Direkt oder indirekt verursacht der Mensch rund 85 Prozent der Waldbrände in Österreich.

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Als der Wiener Forstwissenschafter Harald Vacik begann, über Waldbrände zu forschen, dachten einige seiner Kolleginnen und Kollegen, seine Publikationen würden aus Australien stammen. Der riesige Kontinent mit seinem gleißend heißen Outback wurde schließlich eher mit heftigen Waldbränden assoziiert als das kleine Alpenland Österreich. "Das galt bei dem Thema als nicht so relevant", sagt Vacik, der seit mehr als einem Jahrzehnt an der Universität für Bodenkultur in Wien (Boku) die Entstehung und Verbreitung von Waldbränden analysiert.

Großteil durch Menschen verursacht

Nach einem verheerenden Brandsommer in Österreich und ganz Europa wird die Suche nach Lösungen gegen das Feuer aber auch hierzulande immer wichtiger. Zwar bleibt die Zahl der Waldbrände pro Jahr in Österreich ungefähr bei etwa 200 Fällen im Jahr – Wissenschaftlerinnen prognostizieren jedoch häufigere Waldbrände im alpinen Raum durch Hitzewellen und Dürreperioden für die kommenden Jahre. Ein weiterer Grund ist laut Vacik die zunehmende Freizeitaktivität und Besiedelung im Wald. Denn gerade dort, wo Menschen vermehrt mit dem Wald in Berührung kommen, sei es wichtig vorzusorgen. Der Mensch verursacht direkt oder indirekt rund 85 Prozent der Waldbrände. Im alpinen Raum sind es sogar 90 Prozent.

Die meisten Feuer entstehen durch weggeworfene Zigaretten, außer Kontrolle geratene Lagerfeuer, Funken, die fahrende Züge erzeugen, bei Arbeiten im Freien, durch Brandstiftung, heiße Asche sowie Stromleitungen, heißt es in einer Studie der Boku in Zusammenarbeit mit der EU und Fachleuten im Alpenraum. Nur rund zehn Prozent der Waldbrände in der Alpenregion seien auf Blitzschläge zurückzuführen.

Nach einem Artillerieschießen in Allentsteig (Bezirk Zwettl) erlebte Österreich heuer den größten Waldbrand seit dem Jahr 2000. Laut dem Waldbrand-Blog der Boku wütete das Feuer auf rund 400 Hektar Waldboden. Im Vorjahr breitete sich hierzulande einer der bis dahin drastischsten Brände im Rax-Gebiet auf etwa 120 Hektar aus. Auch rund um Österreich brannte es. Italien, Deutschland, Tschechien sowie Frankreich, Spanien, Portugal und Griechenland kämpfen diesen Sommer mit katastrophalen Waldbränden. Diese haben laut Vacik auch hierzulande zu mehr Bewusstsein geführt. "Die Leute haben selber schon den Rauch in der Nase, wenn sie im Urlaub am Strand liegen", sagt der Waldexperte. "Sie merken, dass es wirklich schlimm ist."

Aktionsprogramm Waldbrand

Auch von der Politik bekommen Waldbrände mehr Aufmerksamkeit. Vacik ist Teil des Aktionsprogramms Waldbrand, das in Kooperation mit der Regierung und mehreren Institutionen entstanden ist. Neben Geldern für Löschfahrzeuge oder der Erkennung von Waldbränden werden auch Maßnahmen gefördert, die verhindern, dass es überhaupt brennt. Im Rahmen des Programms stehen für die Waldbrandbekämpfung und -prävention insgesamt 9,8 Millionen Euro zur Verfügung.

Doch welche Maßnahmen schützen den Wald vor den Flammen? Laut der Studie der Boku können unter anderem sogenannte waldbauliche Maßnahmen die Wälder schützen, also bestimmte Eingriffe in deren Aufbau. Denn bei der Ausbreitung oder Entstehung von Feuern ist demnach auch entscheidend, wie sich der Baumbestand zusammensetzt.

Der Waldbrand im Jahr 2021 in Hirschwang in der Marktgemeinde Reichenau an der Rax erstreckte sich über 120 Hektar.
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Besonders anfällig für Brände sind reine Nadelwälder wie zum Beispiel Fichtenwälder, die in Österreich die häufigste Baumart darstellen. Generell enthalten Nadelbäume neben Harz auch Öle, die das Holz leicht brennbar machen. Auch die Streu von Nadelbäumen auf dem Boden ist entzündlicher als von Laubhölzern. Vacik plädiert daher dafür, beim Anbau auf ein breitgefächertes "Portfolio" an Bäumen zu setzen, ähnlich wie bei Aktien. Die Logik dabei ist, dass wenn eine Baumart unter bestimmten Bedingungen leidet, andere wiederum überleben. Buchen sind eher empfindlich, während Eichen, Linden oder der Spitzahorn bei Feuer resistenter sind. Doch auch bestimmte Nadelbäume wie Weiß- oder Schwarzkiefer sind aufgrund ihres Vorkommens in Ökosystemen, die für Feuer anfällig sind, durch eine dicke Rinde besser angepasst.

