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Manche Frauen haben oft einfach keine Lust mehr auf Aufgabenverteilung – und machen es einfach selbst.

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Wer macht was? Bei vielen Paaren ist es noch immer die Frau, die alles innerhalb der Familie am Laufen hält – und letztlich weniger Einkommen hat. Viele Frauen befinden sich in einer Dauerdiskussion mit ihrem Partner über die Arbeitsteilung. Für die Reihe "Feministische Gewissensfrage" haben wir bei User:innen nachgefragt, wie es bei ihnen beim Projekt "Halbe-halbe" läuft. Die einen berichteten von einer selbstverständlichen Teilung der Arbeitslast, andere von Frust nach ewigen erfolglosen Diskussionen – und davon, dass Frauen deshalb einfach das meiste allein erledigen.

Warum ist es also noch immer so schwierig, unbezahlte Arbeit fair aufzuteilen? Sind es heute vorwiegend individuelle Entscheidungen, die Frauen zurück in eine traditionelle Mutterrolle drängen – und an deren Ende oft eine niedrige Pension aufgrund zu weniger Erwerbsarbeitsjahre steht? Oder tut der Staat noch zu wenig, damit Väter stärker in die Familienarbeit geholt werden?

Beides greift ineinander. "Die stereotypen Rollenvorstellungen werden in Österreich durch Maßnahmen noch zusätzlich verstärkt, oder, besser: durch das Fehlen von Maßnahmen", sagt Katharina Mader, Ökonomin und Referentin in der Abteilung Frauen/Familie der Arbeiterkammer Wien. Derzeit würden sich bei der Verteilung der Care-Arbeit oft Routinen einschleichen, sagt sie.

Wer mehr verdient, hat zwar grundsätzlich mehr Verhandlungsmacht, weiß Mader. Viel schwerer als ökonomische Überlegungen aufgrund unterschiedlicher Einkommen eines Paares wiegen allerdings noch immer unsere Rollenvorstellungen. In Zahlen bedeutet das: 49,6 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit, und nur 11,6 Prozent der Männer. Etwa zwei Drittel der unbezahlten Arbeit leisten Frauen.

Überkompensation

Argumentiert wird heute aber freilich anders als mit Klischees von Männern und Frauen. Vielmehr heißt es oft: Wenn der Vater mehr verdient und Erwerbsarbeit leistet, muss er freilich weniger Betreuungs- und Familienarbeit leisten. Somit handle es sich um eine faire Regelung, die auch anders aussähe, wäre es andersherum. Das stimmt so allerdings oft nicht. Jedenfalls zeigt die Zeitverwendungsstudie aus dem Jahr 2008, dass Frauen, die den Großteil des Einkommens in einem Haushalt beisteuern, trotzdem die meiste unbezahlte Arbeit erledigen. Für sie gilt also nicht: mehr Einkommen, weniger Care-Arbeit.

Überkompensation, so lautet die Erklärung der Soziologie dafür. "Wenn man schon nicht die traditionelle Mutterrolle übernimmt und nur Zuverdienerin ist, dann wird dies durch noch mehr Sorgearbeit wettgemacht", erklärt Mader dieses Phänomen, das es auch bei Männern gibt. Wenn sie nicht der Familienernährer sind, dann machen Männer besonders wenig unbezahlte Arbeit – um so zumindest doch noch irgendwie dem traditionellen Bild zu entsprechen.

Besonders ausschlaggebend für die Verteilung der Arbeit ist die Entscheidung über die Verteilung der Karenz beim ersten Kind. Wenn Frauen diese praktisch allein übernehmen, ist es relativ egal, ob sie nach der Karenz Vollzeit oder Teilzeit arbeiten, sagt Mader. Geht der Vater nicht oder womöglich nur zwei Monate in Karenz, bleibt die unbezahlte Arbeit bei der Mutter kleben.

Auch Barbara Schrammel vom Verein "Frauen beraten Frauen" betont die Bedeutung der Karenzverteilung. "Wir wissen aus Studien, wenn Väter länger als drei Monate in Karenz sind, verändert sich schon ein wenig, mit fünf Monaten wird es dann um einiges besser", sagt Schrammel. Dann übernehmen Väter deutlich mehr Verantwortung, weil sie sehen, was alles zu tun ist. "Sie sind dann stärker auf die Beziehung und die Bedürfnisse der Kinder fokussiert als nur auf die Erwerbsarbeit."

Frauen seien hingegen eben oft zu sehr auf die Familienarbeit fokussiert, heißt es oft. "Tu dir doch nicht so viel an" oder "Das muss doch nicht sein", hören Frauen. "Es stimmt, dass Frauen sich oft zu viel aufhalsen. In unserer perfektionistischen Gesellschaft wird sehr viel Leistungsdruck ausgeübt, was Frauen alles tun sollten", sagt Psychotherapeutin und Beraterin Schrammel.

