Millionen Menschen trauern in Deutschland dem Neun-Euro-Ticket nach. Zudem macht sich die in der Nacht auf Donnerstag aufgehobene Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe an vielen Tankstellen deutlich bemerkbar.

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"Gott sei Dank – endlich wieder unter uns!" Dieser, nicht ganz ernst gemeinte Stoßseufzer, gepaart mit Augenzwinkern, schwebte am Donnerstag vielerorts in Deutschland durch Züge des Regionalverkehrs.

Es fahren seit 1. September jene wieder mit der Bahn, die es immer schon getan haben. Und hoffentlich ein paar mehr, denn das war ja der Sinn des sommerlichen Neun-Euro-Tickets, das in Deutschland binnen drei Monaten Kultstatus erlangt hat: dass mehr Passagiere vom Auto auf die Schiene gelockt werden. Das Angebot (für neun Euro im Monat kann man den Nahverkehr in ganz Deutschland nutzen) hatte die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP im Frühjahr ersonnen, hauptsächlich auf Drängen der Ökopartei. Es wurde der Hit. Die Deutsche Bahn verkaufte in drei Monaten 52 Millionen Stück davon.

Große Reiselust

Die Folge: Eine ungeheure Reiselust, die allerdings auf beliebten Strecken (an die Ostsee oder in die Alpen) zur Räumung manch überfüllten Zuges führte. Deutschland war plötzlich zum Niedrigpreis viel mobiler, Punks fuhren auf die Nobelinsel Sylt zum Feiern.

Von einem "vollen Erfolg" spricht der Verband der Verkehrsunternehmen und rechnet vor, dass rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden konnten. Eine wesentliche Erkenntnis sei zudem, "dass wir viele Umsteiger haben", zehn Prozent der Fahrten mit dem Neun-Euro-Ticket seien für eine Strecke genutzt worden, die sonst mit dem Auto gefahren worden wäre.

Günstig und einfach

Es kam nicht nur der niedrige Preis gut an, sondern auch die einfache Nutzungsweise: ein Ticket für das ganze Land, niemand musste sich mehr durch die verschiedenen Tarifdschungel der einzelnen Verkehrsverbünde quälen.

Doch die schlechte Nachricht für die Deutschen lautet: Das Ticket ist wie geplant nach drei Monaten ausgelaufen und wird in der Form nicht verlängert. Kein Geld, beschied zunächst Finanzminister Christian Lindner (FDP) und kritisierte die "Gratismentalität" jener, die eine Verlängerung forderten. Es folgte ein Shitstorm gegen ihn.

Doch ganz tot ist das Ticket nicht. Einige Regionen in Deutschland planen ähnliche Tickets, allerdings zu einem höheren Preis als neun Euro. Immerhin diskutieren Bund und Länder nun darüber, ob man doch eine Nachfolge basteln könnte. Unklar sind aber Finanzierung und wie die unterschiedlichen Tarifstrukturen vereinfacht werden könnten.

Ende des Tankrabatts

Doch nicht nur das Bahnfahren ist in Deutschland wieder teurer. Auch eine weitere, befristete Aktion der Bundesregierung lief mit 31. August aus: der Tankrabatt. Und das machte sich am Tag danach an den Zapfsäulen bemerkbar. Laut ADAC kostete ein Liter Diesel am Tag nach dem Ende des Rabatts teilweise mehr als 2,30 Euro, der Literpreis für Diesel stieg um etwa zehn Cent, jener für Superbenzin der Sorte E10 um rund 25 Cent.

"Angesichts voller Tanks an den Tankstellen, die bis gestern zu niedrigen Steuersätzen befüllt wurden, ist das gegenüber den Verbrauchern in keiner Weise zu rechtfertigen", kritisiert ADAC-Sprecherin Katrin van Randenborgh, zumal die Preise in den vergangenen Wochen bereits in die Höhe geklettert seien. Im Zuge eines Entlastungspakets hatte die Regierung die Energiesteuer auf Benzin um 29,55 Cent pro Liter, bei Diesel um 14,04 Cent gesenkt. Weitere Erleichterungen für Autofahrer sind derzeit nicht geplant. (Birgit Baumann aus Berlin, 2.9.2022)