Die "Büste der Ohnmacht" als Erinnerungszeichen bei der Aufarbeitung der Linzer NS-Geschichte.

Stadt Linz

Linz – Besuchern, die durch das üppige Grün des Botanischen Gartens in Linz streifen, bleibt oft verborgen, dass sie auf historisch höchst belastetem Boden lustwandeln. Denn direkt unter dem städtischen Pflanzenparadies befindet sich mit einer weitverzweigten Stollenanlage das ehemalige Nebenlager des Konzentrationslagers Mauthausen Linz II. Ein neues Mahnmal der Musikerin und Künstlerin Timna Brauer, das am Montag offiziell enthüllt wurde, soll künftig direkt im Botanischen Garten mehr Licht auf die Schatten der Vergangenheit werfen.

Leid im Dunkeln

Das Nebenlager existierte von Februar 1944 bis zur Befreiung Anfang Mai 1945. Besondere historische Brisanz erhielt dieses Lager dadurch, dass es auf persönlichen Befehl Adolf Hitlers eingerichtet wurde. Die abkommandierten Häftlinge aus Mauthausen mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen am Ausbau der bestehenden Stollen des Märzen-, Limoni- und Cembrankellers zu Luftschutzkellern arbeiten. Die Lebensbedingungen im Lager waren äußerst schlecht. So beschreibt der deutsche Häftling Fritz Grabowski etwa die Situation wie folgt: "Unsere Unterkünfte befanden sich im Stollen. Unsere Arbeitsstelle ebenfalls. Einem großen Teil der Häftlinge war es nicht möglich, ans Tageslicht zu kommen. Sie mussten während der Dauer des Aufenthaltes stets im Dunkeln leben." Insgesamt waren 380 Menschen in Linz II inhaftiert.

Vater-Tochter-Projekt

Im Sommer 2020 entstand im Rahmen eines Konzertes von Timna Brauer direkt im Botanischen Garten die Idee zur Errichtung eines Mahnmals. Ursprünglich wollte Timnas Vater Arik Brauer eine Keramikfigur für dieses Mahnmal herstellen. Aufgrund seines überraschenden Todes konnte er die Idee jedoch nicht mehr umsetzen. Und so schuf seine Tochter ihre erste Skulptur im öffentlichen Raum.

Das Werk "Büste der Ohnmacht" stellt einen femininen Oberkörper dar – ein seltenes Beispiel eines Mahnmals zum Holocaust. Eine Bekleidung aus Mosaik, bestehend aus Feuersteinen, bedeckt die Büste teilweise. Die Feuersteine habe sie als Symbol in den Karmelhügeln in Israel gesammelt, erzählt Brauer. Durch unregelmäßige Anordnung der Steine soll der Eindruck eines aufgerissenen Hemdes entstehen, das Sinnbild für den durch tödliche Zwangsarbeit im Steinbruch von Mauthausen und beim Bau des Luftschutzstollens im Nebenlager Linz II geschundenen, malträtierten Körper sein soll. Brauer: "Der weibliche Körper weist zudem auf die Tatsache der Zwangsprostitution von Frauen im KZ Mauthausen hin."

Städtische Aufarbeitung

Für den Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SP) ist das jüngste Mahnmal eine konsequente Fortsetzung der Aufarbeitung der dunklen Kapitel der Stadtgeschichte: "Die Stadt Linz beschäftigt sich seit Jahren auf vielfältige Weise mit ihrem historischen Erbe. Seit Mitte Mai dieses Jahres werden an verschiedenen Standorten Erinnerungsstelen für jüdische Opfer des Nationalsozialismus aufgestellt. Mit der 'Büste der Ohnmacht' wird ein weiterer wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung geleistet."

"Eine Stadt mit einer NS-Vergangenheit wie Linz kann ihre Geschichte nicht intensiv genug aufarbeiten oder ausreichend an die Opfer der Naziherrschaft erinnern", mahnt auch Stadträtin Eva Schobesberger (Grüne). (Markus Rohrhofer, 1.9.2022)