Sie sind zu einem fixen Bestandteil des Wiener Stadtbilds geworden, aber ob ihres Platzbedarfs und aufgrund notorischer "Falschparker" auch zu einem wiederkehrenden Politikum: die freistehenden, ausleihbaren E-Scooter. 2018 starteten mit Bird und Lime die ersten Anbieter. Teilweise konkurrierten gleich acht Unternehmen gleichzeitig um die rolleraffine Kundschaft. Fünf haben sich bis heute gehalten. Neben den beiden Pionieren sind dies auch noch Tier, Link (Superpedestrian) und Kiwiride. Die Unternehmen haben ihr Angebot zudem auf verschiedene andere Städte in Österreich ausgedehnt.

Von Anfang an wurde um diese Form der elektrischen Fortbewegung auch mit Klimaargumenten geworben. Diese stehen bis heute allerdings in Zweifel. Laut verschiedenen anekdotischen, aber auch wissenschaftlichen Erhebungen ersetzen E-Scooter-Fahrten nur relativ selten Trips mit dem Auto. Hinzu kommt, dass gerade die erste Generation der Roller – es handelte sich in der Regel um umgerüstete Modelle für Endkunden – nicht gerade durch lange Haltbarkeit auffiel. Zumindest an dieser Problemstelle haben die Anbieter seither gearbeitet. Auch in Wien hat jeder von ihnen – mit Ausnahme von Kiwiride – seit dem Start mindestens einmal seine Flotte mit robusteren Fahrgeräten ersetzt.

Probefahrten

Zeit für eine Probefahrt mit dem "Status quo" der Leih-Scooter in der Bundeshauptstadt. Davor aber ein paar allgemeine Empfehlungen: Wer mit einem solchen Roller fahren möchte, sollte vor dem Entsperren den Akkustand prüfen. Dieser ist jederzeit über die App einsichtig, entweder bereits in der Übersichtskarte oder nach dem Antippen des Symbols des jeweiligen Scooters. Empfehlenswert ist auch, vor dem Antritt der eigentlichen "Reise" ein paar Meter testweise zu fahren, um Reifen, Motor und die Bremsen sowie, besonders am Abend, die Lichter auf ihre Funktion zu überprüfen.

Auch wenn man in der Regel nicht von schweren Defekten ausgehen muss, kann es doch passieren, ein Gerät zu erwischen, das wartungsbedürftig ist. In diesem Fall sollte man die Fahrt beenden und Probleme via App melden. Manche Anbieter erstatten den Fahrpreis bei Meldungen in Verbindung mit sehr kurzer Fahrtdauer sogar automatisch zurück, andere reagieren auf Anfragen üblicherweise positiv.

Hinweis: Die Angaben zu Flottenstand, Preisen und Betriebsgebieten sind Stand vom 30. und 31. August 2022. Bei der Bewertung der App wurde die Android-Version herangezogen. Alle Scooter erreichen, gemäß gesetzlichen Vorgaben, eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Bird: Silberpfeil und Kostenkrösus

Basispreise: 1,00 EUR Entsperrung + 19 Cent "Betriebsgebühr", 36 Cent pro Minute

Der US-Anbieter Bird war der erste, der 2018 seine E-Scooter in Wien aufstellte. Wie viele Roller derzeit hier im Einsatz sind, ist unklar. Das Unternehmen reagierte auf eine entsprechende Anfrage nicht.

Die Geräte fallen im Vergleich mit der eher knallig eingefärbten Konkurrenz durch ihre vergleichsweise unaufdringliche Silber-Farbe auf. Die Scooter machen zumeist einen ordentlich gewarteten Eindruck. Das abgedeckte Gebiet umfasst neben den inneren Bezirken (1., 3. bis 9.) auch Teile des 2., 3., 10. bis 14., den 15. Bezirk vollständig und wiederum Teile des 16. bis 22. Bezirks. Liesing geht allerdings leer aus. Bird ist hinsichtlich des Minutentarifs der teuerste Anbieter in Wien und verrechnet außerdem als einziger noch zusätzlich eine "Betriebsgebühr", die faktisch den Grundpreis pro Fahrt auf 1,19 Euro erhöht.

