Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen kam am Mittwochnachmittag zum Schluss, dass Spanien die politischen Rechte mehrerer katalanischer Politiker verletzt hat. Geklagt hatten der ehemalige Vizeregierungschef der nordostspanischen Region Katalonien Oriol Junqueras sowie drei Minister der Autonomieregierung, die im Oktober 2017 nach einem von der spanischen Zentralregierung in Madrid untersagten Unabhängigkeitsreferendum abgesetzt und als Autonomieparlamentarier suspendiert wurden, als sie unter dem Vorwurf des "Aufstandes" in Untersuchungshaft kamen.

Der UN-Menschenrechtsausschuss gab den Klägern – u. a. Oriol Junqueras (Poster) – recht.
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Die Betroffenen wurden ein Jahr später zu bis zu 13 Jahren Haft verurteilt. Dabei verlief das Referendum völlig friedlich, von den harten Polizeieinsätzen gegen Wähler einmal abgesehen.

Die vier hatten noch vor dem Urteil aus der Untersuchungshaft heraus geklagt. Amtsenthebung und Suspendierung hätten ihre politischen Rechte als Volksvertreter verletzt, argumentierten sie. Die spanische Regierung hingegen gab an, dass der Volkswille gewahrt worden sei, da die vier durch Nachrücker ersetzt wurden.

Artikel 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte

Der Menschenrechtsausschuss gab den Klägern recht. Er sieht den Artikel 25 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verletzt. Dieser sichert allen Bürgern die freie Teilnahme "an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter" zu. Das sei "das Wesen einer demokratischen Regierung", lautet es im 18-seitigen Dokument zum Fall Spanien.

"Unabhängig von der Verfassungs- oder Regierungsform, die ein Staat annimmt, kann die Ausübung dieser Rechte durch die Bürger nicht ausgesetzt oder verweigert werden, außer aus den in der Gesetzgebung vorgesehenen Gründen, die vernünftig und objektiv sind und faire und gerechte Verfahren beinhalten."

Da die vier zum Zeitpunkt ihrer Klage nicht rechtskräftig verurteilt waren, hätten sie weiterhin das Recht gehabt, als Volksvertreter zu fungieren. 14 der 17 Mitglieder des Menschenrechtsausschusses schlossen sich der Verurteilung Spaniens an. Ein spanisches Ausschussmitglied enthielt sich der Stimme. Die restlichen beiden sehen das Vergehen Spaniens als "verhältnismäßig" an.

180-Tage-Frist

Der Menschenrechtsausschuss räumt Spanien eine Frist von 180 Tagen ein, um Maßnahmen vorzulegen, die verhindern, dass sich ein solcher Verstoß gegen die politischen Rechte wiederholt. "Wenn eine Regierung will, dass ihr Staat als normale Demokratie angesehen wird, muss sie dies erfüllen", erklärt der Anwalt der vier, der deutsche Jurist und Professor in Genf Nico Krisch. (Reiner Wandler, 1.9.2022)