Die grüne Klubchefin Sigrid Maurer und die rote Parteichefin Pamela Rendi-Wagner – hier noch amikal bei einer Nationalratssitzung.

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Die mögliche Ampelkoalition aus SPÖ, Grünen und Neos scheint dieser Tage in weite Ferne zu rücken. Das an sich gute Verhältnis zwischen SPÖ und Neos ist nach dem schweren Vertrauensmissbrauch in Wien erheblich getrübt, wenn nicht zerrüttet. Es stand sogar ein Ende der sogenannten Fortschrittskoalition im Raum. Und die Beziehungen zwischen SPÖ und Grünen sind in den vergangenen Wochen ohnedies bis zum Gefrierpunkt abgekühlt.

Grüne sind regelrecht empört

Die Grünen sind über das Vorgehen der Wiener SPÖ regelrecht empört. Nicht nur die Geheimniskrämerei des Wiener Bürgermeisters Michael Ludwig, der zumindest 1,4 Milliarden an Krediten für die Wien Energie an der Rathausopposition vorbeischummelte, sorgt für Unmut, sondern auch der Umgang mit der türkis-grünen Bundesregierung. Die Grünen empfinden es als Affront, dass Wiens Stadtrat Peter Hanke erst Alarm geschlagen und dringlich um finanzielle Unterstützung gebeten hatte, es dann aber nicht der Mühe wert fand, ins Bundeskanzleramt zum eigens dafür einberufenen Energiegipfel zu kommen. Auf Weisung von Bürgermeister Ludwig, wie die Grünen glauben. Hanke sei zurückgepfiffen worden, heißt es.

Das Zerwürfnis zwischen SPÖ und Grünen reicht aber schon länger zurück. Der erbittert geführte Streit um die Wiener Stadtstraße, von den Grünen auch "Stadtautobahn" genannt, hat für nachhaltigen Ärger gesorgt. Dass die SPÖ im Hauptausschuss des Nationalrats schließlich die Gaslenkungsverordnung trotz angeblich vorher erteilter Zusage blockiert hatte, brachte wiederum die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer auf die Palme. Sie hatte die SPÖ schon zuvor als "Partei des Betons und Benzins" kritisiert und ihr schließlich vorgeworfen, sie sei verantwortlich, "wenn Kinderzimmer kalt bleiben".

"Von den Grünen mehr erwartet"

Auf der Gegenseite, in der SPÖ, ist die Stimmung inzwischen ähnlich schlecht, wenn nicht noch aufgeladener, sobald es um die Grünen geht: "Es ist überraschend, wie hart und unsachlich sie in der Causa rund um die Wien Energie geworden sind", sagt ein Hauptstadt-Roter. "Von der ÖVP ist man es ja gewohnt, dass Zusammenarbeit in Krisen nicht möglich ist, von den Grünen sollte man eigentlich mehr erwarten können." Auch Bürgermeister Ludwig selbst soll schwer verärgert sein, heißt es aus seinem Umfeld.

Der Kernvorwurf der SPÖ lautet: Die Bundesregierung wolle sich inmitten einer Krisensituation parteipolitisch profilieren – auf Kosten der Wiener SPÖ. In Gesprächen mit roten Funktionärinnen und Funktionären wird nun auch stets betont: Die Bildung von Koalitionen werde in Zukunft wohl noch schwieriger werden. In der roten Bundespartei gilt der Groll allerdings mehr der ÖVP als den Grünen. Am Donnerstag soll der rote Vize-Klubchef Jörg Leichtfried ausrücken, um "staatspolitische Verantwortung" einzufordern.

Fest steht: Die Fronten sind auf allen Seiten verhärtet. Ob die Animositäten einer Ampelkoalition aber wirklich im Weg stehen würden? Da möchte sich niemand festlegen. (Katharina Mittelstaedt, Michael Völker, 1.9.2022)