Man steht auf einem ausreichend großen Trittbrett, die Luftreifen helfen auch, wenn der Untergrund mal etwas "ruppig" wird. Die Hydraulik an sich könnte aber etwas besser sein. Erstfahrer können die Fortbewegung auf dem Roller über einen "Anfängermodus" erlernen. In der Standard-Einstellung liefert er die rasanteste Beschleunigung unter den Scootern aller Anbieter. Gefühlt etwas zu rasant. Das Fahrverhalten ist angenehm, der Lenkwiderstand ist jedoch sehr gering, was man beachten sollte. Es gibt zudem eine mechanische Bremse sowie eine elektronische Motorbremse, die sich beim Auslassen des Gashebels aktiviert.

Ein beleuchtetes LC-Display gibt Auskunft über die aktuelle Geschwindigkeit, aber nicht den Akkustand. Eine klassische Fahrradklingel hilft dabei, sich bei Bedarf Gehör zu verschaffen. Ein breiter Standfuß ermöglicht es, den Roller sicher abzustellen. Die App ist übersichtlich gehalten, zeigt bereits auf der Übersicht einen Indikator für den Akku-Ladestand und verfügt auch über ein "Fahrtenbuch", das neben den Scooter-Trips auch Guthabenaufladungen und andere Zahlungen zeigt.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Lime: Vorreiter beim Fahrkomfort

Basispreise: 1 Euro Entsperrung, 30 Cent pro Minute

Der zweite Starter, ebenfalls seit 2018 in Wien und eine US-Firma, ist Lime. Das abgedeckte Stadtgebiet deckt sich weitestgehend mit jenem von Bird, geht aber stellenweise etwas darüber hinaus oder ist etwas geringer. Aktuell befinden sich knapp 1.500 Scooter im Einsatz.

Dank üppigem Trittbrett und recht hohem Lenker, dessen Griffe etwas nach hinten gebogen sind, steht man hier am komfortabelsten von allen Scootern in diesem Vergleich. Denn es ist möglich, sich etwas gegen diese Griffe zu "lehnen", ohne in Gefahr zu kommen, die Balance zu verlieren oder den Schwerpunkt problematisch zu verlagern. Obwohl keine Luftreifen genutzt werden, halten sich die Auswirkungen von Kopfsteinpflaster und Co in Grenzen. Das Beschleunigungsverhalten ist ein guter Kompromiss aus Kontrolle und Geschwindigkeit. Für einen doch recht "wuchtigen" Scooter erweist er sich als wendig und gut steuerbar. Sehr subjektiv gesehen trägt zum guten Fahrgefühl auch das vergleichsweise tiefe "Brummen" des Elektromotors bei.

Die grün-weißen Roller sind in der Regel gut gewartet, auch wenn man manchen ästhetisch ihren Einsatz bereits ansieht. Es gibt zwei mechanische Bremsen, beim Auslassen des Gastriggers aktiviert sich die elektronische Drosselung und bremst das Gefährt ebenfalls langsam herunter.

Der Scooter hat auch ein recht großes Display, als Tachometer wird dieses aber nicht verwendet. Es zeigt den Akkustand als ein in Sechstel aufgeteiltes Kreisdiagramm an. Am Lenker findet sich eine Handyhalterung. Die Klingel ist einfach über einen Drehmechanismus bedienbar. Ein Defizit ist der kleine, "klassische" Standfuß, der das stabile Parken des Scooters erschwert und sein Umfallrisiko bei Windböen oder anderen Einflüssen erhöht. Die App tut, was sie soll, und bietet dabei ein visuell etwas aufgeräumteres Interface als jene von Bird – blendet aber auch häufiger Werbehinweise auf verschiedene Tarifoptionen ein. Der Ladestand lässt sich bereits auf der Karte abschätzen. Vergangene Fahrten und Zahlungen sind auch hier schnell zu finden und nachzulesen.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Tier: Mit Handyaufladung und Blinker