Wenn es unterschiedlichen Haltungen dazu gibt, was notwendig ist und was nicht, muss man sich darüber austauschen, rät sie. Grundsätzlich sei es gut für Frauen, einfach weniger zu tun, aber gerade bei Dingen wir Schularbeiten oder Schulanmeldungen muss man sich einfach kümmern. Das Angebot, es einfach "sein zu lassen", hilft da also nicht.

Schrammel kann gut nachvollziehen, dass man manchmal einfach nicht mehr diskutieren will – und die Dinge dann allein macht. "Das ist ein Muster, das oft passiert. Es ist sehr anstrengend, wenn man ohnehin schon belastet ist – und dann auch noch in Angriff nehmen muss, die Verantwortung neu zu verteilen." Da erscheint es oft einfacher, es selbst zu tun, auch "weil man es besser kann – aber nicht aufgrund des Geschlechts, sondern weil man es dauernd und viel öfter gemacht hat".

Keine Gegensteuerung

Die individuelle Vorstellung von Gleichstellung und die Aufteilung der unbezahlten Arbeit ist das eine, das andere ist aber das politische Commitment, sagt Katharina Mader, "das gibt den Ausschlag, ob diese Vorstellungen auch umgesetzt werden können". In Island sei das Hand in Hand gegangen, wo fünf Monate der Karenzzeiten fix für den Vater reserviert sind. In Österreich gibt es das nicht – lediglich bei der einkommensabhängigen Karenzvariante muss der andere Elternteil mindestens zwei Monate nehmen. Und diese kurze Zeit ist in Österreich die bevorzugte Wahl für Väter, die in Karenz gehen. Zehn Prozent der Väter wählen eine Karenzdauer von maximal drei Monaten. Weitere sechs Prozent beziehen zwar Kinderbetreuungsgeld, unterbrechen aber ihre Erwerbstätigkeit dafür gar nicht. Lediglich zwei Prozent der Väter unterbrechen demnach die Erwerbstätigkeit für drei bis sechs Monate, und nur ein Prozent für mehr als sechs Monate.

"In Österreich steuert die Familienpolitik hier nicht gegen", kritisiert Mader. Eine Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung (ÖIF) hat tatsächlich gezeigt, dass durch Karenzmodelle wie jenes in Österreich Männer und Frauen schnell in traditionelle Rollen rutschen. Auch Schrammel plädiert für politische Konzepte wie eine verpflichtende Elternkarenz, "ohne das wird es nicht gehen. Wenn – wie in Österreich – die Väter nur zwei Monate in Karenz gehen, und davon vielleicht noch einen Monat mit ihrer Partnerin überlappend, dann werden sie diese Tätigkeiten nie sehen und sich nicht zuständig dafür fühlen", ist Schrammel überzeugt.

Das ist doch bitte privat?

Doch in die Familienorganisation wollen sich viele nicht hineinregieren lassen. Ist es nicht verständlich, dass sich Menschen insbesondere bei etwas so Privatem wie der Arbeitsteilung bei den Kindern nicht dreinreden lassen wollen? "Jede Steuerpolitik ist ein Eingriff ins Private, jede Gesundheitspolitik ist ein Eingriff ist Private", sagt Mader. Ebenso die Einführung des Mutter-Kind-Passes, in dem diverse persönliche Daten der Mutter vermerkt werden. Es hat aber die Mütter- und Kindersterblichkeit massiv gesenkt. Mader: "Es braucht den politischen Willen zu solchen Maßnahmen."

Derzeit ist unser gesamtes Sozialversicherungs- und Pensionssystem auf Vollzeitarbeit ausgerichtet. Und Vollzeit bedeutet auch, dass man nicht mehr genug Ressourcen für Care-Arbeit hat. Es kann sich also gar nicht ausgehen. Die Kindertagesheimstatistik der Statistik Austria zeigt, dass in Österreich ein Fünftel der Kindergärten vor 14 Uhr schließen. Österreichweit haben Kinderbetreuungseinrichtungen an 18 Betriebstagen zu, die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind groß. In Tirol sind es mit 38 Schließtagen die meisten, in Kärnten sind es 32.

"Die realistische Betrachtung wäre, den Frauen zu sagen, schauts, dass ihr so gut wie möglich in dieses System reinpasst", sagt Mader. Ihr "idealistischer Zugang" wäre hingegen, das System aufzubrechen und eine Arbeitszeitverkürzung einzuführen. Denn das würde eine bessere Verteilung der unbezahlten Arbeit ermöglichen, ist sie überzeugt. Allerdings gäbe es auch dann nicht von allein eine faire Verteilung der Care-Arbeit, sondern die müsste mit zusätzlichen Maßnahmen gefördert werden.

"In Zeiten einer Teuerung wird alles schwieriger, denn der Fokus richtet sich noch mal stärker auf die bezahlte Arbeit", sagt Mader. Denn nur das werde als notwendig erachtet – allerdings ist auch das andere, die Sorgearbeit, die Kinderbetreuung und die Familienarbeit, lebensnotwendig. (Beate Hausbichler, 1.9.2022)