Anett Kontaveit spielte gegen Serena Williams nur eine Nebenrolle ...

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"Es war ihr Moment", sagte die Estin bei der Pressekonferenz, die sie unter Tränen abbrach.

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Andy Murray scheint nach verlorenen Jahren zu erstarken.

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Wer könnte Serena Williams besser analysieren als Serena Williams? "Ich bin eine ziemlich gute Spielerin", sagte die 23-fache Grand-Slam-Siegerin nach ihrem Zweitrundensieg gegen Anett Kontaveit. Auf die Frage, ob sie von ihrer Leistung überrascht sei, antwortete sie: "Ich bin einfach Serena."

Diese Serena musste gegen die estnische Nummer zwei des Turniers über drei Sätze gehen, gewann nach 2:26 Stunden 7:6 (4), 2:6, 6:2. "Ich habe es nicht eilig. Ich liebe die Fans hier", sagte sie und setzte nach: "Oh mein Gott, es ist fantastisch." So hätte man auch ihr Spiel phasenweise bezeichnen können. Die 40-Jährige packte druckvolle Schläge wie in besten Zeiten aus, die äußerst durchwachsene Vorbereitung schien vergessen.

"Ich sehe hier alles als Bonus. Ich muss nichts mehr beweisen", beteuerte Williams. Seit 1998 habe sie nicht so befreit spielen können. Im Jahr darauf holte die damals 17-Jährige in Flushing Meadows ihren ersten Grand-Slam-Titel – auf den Tag genau zwei Jahre vor den Anschlägen des 11. September. Im Monat ihres ersten Triumphs gewann Heinz-Harald Frentzen den Formel-1-GP von Italien und Jan Ullrich die Vuelta. Wayne Gretzky hatte seine Karriere im selben Jahr beendet. Basketball-Star Luka Doncic war noch nicht, Lauf-Pionier Emil Zátopek noch auf der Welt. Kurz: Williams ist sportliche Ewigkeit.

Seit ihrem ersten Vorfühlen 1998 trat die jüngere zweier hochtalentierter Schwestern weitere 20-mal bei den US Open an, dabei schaffte sie es jedes Mal zumindest in die vierte Runde. So gesehen kann sich ihre Drittrundengegnerin Ajla Tomljanovic den Auftritt in der Nachtsession am Freitag sparen. "Das wird etwas sein, das ich nie vergessen werde", sagt die Australierin. "Es wird ein großer Moment sein, unabhängig vom Ergebnis."

Tomljanovic ist selbst bereits 29 Jahre alt, aber natürlich: "Ich war schon als Kind ein Serena-Fan." Gegen ihr Idol werde sie "einfach eine Wettkämpferin sein und zu gewinnen versuchen". Dabei wolle sie möglichst auch das von Prominenz gespickte Publikum ausblenden, das Williams gegen Kontaveit lautstark zum Sieg pushte.

Der Erfolg des Superstars macht schon die großen Wettbüros nervös. Legenden auf ihrer Abschiedstour sind stets beliebte Wetten, Williams ist ein Extrembeispiel. Vor dem Turnier war sie 50:1-Außenseiterin auf den Gesamtsieg, nun steht sie bei 14:1. "Der Turniersieg-Posten ist hässlich", sagt einer der größten Buchmacher in Las Vegas.

Williams’ Weg zum 24. Grand-Slam-Titel und damit zur Einstellung des Rekords von Margaret Court ist freilich noch weit, doch ihre Aussagen nach der Zweitrundenpartie klingen für die Konkurrenz wie gefährliche Drohungen. "Ich habe noch etwas im Tank", sagte sie. Und: "Ich liebe Herausforderungen." Und eben, das kann man nicht oft genug betonen: "Ich bin einfach Serena."

Murray glänzt

Auch bei den Männern lässt ein Routinier aufhorchen. Andy Murray schaffte es durch sein 5:7, 6:3, 6:1, 6:0 gegen den US-Amerikaner Emilio Nava erstmals seit sechs Jahren in die dritte Runde der US Open. 2012 hatte er im Arthur Ashe Stadium seinen ersten von drei Grand-Slam-Titeln geholt.

"Ich bewege mich so gut wie schon lange nicht mehr", sagte der 35-Jährige, der vor drei Jahren eine Teilprothese der Hüfte bekam. "Hoffentlich kann ich weit kommen." Seit 2017 hat es Murray bei keinem Major-Turnier mehr über die dritte Runde hinausgeschafft, nun stellt sich Matteo Berrettini dem Briten in den Weg. Der Italiener rang Hugo Grenier 2:6, 6:1, 7:6 (4), 7:6 (7) nieder.

Titelverteidiger Daniil Medwedew trifft nach seinem 6:2, 7:5, 6:3-Sieg gegen Arthur Rinderknech auf Wu Yibing, der dank seines 6:7 (3), 7:6 (4), 4:6, 6:4, 6:4 gegen Nuno Borges als erster Chinese seit Einführung des Profitennis 1968 bei einem Grand Slam in die dritte Runde kam. Mehrere Landsfrauen hatten dem 22-Jährigen das und wesentlich Höheres längst vorgemacht, darunter Peng Shuai. Um die wegen ihrer Missbrauchsvorwürfe in staatliche Ungnade gefallene einstige Weltranglisten-Erste herrscht seit ihrem fragwürdigen Kurzauftritt bei Olympia wieder Funkstille. (Martin Schauhuber, 1.9.2022)