Basispreise: 1 Euro Entsperrung, 31 Cent pro Minute

Bei Tier, das 2019 den Wiener Markt betrat, handelt es sich um ein Berliner Unternehmen und damit den einzigen europäischen unter den Wiener Anbietern. Gemessen an Bezirken deckt sich das Verbreitungsgebiet mit der bisher genannten Konkurrenz, geht aber im Westen, Süden, vor allem aber im Norden und Osten (Transdanubien) deutlich weiter. Die Scooter-Flotte in Wien umfasst derzeit 1.500 Fahrgeräte.

Diese waren ursprünglich in Giftgrün gehalten, mittlerweile hat man sich aber Türkis als Signalfarbe auserkoren. Regelmäßige Wartung scheint auch hier gegeben, nur selten trifft man auf einen Roller mit Problemen abseits ästhetischer Defizite. Beim Komfort muss man Abzüge machen, was dem kürzeren Trittbrett geschuldet ist. Dementsprechend ist es für einen erwachsenen Menschen nicht so leicht, beide Füße in angenehmer Position darauf abzustellen. Hinsichtlich der Beschleunigung fällt auf, dass der Roller kurz langsam anfährt und dann auf einmal ruckartig schneller wird. Das Fahrverhalten selbst ist okay, aber etwas behäbig. Es gibt zwei mechanische Bremsen und ebenfalls einen elektronischen Drosselungsmechanismus.

In Sachen Features bietet man die üppigste Ausstattung. Man findet ein Display vor, das den Akkustand in 25-Prozent-Schritten sowie die aktuelle Geschwindigkeit zeigt – allerdings schon bei etwas helleren Lichtverhältnissen schwer ablesbar ist. Bei der Klingel setzt man auf ein klassisches Modell, dazu gibt es eine Handyhalterung mit drahtloser Ladefunktion. Als derzeit einziger verfügt der Tier-Roller außerdem über Blinker am Lenker, die über zwei Knöpfe am linken Griff bedient werden. Das erspart Fahrerinnen und Fahrern das ansonsten gesetzlich vorgeschriebene Handzeichen beim Abbiegen, das auf einem E-Scooter nicht immer leicht zu bewerkstelligen ist – ein klarer Pluspunkt. Lobenswert ist auch der breite Standfuß, der den Vorderreifen vom Untergrund abhebt und den Scooter somit sicher stehen lässt.

Die App ist funktional gehalten. Den Ladestand eines Scooters erfährt man allerdings erst nach dem Anklicken. Auch die Fahrtenübersicht benötigt einen zusätzlichen Zwischenschritt ins "Konto und Einstellungen"-Menü.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Link: Rundherum solide

Basispreise: 1 Euro Entsperrung, 33 Cent pro Minute

Der vom US-Unternehmen Superpedestrian betriebene Scooter-Verleih Link ist erst im April 2021 gestartet und somit der jüngste Anbieter in der Hauptstadt. Man liegt in Sachen Abdeckung des Stadtgebiets irgendwo zwischen Tier und Lime bzw. Bird. Bedient wird es mit 1.500 Rollern. Die präsentieren sich in Neongelb und Grau und sind technisch stets gut gewartet. Das Beschleunigungsverhalten ist angenehm sanft, das Fahr- und Lenkverhalten ausgesprochen stabil. Gebremst wird mit zwei Zugbremsen sowie einer automatischen elektronischen Motorbremse.

Die Fahrgeräte sind recht wuchtig und erlauben dank des großen Trittbretts einen komfortablen Stand. Ein Tacho oder eine Akkuanzeige sucht man am Roller vergebens, die LED am Griff gibt aber Farbhinweise, wenn man sich in einem Bereich befindet, in dem die Geschwindigkeit des Scooters automatisch limitiert wird. Geklingelt wird per Drehmechanismus. Zum Abstellen gibt es leider nur einen kleinen Seitenständer.

