rauft sich nach langem Streit zusammen, sie hat jetzt gemeinsam weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger im Blick. Habeck kam sogar ein Lob für Scholz über die Lippen: "Ich möchte betonen, wie gut es ist, dass Olaf Scholz diese Regierung führt. Mit seiner Erfahrung, mit seiner Umsicht, mit seiner Ruhe führt er dieses Land sicher durch – und ich bin froh, dass es genauso ist."

Robert Habeck muss sich um mutmaßliche Spione kümmern.
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Nur ein paar Stunden später herrschte jedoch Aufregung. Die Wochenzeitung "Die Zeit" veröffentlichte unter dem Titel "Moskau sieht mit" einen Artikel. Darin steht, dass zwei leitende Beamte in Habecks Ministerium im Verdacht stünden, für Russland spioniert zu haben. Beide würden im sensiblen Bereich Energiepolitik arbeiten.

"Bitterböser Verdacht"

Immerhin war der Sachverhalt Habeck nicht neu. Denn laut "Zeit" hat das Ministerium selbst den Verfassungsschutz eingeschaltet. "Es geht um einen bitterbösen Verdacht", schreibt die "Zeit" und schildert die Angelegenheit so: Im Frühjahr hätten sich Habecks Vertraute an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gewandt und um Amtshilfe gebeten. Denn in internen Papieren bezüglich der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2, des Füllstands der deutschen Gasspeicher und des Berichts über die Versorgungssicherheit Deutschlands waren sie auf Ungereimtheiten gestoßen.

Viele Unterlagen, so heißt es, hätten nur so von Verständnis für die russische Sicht getrieft, auffällig sei gewesen, dass die Argumentation in den Papieren oftmals nicht zur offiziellen Linie der deutschen Regierung gepasst habe. Bei allen großen Diskussionen des Winters, die sich um das Thema Gaslieferungen drehten, hätten die für das Thema zuständigen Ministerialbeamten eine Position eingenommen, die "meilenweit" von der politischen Linie ihres Ministers abgewichen sei: bei der Entscheidung, Nord Stream 2 nicht in Betrieb zu nehmen; bei Gazprom Germania, das von Habeck im April unter treuhänderische Verwaltung gestellt wurde; oder bei der milliardenschweren Rettung des Gasversorgers Uniper. Von "Obstruktion" sei in der Bundesregierung die Rede.

Frage nach dem Motiv

"Aber aus welchem Motiv?", fragt "Die Zeit" und berichtet, dass der Verdacht im Raum stehe, "die russischen Nachrichtendienste" hätten das Bundeswirtschaftsministerium unterwandert.

Die Wochenzeitung schreibt, die Verfassungsschützer hätten die Lebensläufe der verdächtigen Beamten daraufhin überprüft und seien auf "biografische Auffälligkeiten" gestoßen, in einem Fall etwa einen Studienaufenthalt in Russland. Sie seien Reisebewegungen nachgegangen und hätten kontrolliert, ob Flüge ausschließlich dienstliche Hintergründe hatten oder ob es womöglich suspekte Abstecher gegeben habe. Und sie hätten sich private Freundschaften angeschaut. "

Danach sei von einer "emotionalen Nähe zu Russland" die Rede gewesen. Allerdings hätten sich dann im Fall der beiden Ministeriumsbeamten doch "bisher keine handfesten Beweise gefunden, dass es sich um einen Fall von Spionage oder auch Korruption handelt".

Zu einer "vollständigen Überwachung inklusive Observationen, abgehörter Telefonate und mitgelesener E-Mails" ist es laut "Zeit" offenbar nicht gekommen. Dafür ist gesetzlich nämlich "das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Spionagetätigkeit" nötig.

"Zeitenwende noch nicht vollzogen"

Die "Zeit" selbst äußert auch eine vergleichsweise harmlose Vermutung: Das Wirtschaftsministerium, zuletzt von Peter Altmaier (CDU) geleitet, habe sich, bevor Habeck übernahm und bevor die Russen in der Ukraine einmarschierten, ja lange für den Bau und die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 starkgemacht: "Gut möglich, dass der eine oder andere Ministeriale die Zeitenwende mental noch nicht vollzogen hat."

Doch wie geht es nun weiter, da dieser Verdacht nun mal in der Welt ist? Skizziert werden in dem Artikel zwei Szenarien, die für Habeck beide nicht angenehm sind. "Sollte er sich bestätigen, wäre es ein Fiasko für die Bundesregierung und ein Triumph für den Kreml, dem es gelungen wäre, bis hinauf in eines der wichtigsten Ministerien einen oder sogar mehrere Maulwürfe zu platzieren", heißt es.

Und weiter: "Sollte sich der Verdacht aber nicht erhärten, stünde Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) düpiert da und müsste erklären, warum er den Geheimdienst auf altgediente Ministeriale ansetzen ließ." Denn der bloße Verdacht der Spionage habe schon für einige Beamte das Ende ihrer Karriere bedeutet.

Keine Stellungnahme

Weder im Ministerium noch beim Bundesamt für Verfassungsschutz wollte man offiziell zu dem Vorgang Stellung nehmen. In Habecks Haus hieß es, dass man "seit Beginn der Legislaturperiode in einem engen Austausch mit dem Bundesverfassungsschutz" stehe, da klar sei, dass sich die Arbeit des Ministeriums "in einem besonderen Fokus" befinde. Und: "Allen sicherheitsrelevanten Hinweisen gehen wir immer in enger Abstimmung mit dem Bundesverfassungsschutz nach und setzen etwaige notwendige Schritte ebenfalls in Abstimmung mit dem Verfassungsschutz unverzüglich um."

Habeck ist derzeit der beliebteste Politiker in Deutschland. Bei den Deutschen kommt gut an, dass er den Ukraine-Krieg, die daraus resultierende Energiekrise und die Nöte der deutschen Regierung so verständlich erklärt. Doch in den vergangenen Tagen hat sich ein Kratzer an seinem Lack gezeigt. Er patzte bei der geplanten Gasumlage, die alle Bürgerinnen und Bürger ab Herbst zahlen sollen. Das Geld hätten alle Energieunternehmen bekommen sollen – auch jene, die nicht in Not sind. Diesen Fehler auszubessern hat er mittlerweile aber zugesagt. (Birgit Baumann, 31.8.2022)