Fernsehrichterin Barbara Salesch urteilt wieder.

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Köln – Es ist noch so wie früher: Wenn man direkt vor Barbara Salesch sitzt, kann man durchaus ins Schwitzen geraten – säße sie in einem Gerichtssaal und nicht in der Zentrale des Fernsehsenders RTL, den Kölner Dom im Rücken. Vor rund zehn Jahren hat die Grande Dame der deutschen Gerichtsshow mit 61 Jahren die TV-Robe abgestreift und ihre Sendung "Richterin Barbara Salesch" nach mehr als 2.300 Ausgaben bei Sat.1 beendet. Nun ist sie 72 Jahre alt – und zurück.

Am Montag (5.9., 11 Uhr) läuft erstmals vormittags "Barbara Salesch – Das Strafgericht", nun bei RTL. Darum soll es in diesem Gespräch gehen und – glücklicherweise – nicht um womöglich strafwürdiges Fehlverhalten der Beteiligten im Raum. Warum macht sie es noch einmal? "RTL hat nicht lockergelassen", erklärt Salesch unumwunden. Über Monate habe der Sender "gebaggert", bis sie schließlich gesagt habe: Ich mach es. Zumal die Idee dahinter immer mehr bei ihr angekommen sei. "Die Sendung soll ein bisschen moderner werden, etwas frischer", erklärt sie.

Retro-Welle

Die Entscheidung, Salesch wieder Recht sprechen zu lassen, dürfte allerdings auch nicht ganz ohne die aktuell durch das Fernsehen rollende Retro-Welle zu erklären sein. Seit Monaten kommt sehr viel zurück – etwa "Der Preis ist heiß" (RTL), "Geh aufs Ganze!" (Sat.1) und "Wetten, dass..?" (ZDF). Und wenn man an das mittägliche Fernsehprogramm der sogenannten Nullerjahre denkt, dann erscheint schnell Salesch vor dem geistigen Auge, die durch ihre Brille einen Angeklagten mustert. Gerichtsshows waren damals groß in Mode.

Saleschs lief von 1999 bis 2012. Am Anfang noch mit echten Fällen – einem possierlichen Zank um einen Maschendrahtzaun zimmerte Stefan Raab damals ein musikalisches Denkmal ("Maschen-Draht-Zaun"). Als die Show auf erdachte Fälle und Laien-Darsteller umsattelte, wurde sie ein Riesenhit. Während sich das Prozessgeschehen um sie herum überschlug, blieb Salesch – vor ihrem Fernsehjob erfahrene Juristin am Landgericht Hamburg – ruhig und fragte geduldig weiter. Vermutlich hätte sie damals bei einer Direktwahl zur Bundeskanzlerin mit nicht wenigen Stimmen rechnen können.

"Nicht unterbeschäftigt"

Salesch sagt, sie sei seit ihrem Abschied "nicht unterbeschäftigt" gewesen. Sie hat ein altes Bauernhaus in Ostwestfalen gekauft, eine Galerie eingerichtet, sich einen Hund zugelegt und unterrichtet Kinder in Kunst. Aber man merkt ihr auch an, dass sie wieder Lust auf Fernsehen hat – und auf das Recht, das manch einer ja für eine eher trockene Angelegenheit hält. Vor dem Start hat sie sich in Unterlagen vertieft. "Ich habe mir neue Gesetze angeschaut. Ich habe auch die Entwicklungen in der Strafprozessordnung nachgesehen. Da ist einiges dazugekommen, gerade was neue Medien betrifft."

Nicht mehr unbeobachtet

Das soll tatsächlich der Unterschied zu damals sein: Die Welt ist weiter durchdigitalisiert worden. Auf Smartphones schlummern unzählige Videos – und somit Beweismittel. "Sie können in einer Stadt wie Köln nicht mehr unbeobachtet unterwegs sein, irgendwo sind sie immer drauf", sagt Salesch. Und sei es nur im Hintergrund auf einem Foto von einem Teller mit Essen. Sie zieht verschwörerisch die Augenbraue hoch. "Das ist für eine Juristin natürlich sehr interessant", sagt sie. "Ich komme an das Zeugs ja ran."

Gespielt, aber wahrer Hintergrund

Die Fälle sind erneut gespielt, sollen aber auf "wahren Begebenheiten" basieren. Raub, Stalking, Brandstiftung, Diebstähle, Körperverletzung und vieles mehr. "Die einzige Eintrittskarte, die man braucht, um zu mir zu kommen, ist eine Straftat", sagt sie. Die von Kollegen mitunter vorgebrachte Kritik, sie banalisiere die ehrwürdige Institution des Strafprozesses, perlt weiterhin an ihr ab. "Fernsehen bildet nicht den Alltag ab. Das sage ich auch den Kritikern des Formats immer. Und ich sage ihnen: Seid doch froh drum." Recht könne man auch mit der Unterhaltung vermitteln. "In 44 Minuten habe ich jemanden verurteilt oder freigesprochen." (APA, dpa, 1.9.2022)