Gazprom ist das derzeit werthaltigste russische Unternehmen. Auch der Staat schneidet kräftig mit.

Foto: EPA / Anatoly Maltsev

Die Sanktionen gegen Russland zeigen Wirkung, bei Gazprom allerdings in einer alles andere als erwünschten Weise. Der russische Gasriese, der ein Monopol auf Gaslieferungen ins Ausland hat und am Mittwoch die Hauptroute nach Deutschland – Nord Stream 1 – bis vorerst Samstag wegen Wartungsarbeiten stillgelegt hat, verdiente in den ersten sechs Monaten dieses Jahres mit 2,5 Billionen Rubel (umgerechnet 41,6 Milliarden Euro) so viel wie noch nie.

Zum Vergleich: Auch für das Gesamtjahr 2021 hat Gazprom schon einen Rekordgewinn ausgewiesen. Da gab es noch keine Sanktionen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, aber bereits im Steigen begriffene Gaspreise infolge des wiedererwachten Wirtschaftslebens nach langer, pandemiebedingter Stagnation. 2,09 Billionen Rubel wies das Unternehmen damals als Jahresgewinn aus, was aufgrund des deutlich schwächeren Rubelkurses umgerechnet 27,5 Milliarden Euro waren. Der russische Staat kann jedenfalls mit einem kräftigen Geldzufluss aus Dividendenzahlungen rechnen.

Kein Gas mehr für Engie

Am Mittwoch wurde aber auch bekannt, dass Gazprom ein weiteres Land – Frankreich – nicht mehr beliefern wird. Grund seien ausstehende Zahlungen des dortigen Energiekonzerns Engie für bereits im Juli erfolgte Lieferungen, wie der russische Konzern bereits am Dienstagabend via Telegram mitgeteilt hat. Da war allerdings noch die Rede von einer Kürzung der Lieferungen, nicht von einer Kompletteinstellung.

Liefert derzeit gar kein Gas mehr: Die Ostseepipeline Nord Stream 1 fällt wegen Wartungsarbeiten bis Samstag aus.
Foto: reuters / hannibal hanschke

Gazprom hatte seine Lieferungen an Engie bereits seit Beginn des Ukraine-Krieges im Februar stark reduziert. Der französische Konzern teilte noch am Dienstag mit, er habe Maßnahmen ergriffen, um Kürzungen der Lieferungen aus Russland auszugleichen. Die Versorgung der Kunden mit Gas sei gewährleistet. Zuvor hatte Gazprom, die als verlängerter Arm des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, bereits Ländern wie Polen, Bulgarien, Lettland, Dänemark, Finnland und den Niederlanden das Gas abgedreht.

Gasfluss nach Österreich stabil

In Österreich ist der Gasfluss indes auch am Mittwoch stabil geblieben. "Wir beobachten die Situation am Gasmarkt genau, haben zuletzt aber keine Verringerung der Transportmengen über die Ukraine-Route nach Österreich festgestellt", sagte Carola Millgramm, Leiterin der Gasabteilung in der Regulierungsbehörde E-Control, dem STANDARD.

Auch der Füllstand der österreichischen Speicher bessert sich von Tag zu Tag und lag zur Wochenmitte über alle Speicher hinweg bei 68 Prozent, wobei die Speicher der OMV bereits zu über 90 Prozent gefüllt waren. Wenn die Befüllung in diesem Tempo weitergehe, könne ein Füllstand von 80 Prozent bis November, wie als Ziel von der Regierung vorgegeben, auch erreicht werden, sagt Millgramm. Das wäre ein guter Puffer für die kalten Wintermonate, wenn wieder verstärkt Gas zum Heizen nachgefragt wird. Ohne intensives Sparen werde man aber wohl nicht ohne gröbere Probleme über den Winter kommen, sagen Fachleute. Eine Energiesparkampagne ist in Österreich aber erst vor Beginn der Heizsaison geplant.

Wartung als Druckmittel?

Der neuerliche Totalausfall der im Herbst 2012 in Betrieb gegangenen Nord-Stream-1-Gaspipeline hatte keine weiteren Preissprünge zur Folge. Die gab es bereits Ende der Vorwoche, als Gazprom ankündigte, an der letzten noch im Einsatz befindlichen Turbine eine Wartung durchführen zu müssen. Der Gaspreis ist daraufhin bereits am Donnerstag nach oben geschnalzt und hat schließlich am Freitag mit 340 Euro je Megawattstunde (MWh) einen neuen Rekord verzeichnet. Weil Gas auch zur Stromproduktion eingesetzt wird und somit auch auf den Preis elektrischer Energie durchschlägt, gingen auch die Strompreise förmlich durch die Decke.

Dass die Wartung der Turbine gerade jetzt notwendig ist, nachdem bereits im Juli – damals zehn Tage lang – Wartungsarbeiten durchgeführt wurden, bezweifeln Experten im Westen. Manche Fachleute sehen vielmehr den Versuch Putins dahinter, die Preise für Gas weiter nach oben zu treiben, was ihm bisher auch gelungen ist. Trotz verringerter Verkäufe in Richtung Westen klingeln die Kassen von Gazprom laut wie nie.

Moskau dementiert

Moskau hingegen sagt, die Wartungen und immer kleiner werdende Gaslieferungen seien schlicht notwendig, weil man aufgrund der Sanktionen beim Betrieb der Pipeline sehr eingeschränkt sei.

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz Anfang August im Siemens-Werk Mühlheim: Dort steht noch immer eine zuvor in Kanada gewartete Turbine, die für Nord Stream 1 gedacht ist, aber nicht abgeholt wurde.
Foto: apa / afp / sascha schürmann

Genau das Gegenteil schien der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang August beweisen zu wollen, als er dem Siemens-Werk in Mühlheim einen Besuch abstattete. Dort steht eine der Turbinen, die im Sommer in einem Siemens-Werk in Kanada gewartet worden ist und darauf wartet, wieder in Nord Stream 1 eingesetzt zu werden. Moskau sagt, aufgrund der Sanktionen gehe das nicht, Berlin behauptet das Gegenteil.

Experten gehen davon aus, dass Gazprom die Pipeline am Samstag wieder mit Gas befüllt, weil damit auch das Drohpotenzial gegenüber dem Westen aufrechterhalten werden kann. Zuletzt wurden nur mehr 20 Prozent der möglichen Gasmenge durchgeleitet. Mehr könne mit der einen noch im Einsatz befindlichen Turbine nicht befördert werden, sagt Gazprom. (Günther Strobl, 31.8.2022)