Eine Begegnung der seltsamen Art: Idris Elba als Dschinn, der Wünsche erfüllt, und Tilda Swinton als Alithea im Film "Three Thousand Years of Longing".

Foto: Metro Goldwyn Mayer

Die gute Fee mit ihren drei Wünschen war zuletzt ein bisschen aus der Mode gekommen. Krypto oder ein ganz normaler Lottoschein gelten als (relativ) aussichtsreichere Wege zum Glück, manche glauben sogar noch an die große Liebe oder werfen etwas ein. Das Geschäft der Glücksverheißung läuft also schlecht, dabei liegt doch eigentlich, betrachtet man die Welt, genug im Argen.

Die Fee allerdings, bei der man den Weltfrieden bestellen könnte, muss erst noch erfunden werden. Auch gute Geister haben schließlich ihre Grenzen.

Die härteste dieser Grenzen ist allerdings die Bedürfnislosigkeit. "Ich bin zufrieden", sagt Alithea Binnie, eine britische Wissenschafterin in Istanbul, der das Unerwartete tatsächlich widerfahren ist. Ihr ist zwar eine Fee erschienen, aber so etwas wie das orientalische Pendant: ein Dschinn, ein Geist nicht aus der Wunderlampe, aber doch sehr klassisch aus der Flasche oder aus dem Flacon.

Jahre in der Flasche

Es ist dann also ein 3000 Jahre altes Wunderwesen, das seinerseits einen noch viel größeren Wunsch mit sich herumträgt, als es ihn sich für Alithea vorstellen kann: Es will diesen einen Auftrag erledigen, aber dann soll endlich Ruhe sein. Es möchte unter keinen Umständen wieder in eine Flasche zurück. Einmal musste es ebendort nämlich 2500 Jahre am Stück aushalten – so viel Atemkontrolle gibt es gar nicht, um da nicht ab und zu doch nervös zu werden. Die Geschichte von Alithea und ihrem guten Geist entstammt der Erzählung Der verliebte Dschinn von A. S. Byatt. Schon lange wollte George Miller daraus einen Film machen, nun hat er Three Thousand Years of Longing endlich realisiert.

Der Regisseur von Mad Max soll sich auch einmal ein Märchen gönnen dürfen, nachdem er der Welt ein paar Höhepunkte negativer Utopie beschert hat. Ein west-östlicher Diwan dürfte ihm da vorgeschwebt sein, eine Begegnung der Vorstellungswelten der Erzählungen aus den berühmten 1001 Nächten mit westlichem Denken.

Höherer Blödsinn

Alithea Binnie vertritt dieses Denken in einer Form, die an Karikatur grenzen würde, aber sie wird von Tilda Swinton gespielt, und der nimmt man ja fast jeden höheren Blödsinn irgendwie ab, wenn sie ihn mit ihrer transparenten Erscheinung nobilitiert.

Alithea ist Erzählwissenschafterin (Narratologin). Sie liest und hört Geschichten also mit kühlerem Sinn, als das Schmökerpublikum es gemeinhin tut. Wenn sie von Göttern und Monstern hört, dann denkt Alithea schon an die Metaphern, die irgendwann aus ihnen werden. So eine unbeeindruckbare Rationalistin muss geradezu bekehrt werden – aber zu was? Zu einer neuen Verzauberung der Welt?

MGM

Es steht zu befürchten, dass George Miller etwas in der Richtung im Sinn hatte. Three Thousand Years of Longing ist zugleich philosophischer Dialog und üppiger Ausstattungsfilm, wobei die gesamte Pracht dann auch virtuell ist. Üppige Spezialeffekte sind an die Stelle getreten, die einst in naiven Hollywoodfilmen über Sindbad den Seefahrer oder Salomon und die Königin von Saba zu wunderbaren Bauten und Tricks geführt haben. Georg Miller bietet alles auf, was sich heute locker im kühlen Rechenzentrum bestellen lässt. Auch bei ihm spielt der Hof von König Salomon aus dem alten Israel eine Rolle, und die Königin Sheba steht dem Dschinn sogar eine Weile sehr nahe – man ahnt es schon, zur Strafe bekommt er wieder eine Flasche.

Wie wir heute mit dem Fabulierwesen einer Scheherazade umgehen könnten, das birgt an sich tatsächlich eine durchaus spannende Geschichte. Aber Miller will selber über weite Strecken am liebsten naiv erzählen, obwohl es zunehmend auf Aufklärung hinausläuft: Eine eingesperrte Mathematikerin muss schließlich akzeptieren, dass sie Einstein überflüssig hätte machen können, wäre sie nicht in einem östlichen Patriarchat geboren worden.

Umnebelt werden

Was sich in Three Thousand Years of Longing zwischen Idris Elba in der Rolle des anfangs überlebensgroßen Dschinn und der fragilen Tilda Swinton als Alithea entfaltet, ist fast so etwas wie ein antierotischer Machtkampf. Und wie Alithea schließlich die Waffen streckt, das hat sicher mit Verführung zu tun.

Es hat aber auch damit zu tun, dass sie in einem Film steckt, der seinerseits von unterstellten Wünschen ausgeht, die vielleicht gar nicht so viele Menschen hegen. Nämlich dem Wunsch, sehr aufwendig umnebelt zu werden. (Bert Rebhandl, 1.9.2022)