Einst der state of the art, seit dem CD-ROM-Zeitalter aber zunehmend aus der Zeit gefallen: die 3,5-Zoll-Diskette.

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Japans Behörden haben ein Digitalisierungsproblem. Seit Jahren arbeitet das Land nicht nur an einer digitalen Identität für seine Bürger ("MyNumber"), sondern versucht auch, die Arbeitsweise der Behörden ins 21. Jahrhundert zu überführen. Die plagen sich nicht nur mit Regelungen, die die Verwendung von Faxgeräten und Siegeln vorsehen, sondern auch mit veralteten Speichersystemen für digitalisierte Information.

Im vergangenen Jahr kündigte der damalige Premier Yoshihide Suga umfassende Reformen in diesem Bereich an, die aber während seiner gerade einmal einjährigen Amtszeit nicht zur Umsetzung kamen. Sein Nachfolger Fumio Kishida, insbesondere aber der seit vergangenem August amtierende Digitalminister Taro Kono scheinen jedoch größere Ambitionen zu hegen.

"Krieg gegen Disketten"

Im Rahmen der fünften Konferenz für "Konzepte einer digitalen Gesellschaft" hatte Kono eine Untersuchung der aktuell gültigen Vorgaben für die Behörden initiiert. Dabei stellte sich heraus, dass es über 1.900 Regeln dafür gibt, wie Behörden untereinander und Bürger mit Behörden Daten digital auszutauschen haben. Alleine in 1.592 dieser Vorgaben sind explizit verschiedene Varianten von Disketten vorgesehen.

Dazu gesellen sich noch 207 Fälle, die CD-ROMs vorsehen, und 84 Vorschriften, die von Magnetbändern sprechen. 563 weitere Regelungen sehen allgemein physische Datenträger vor. Oft ist zudem die persönliche Übergabe von Datenträgern vorgeschrieben – keine gute Basis zur Umsetzung einer E-Government-Reform. Dabei war Japan mit diesen Vorgaben einst weit vorne dabei, als Disketten in den 1970ern und 1980ern die Computerwelt zu erobern begannen.

Kono hat nun öffentlich einen "Krieg gegen Disketten" ausgerufen. Er hat seine Beamten in einer eigens eingerichteten Arbeitsgruppe beauftragt, die aus der Zeit gefallenen Vorgaben zu ändern, um Bürgern mehr Möglichkeiten zu eröffnen, Behördenwege online zu beschreiten.

Retro-Technik als Stolperstein

"The Register" weiß noch weitere Beispiele von Ländern, die sich mit veralteten Technologien herumschlagen müssen oder mussten. Südkorea beendete etwa erst 2021 den Einsatz von Microsofts zwar nicht offiziell, aber de facto ausgemusterter Javascript-Alternative ActiveX auf verschiedenen Seiten der Regierung. Diese wirft nicht nur verschiedene Sicherheitsprobleme auf, sondern wird auch von Microsofts eigenem Edge-Browser seit der Umstellung auf Chromium-Basis nicht mehr unterstützt.

Auch in den USA plagt man sich noch mit allerlei Relikten. Die Steuerbehörden (IRS) plagen sich bis heute mit einer Flut an brieflich eingereichten Steuererklärungen, deren Informationen auch noch händisch übertragen werden müssen. Erst im Juli hat die "Washington Post" das Prozedere in einer Fotoreportage dokumentiert.

Während der Hochphase der Corona-Pandemie suchte der Bundesstaat New Jersey außerdem händeringend nach Cobol-Programmierern, um verschiedenen alten Softwarelösungen auf die Sprünge zu helfen. Der am 16. August von Präsident Joe Biden unterzeichnete Inflation Reduction Act enthält unter anderem Vorgaben, die die technologische Modernisierung der Behörden beschleunigen soll. (gpi, 1.9.2022)