Machte vieles hinter dem Rücken des 2017 amtierenden Finanzministers Hans Jörg Schelling: Thomas Schmid.

Foto: Trend/Wolak/VGN

Im Rahmen des sogenannten Projekts Ballhausplatz, das war im Jahr 2017 jene Wahlkampfstrategie, die den damaligen Außenminister Sebastian Kurz zuerst an die Spitze der ÖVP und danach ins Bundeskanzleramt befördern sollte, überließen dieser und seine Getreuen wirklich nichts dem Zufall – auch nicht das Budget, die in Zahlen gegossene Politik. Akribisch wurde in den Wochen vor der Nationalratswahl am 15. Oktober der Entwurf für das Bundesfinanzrahmengesetz für die Jahre 2018 bis 2022 erarbeitet – und zwar hinter dem Rücken des damals amtierenden Finanzministers Hans Jörg Schelling (ÖVP).

Das legen dem STANDARD vorliegende Chats zwischen Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium unter Schelling, und Bernhard Bonelli, damals Kabinettsmitarbeiter im Außenministerium unter Sebastian Kurz, nahe. Schmid und Bonelli zählten in dieser Zeit längst zu den engsten Vertrauten von Kurz und gelten als Schlüsselfiguren im türkisen System. Eingebunden in den Budgetprozess des Finanzressorts waren laut den Chats auch Gernot Blümel, damals nicht amtsführender Stadtrat in Wien und später Kanzleramts- sowie Finanzminister, Markus Gstöttner, damals politischer Referent in der ÖVP, später stellvertretender Kabinettschef von Kurz und heute Kabinettschef von Kanzler Karl Nehammer, Stefan Steiner, damals ÖVP-Generalsekretär und über all die Jahre Kurz-Berater, sowie Bernd Brünner, der damals im Außenministerium tätig war und heute Generalsekretär im Kanzleramt ist.

War 2017 für Sebastian Kurz im Außenministerium tätig, schaltete sich aber in den Budgetprozess im Finanzministerium ein: Bernhard Bonelli.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Höchst ungewöhnlicher Ablauf

Aber von Anfang an: Bis zum 22. Oktober hat die Bundesregierung Jahr für Jahr Zeit, dem Nationalrat den Entwurf für das Bundesfinanzrahmengesetz, also das Budget, für die kommenden Jahre vorzulegen – so sieht es das Bundes-Verfassungsgesetz vor. Finden im Herbst Nationalratswahlen statt, wird dieses in der Regel erst im darauffolgenden Frühjahr vorgelegt. So oder so: Üblich ist, dass im Finanzministerium das Bundesfinanzrahmengesetz rechtzeitig vorbereitet wird – ganz unabhängig davon, ob eine Wahl ansteht oder eben nicht.

Höchst ungewöhnlich dürften die Dinge allerdings im Wahljahr 2017 abgelaufen sein, und zwar in den Wochen vor der Nationalratswahl am 15. Oktober. In diesem Jahr dirigierten offenbar mehrere Kurz-Vertraute von außerhalb des Finanzministeriums den offiziellen Budgetprozess des Ressorts – und zwar über Schmid, der dort als Generalsekretär an den Schalthebeln der Macht saß.

Weniger Geld für SPÖ-Hochburgen

Erste Chats zu dem Thema liegen dem STANDARD vom 2. Oktober 2017 vor. An diesem Tag schrieb Bonelli an Schmid: "nur zur Info: haben am Freitag mit Stefan ausgemacht, dass Gernot, Bernd und ich sich mit Dir treffen sollen wegen Budget. Gernot hat glaub ich schon versucht Dich zu erreichen. LG Bernhard". Schmid willigt mit "Ok" ein. In späteren Nachrichten ergänzt er: "Ich habe eine totale Zahlen Panik".

Am selben Tag geht es noch ans Eingemachte. Schmid schreibt Bonelli, dass nur eine Frage geklärt werden müsse, und zwar: "Wollen wir sparen und auf Schüssel machen. In den ersten Jahren Politik machen und lediglich EU Vorgaben einhalten mit Ziel 0 Defizit am Ende der Periode". Schmid plädiert dafür. Und er hat auch schon Ideen, wo es Einsparungspotenzial gibt: "Änderungen in SPÖ Hochburgen wo viel zu holen ist und es niemandem weh tut."

Wusste oftmals nicht, was in seinem Ressort passierte: der 2017 amtierende Finanzminister Hans Jörg Schelling.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Finanzminister Schelling nicht eingeweiht

Eine Woche später, am 10. Oktober, bittet Bonelli schließlich Schmid, das Dokument mit den geplanten budgetären Maßnahmen auch an Markus Gstöttner zu schicken. Schmid stimmt zu und weist gleichzeitig darauf hin, dass er den Budgetpfad nicht bis zum nächsten Tag werde finalisieren können. "Parlamentsbeschlüsse kommen auch noch mal drauf mit ca 600 Mio pro Jahr. Eure Maßnahmen müssen wir auch noch kurz bewerten für die ersten beiden Jahre!" Am nächsten Tag schreibt Schmid: "Markus kriegt Kostenschätzungen alle bis 12.00". Bonelli bedankt sich und will wissen: "wie sieht es mit bfrg/pfad (Bundesfinanzrahmengesetz/Budgetpfad, Anm.) aus? wann denkst du können wir reden? morgen früh vielleicht?"

Einen Tag nach der Wahl lässt Schmid Bonelli schließlich Folgendes wissen: "Hi Bernhard, Den Pfad habe ich wie von euch gebeten niemandem gezeigt auch nicht Schelling. Das wissen hoffentlich Sebastian und Co auch." Bonelli bestätigt daraufhin einen Tag später: "ja klar! danke dir vielmals!"

Die ganze Aktion fand demnach hinter dem Rücken beziehungsweise ohne das Wissen des damals amtierenden Finanzministers Hans Jörg Schelling statt. Das verwundert nicht weiter, stand doch Schelling auf der Abschussliste des späteren Kanzlers Sebastian Kurz. In Chats, die im Oktober des Vorjahres publik wurden, sprach Schmid davon, auf Schelling Druck ausüben zu wollen, weil dieser nicht auf Kurz‘ Linie war. Und als Schelling in einer Steuerfrage einen Kompromiss mit der SPÖ eingehen habe wollen, schrieb Schmid an Mitarbeiter im Ministerium über Schelling: "Habe mit Kurz geredet. Kurz war ganz klar. Kurz sagte, er will keinen Kompromiss und keine Lösung. Wenn er es macht, ist er draußen." Als Schelling sich im September 2017 entscheidet, aus der Politik auszusteigen, kommuniziert er mit Schmid und lässt Dampf ab: "Ich bin keine Schachfigur, mit der andere spielen. Ich setze meine Züge selbst." (Sandra Schieder, 1.9.2022)