Die App ist übersichtlich und bietet einfachen Zugriff auf das Fahrtenbuch des eigenen Accounts, bei dem es gelegentlich zu Ladeproblemen kommt. Aufgeschlüsselt werden hier ausschließlich Dauer und Kosten, eine Abbildung der Strecke gibt es nicht. Der ungefähre Ladestand der Scooter ist auf der Karte mit einem kleinen Batteriesymbol einsehbar.

Hinweis: Laut Superpedestrian hat die Aufrüstung der Flotte mit einem neueren Modell Anfang September begonnen, vorerst mit 300 neuen Rollern. Diese sind nicht Gegenstand dieses Tests, der sich noch auf die Ende August verfügbaren Geräte bezieht.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Kiwiride: Wartungsroulette

Basispreise: 99 Cent Entsperrung, 25 Cent pro Minute

Der Anbieter Kiwiride ist seit 2019 in der österreichischen Hauptstadt am Start und bietet das preislich günstigste Angebot. Es handelt sich um eine Art Technologie-Franchise-Unternehmung der Firma GP Solutions aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. In Österreich hat sich damit die Firma DW Sharing einen E-Scooter-Verleih aufgebaut. Das Abdeckungsgebiet konkurriert im Norden und Osten mit jenem von Tier, ist in die anderen Richtungen aber tendenziell kleiner als bei den anderen Anbietern. Wie viele Roller man auf den Straßen Wiens ausgebracht hat, ist unklar – auch weil das Unternehmen notorisch unerreichbar ist. Soweit sich aus der App-Übersicht schließen lässt, ist die Flotte aber erheblich kleiner als bei den anderen Verleihern.

Mit ihrer weiß-grünen Aufmachung erinnern die Roller – es handelt sich immer noch um das Modell von vor drei Jahren – auf den ersten Blick an Lime. Damit erschöpfen sich aber die Ähnlichkeiten weitestgehend. Die Kiwiride-Scooter sind merklich kleiner als jene der Konkurrenz, dementsprechend steht man auch etwas unbequemer auf dem Trittbrett. Gefahren wird auf Luftreifen, die die Erschütterungen beim Überqueren unebener Bodenflächen mildern. Es gibt eine Zugbremse nebst schwacher elektronischer Drosselung beim Auslassen des Gashebels. Das Fahrgefühl erinnert stark an die ersten Generation der Scooter für Endkonsumenten. Beschleunigt wird eher flott, beim Fahren von Kurven ist Vorsicht geboten, da aufgrund der geringeren Masse die Gefahr eines "Heckausbruchs" höher ist.

Das wäre grundsätzlich verschmerzbar, würde die offenbar vernachlässigte Wartung nicht ein Glücksspiel daraus machen, in welchem Zustand man den nächsten "Kiwi-Ritt" antritt. Ob Motordefekt, Reifenschaden, loser Lenker oder schlecht eingestellte oder gar nicht funktionierende Bremse – der Autor dieser Zeilen hat mit diesen Scootern alles erlebt. Von kleineren Defekten oder dem häufig sehr ramponierten Aussehen der Roller zu schweigen. Da hilft es auch nicht, dass es einen Tacho gibt und man hier das Licht manuell ein- und ausschalten und zwischen Geschwindigkeitsmodi wechseln kann.

Immerhin, die App funktioniert solide, zeigt den Ladestand bereits auf der Karte und bietet die vielleicht beste Schnellübersicht von Fahrten (wenn auch ohne Streckendarstellung) und Zahlungen. Während die Apps aller Anbieter stellenweise mit merkwürdigen Übersetzungen auffallen, war man bei jener von Kiwiride doch besonders schludrig. Mal wird etwa der Akkuladestand (in der englischen Fassung "Power") als "Leistung" und mal als "Macht" dargestellt. (Georg Pichler, 13.9.2022)