Der ehemalige Präsident Trump (rechts) weigert sich bis heute, den Sieg von US-Präsident Biden (links) bei der Wahl von 2020 einzugestehen.

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Washington – US-Präsident Joe Biden hat mit eindringlichen Worten vor einem Niedergang der Demokratie in seinem Land gewarnt. "Lange haben wir uns damit beruhigt, dass die amerikanische Demokratie garantiert ist. Aber sie ist es nicht. Wir müssen sie verteidigen. Sie beschützen. Für sie einstehen. Jede und jeder Einzelne von uns", sagte Biden am Donnerstag bei einer Wahlkampfveranstaltung in Philadelphia im Bundesstaat Pennsylvania.

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Dabei griff er direkt die Anhänger des ehemaligen Präsidenten Donald Trump an. Zwar würden nicht alle Republikaner, "nicht einmal eine Mehrheit", für dieselben Ideen stehen wie der Ex-Präsident, "so besteht aber doch kein Zweifel daran, dass sie die Partei dominieren, anführen und einschüchtern".

"Die MAGA-Kräfte sind entschlossen, dieses Land in die Vergangenheit zu führen", so Biden. In ein Amerika ohne freie Wahlen, Privatsphäre und Verhütungsmittel. MAGA steht für Trumps früheres Wahlkampfmotto "Make America Great Again" (auf Deutsch etwa: "Macht Amerika wieder großartig"). Biden sagte weiter: "Donald Trump und die MAGA-Republikaner repräsentieren einen Extremismus, der die Grundfesten unserer Republik bedroht."

Die Rede wurde immer wieder von Demonstrierenden unterbrochen, die die Phrase "Let's go Brandon" in ein Magafon riefen, die eine verdeckte Beschimpfung das Präsidenten ist. Biden selbst verwies auf einen Mangel an "guten Manieren" der Demonstrierenden, unterstrich aber auch, dass Protest in einer Demokratie erlaubt sei: "Sie haben ein Recht darauf, unverschämt zu sein."

Republikanische Abgeordnete nahmen an der Rede unmittelbar Anstoß. Biden selbst sei der "trennendste" aller Präsidenten, sagte der Führer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy. Er erinnerte daran, dass der Präsident bei einem Event vor einer Woche den Trumpismus "mit einer Art Semi-Faschismus" vergleichen hatte – was er in seiner aktuellen Rede allerdings nicht wiederholte. Ronna McDaniel, eine Vertraute Trumps im Abgeordnetenhaus, sagte, Biden verkörpere die Polarisierung, die durch die "Democrat Party" hervorgerufen werde. So bezeichnen Republikaner die Demokratische Partei Bidens, die eigentlich "Democratic Party" heißt, bereits seit über einem Jahrzehnt abschätzig.

Tatsächlich sehen laut einer Umfrage Anhängerinnen und Anhänger beider Parteien die Demokratie in den USA in Gefahr – beschuldigen dafür aber jeweils die Anhänger der anderen Seite.

Trump-Unterstützer bei Kongresswahl

Trump weigert sich bis heute, seine Niederlage bei der Präsidentenwahl 2020 einzugestehen. Er behauptet, durch massiven Wahlbetrug um den Sieg gebracht worden zu sein, hat dafür aber nie Beweise vorgelegt. Biden war bei der Wahl auf 81 Millionen Stimmen und auf eine klare Mehrheit der Wahlleute gekommen. Für Trump stimmten damals gut 74 Millionen.

Bei der Kongresswahl am 8. November – in der Mitte von Bidens Amtszeit – werden in den USA alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im Senat neu gewählt. Ebenso stehen in zahlreichen Bundesstaaten Gouverneurswahlen an. Trump, der die Republikanische Partei weiterhin dominiert, hat für zahlreiche Posten Vertraute und Unterstützer seiner Wahlbetrugslüge in Stellung gebracht.

Trump unterstützt Kapitolstürmer

Trump sagte unterdessen am Donnerstagabend in einer Radiosendung, er unterstütze einige Anhänger, die am Sturm auf den Kongress am 6. Jänner 2021 beteiligt waren, finanziell. Außerdem wolle er deren Begnadigung prüfen, sollte er noch einmal ins Weiße Haus gewählt werden. "Es sind unglaubliche Menschen, die noch zwei Tage zuvor in meinem Büro waren. Es ist eine Schande, was ihnen angetan wurde", sagte Trump, der eine Kandidatur bei der Wahl 2024 nicht ausschließt.

Ein Mann aus New York wurde unterdessen für seine Rolle beim Angriff auf das Kapitol zur bisher längsten Haftstrafe in dem Fall verurteilt. Der ehemalige NYPD-Polizist erhielt am Donnerstag laut US-Medien wegen des Angriffs auf eine Sicherheitskraft zehn Jahre Haft. Auf einem Video, das im Prozess gezeigt wurde, war zu sehen, wie der heute 56-Jährige einen Kapitol-Polizisten mit einer Fahnenstange angreift und ihm die Gasmaske vom Gesicht reißt. Er war bereits im Mai in allen sechs Anklagepunkten schuldig gesprochen worden. Der Täter hatte behauptet, in Notwehr gehandelt zu haben.

Mehr als 850 festgenommen

Anhänger Trumps hatten am 6. Jänner 2021 gewaltsam den Parlamentssitz in Washington gestürmt. Dort war der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg Bidens zu zertifizieren. Durch die Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist. Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung mit der Behauptung aufgewiegelt, ihm sei der Wahlsieg gestohlen worden. Seit dem 6. Jänner wurden nach Angaben des US-Justizministeriums mehr als 850 Personen in Verbindung mit dem Kapitolsturm festgenommen. (red, APA, 2.9.2022)