Eine Mandantin beschwerte sich in tausenden Fällen, dass bei der Verwendung von Google-Schriftarten Daten an den Konzern übermittelt wurden.

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Wie im STANDARD-Gastbeitrag von Árpád Geréd im Detail nachzulesen, haben ein "Datenschutzanwalt" aus dem Marchfeld und dessen Mandantin, eine Privatperson, die kürzlich ergangene Entscheidung eines deutschen Landgerichts zum Anlass genommen, um einen veritablen Abmahntsunami über die österreichische Unternehmerlandschaft rollen zu lassen. Dem Vernehmen nach soll sogar eine bis zu fünfstellige Zahl an Unterlassungsaufforderungen wegen eines behaupteten Datenschutzverstoßes – selbst bei wohlwollendster Betrachtung eine absolute Lappalie – versandt worden sein.

Garniert wurde die Klagsandrohung mit der Forderung nach immateriellem (= Gefühlsschaden-)Schadenersatz von doch recht materiellen 100 Euro sowie Kostenersatz in annähernd gleicher Höhe. Denn der "nachlässige Umgang mit dem Thema Datenschutz" sei etwas, das die Mandantin "massiv nervt". Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Doch davon einmal ganz abgesehen: Gar so eindeutig wie in der Abmahnung dargestellt ist die objektive Rechtslage offenbar keineswegs. Zudem wurden alsbald Zweifel geäußert, ob der Aufruf der jeweiligen Website wirklich durch die Mandantin persönlich erfolgt ist oder aber automatisiert durch einen "Crawler". In letzterem Fall stünde der behauptete Datenschutzverstoß beziehungsweise Schadenersatzanspruch – vorsichtig formuliert – auf umso wackligeren Beinen.

Massenabmahnungen sind in Österreich bislang eher ein Randphänomen. Merklich anders ist die Situation in Deutschland, wobei dort die missbräuchliche Verfolgung von Ansprüchen sogar explizit verboten ist. Aber auch in Österreich lohnt sich ein Blick auf diejenigen Möglichkeiten, die speziell das Lauterkeitsrecht bei derartigen Praktiken bereithält.

Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht?

Verletzungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) begründen nicht nur Unterlassungs- und – bei Verschulden – Schadenersatzansprüche, sondern ermächtigen den obsiegenden Kläger bei entsprechender Breitenwirkung auch zur Urteilsveröffentlichung, wobei die Kosten dafür vom Beklagten zu tragen sind und schlimmstenfalls sogar sechsstellig ausfallen können. Gerade in Lauterkeitsprozessen sind auch die eigentlichen Verfahrenskosten alles andere als ein Pappenstiel. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass im Lauterkeitsrecht durchaus auch mehrere Kläger getrennt voneinander auftreten können, was unter Umständen mehrere Veröffentlichungspflichten nach sich ziehen kann.

Nach UWG klagslegitimiert sind in erster Linie die Mitbewerber des Verletzers, im Falle eines Rechtsanwalts also dessen Standeskollegen (wobei – auch hier – zunächst ein Schlichtungsversuch vor der Rechtsanwaltskammer zu unternehmen ist). Das Vorliegen eines solchen Wettbewerbsverhältnisses gegenüber der Anwaltschaft ließe sich bei "geschäftlicher" Abmahntätigkeit des Klienten auch für diesen andenken. Unabhängig davon wäre eine mögliche Verantwortlichkeit als Beteiligungstäter zu prüfen (für welchen sich die Frage nach der Spürbarkeit von vornherein erübrigen würde). Hinzu kommt: Erst mit diesjähriger Novelle hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch die von einem Lauterkeitsverstoß direkt betroffenen Unternehmer nach UWG zumindest auf Schadenersatz klagen können.

Doch wie steht nun das Lauterkeitsrecht aus inhaltlicher Sicht zu Fällen nach Art des vorliegenden?

Rechtslage und Sachverhalt

Grundsätzlich wäre selbst eine unrichtige Darstellung der Rechtslage in einer Abmahnung nicht schon per se UWG-widrig. Wenigstens im Regelfall wird auch keine Verpflichtung angenommen werden können, darin auf das Bestehen rechtlicher Unsicherheiten hinzuweisen. Allerdings ließe sich bei einer "Hyper-Massen-Abmahnung" wie offenbar im gegenständlichen Fall, womit noch dazu angeblich zu einer entsprechenden öffentlichen Bewusstseinsbildung beigetragen werden soll, wohl auch die gegenteilige Sichtweise vertreten.

Wirklich heikel wird es auf Sachverhaltsebene: Sollten im aktuellen Fall die Website-Aufrufe tatsächlich nicht von einem einer natürlichen Person zuordenbaren Gerät erfolgt und sollte deshalb eine Verletzung des Datenschutzes zu verneinen sein, dann wäre der dadurch, je nach Kenntnisstand, zweifellos berechtigte Unlauterkeitsvorwurf womöglich nicht einmal das größte Problem der Protagonisten.

Einnahmeninteresse im Vordergrund

Doch völlig losgelöst von alldem ist lauterkeitsrechtliche Unzulässigkeit (auch) dann anzunehmen, wenn das Einnahmen- bzw. Kostenerzielungsinteresse ganz im Vordergrund der jeweiligen Abmahntätigkeit steht, zumal wenn darin eine Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes zu erblicken ist (die zuständige Rechtsanwaltskammer ermittelt nach eigenen Angaben bereits gegen den Kollegen).

Problematisch ist dabei gerade die massenhafte Verfolgung von im Internet leicht auffindbaren Verstößen und von "Modethemen". Das Landgericht Bielefeld (2.6.2006, 15 O 53/06) hat eine innerhalb weniger Tage erfolgte Versendung von mehr als 100 Abmahnungen wegen geringfügiger Wettbewerbsverstöße bei unklarer Rechtslage als missbräuchlich eingestuft. Dabei wirkt bei der vorzunehmenden Abwägung wohl erschwerend, wenn – wie hier – eine aktuelle Gerichtsentscheidung als "Aufhänger" für eine Abmahnwelle herangezogen wird. Auch ein Missverhältnis zwischen den wirtschaftlichen Verhältnissen des Abmahnenden und der Massenhaftigkeit von Abmahnungen ist hier in Rechnung zu stellen, ebenso zwischen der Anzahl der Abmahnungen und jener der tatsächlich erfolgten Klagen (im aktuellen Fall offenbar lediglich eine Handvoll).

Zu beachten ist auch, dass ein Unlauterkeitsvorwurf in derartigen Fällen bereits an das äußere Erscheinungsbild anknüpft. Dass ebendieser objektive Eindruck im aktuellen Fall "suboptimal" für die Akteure ist, bedarf an der Stelle keiner Vertiefung, und zwar keineswegs nur deshalb, weil die Abmahnschreiben nicht einmal eine Aktenzahl enthalten (was eine Zuordnung von Zahlungen naturgemäß massiv erschwert). Nebst verschiedenen anderen Dingen könnte hier sogar der Umstand, dass entgegen sonstigen Usancen keine Vertragsstrafe zwecks Verhinderung neuerlicher Verstöße begehrt wurde, zum Bumerang für die Beteiligten werden – zumindest die Gefahr weiterer Datenschutzverletzungen dürfte demnach besagter Mandantin keine schlaflosen Nächte bereiten. (Mathias Görg, 4.9.2022)