Brandschutzschneisen und Pufferzonen

Länder wie Italien, Deutschland oder Slowenien setzen zunehmend auf waldbauliche Techniken, die vor Feuern schützen sollen. Deutschlands Wälder profitierten durch Streifen aus Laubhölzern, die große Nadelholzflächen unterteilten. Zudem waren Pufferzonen ohne Vegetation an Straßen und Eisenbahnlinien hilfreich. Wirft jemand eine Zigarette aus dem Autofenster oder sprüht ein einfahrender Zug Funken, kann sich ein Feuer ohne Nahrung nicht verbreiten. In Slowenien schützen sogenannte Brandschutzschneisen die Risikogebiete. Darunter kann man sich einen mindestens 20 Meter breiten Streifen vorstellen, auf dem es keinen Bewuchs gibt. In Italien werden gefährdete Bäume bewusst gefällt und neue angepflanzt. Laut der Studie ist Österreich aber zurückhaltend, was solche Maßnahmen angeht.

Zugleich seien besonders artenvielfältige Wälder nicht automatisch gut gegen Waldbrände aufgestellt, so Vacik. Ein naturnaher oder natürlicher Wald hat mehr "Struktur", also unterschiedlich hohe Bäume in verschiedenen Altersklassen. "Bei einem strukturierten Wald ist die Wahrscheinlichkeit für eine Feuerleiter viel größer", sagt Vacik. Das Feuer könne entlang der unterschiedlich hohen Vegetation schneller hoch in die Baumkronen klettern. Sogenannte Kronenfeuer setzen wesentlich mehr CO2 frei und schaden dem Wald mehr als Brände am Boden. Zugleich ist die Auswahl an Bäumen auch immer abhängig von der jeweiligen Umgebung. Je trockener, lichter und heißer ein Waldstück ist, desto geringer die Auswahl an Bäumen, so Vacik. Solche Maßnahmen müsse man daher immer auf lokaler Ebene einschätzen, meint Vacik.

Maßnahmen von Fall zu Fall

Ein gutes Beispiel für die Zielkonflikte im Wald ist die Frage um Totholz. Einerseits ist Totholz essenziell für das Mikroklima und beherbergt wichtige Insekten und Pilze. Andererseits kann trockenes Totholz an Feuerhotspots Brände verstärken. In Fall des Rax-Brandes konnte man laut Vacik sehen, dass abrollende tote Stämme dazu beigetragen haben, dass sich das Feuer rascher ausbreitete. Dennoch meint Vacik: "Man braucht nicht nur einschichtige, ausgeräumte Wälder." Vielmehr sollte man zwischen den Zielen des Waldeigentümers, der Gefahrensituation und den passenden Maßnahmen abwägen.

Waldbesitzerinnen und -besitzer würden ihre Wälder bereits resistenter machen, ohne speziell auf Waldbrände einzugehen. Die Motivation kommt laut Vacik oft von woanders. Viele wollen ihre Wälder klimafitter machen, vor Sturmschäden oder vor einem Schädlingsbefall durch Borkenkäfer schützen und würden damit den Wald automatisch gegen Brände schützen. In Ortschaften, in denen es bereits gebrannt hat, haben die Menschen Vacik zufolge ein stärkeres Interesse daran, künftige Brände zu vermeiden. Gemeinden wie das niederösterreichische Saubersdorf oder Bad Bleiberg in Kärnten haben bereits mit der Boku zusammengearbeitet, um zu ermitteln, wo genau das Brandrisiko hoch ist, damit Maßnahmen speziell in Gefahrenzonen umgesetzt werden.

Das Institut für Waldbau an der Boku arbeitet daher auch mit dem Landwirtschaftsministerium an einer Waldbrandrisikokarte, um die Gefahr besser regional einschätzen zu können. Laut Vacik könne man nicht österreichweit entscheiden, wie feuerresistente Wälder aussehen sollen. Es sei vielmehr wichtig einzusehen, wo genau das Brandrisiko hoch ist, um von Fall zu Fall über Maßnahmen zu entscheiden. (Isadora Wallnöfer, 6.9.2022)