Kompletter Fleischverzicht hätte zur Folge, dass Grasflächen für Wiederkäuer zu Äckern umgewandelt würden.

Eltern servieren es ihren Kindern am Sonntag, Brautpaare kredenzen es Gästen als Festmahl, und sogar als Leichenschmaus verleiht das panierte Fleisch ein wohliges Gefühl. Das Wiener Schnitzel ist definitiv eine Leibspeise der Menschen in Österreich.

Das schlägt sich auch in der Statistik nieder: Pro Kopf wurden 2021 knapp 59 Kilogramm Fleisch verzehrt. Freilich nicht nur Schnitzel, trotzdem eine ordentliche Portion, die Auswirkungen auf Klimawandel, Ökologie und globale Ernährungssicherheit hat.

"Es ist eindeutig, dass wir in der westlichen Welt zu viel Fleisch essen", sagt Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace. Zudem übersteige der durchschnittliche Fleischkonsum in Österreich die Empfehlungen des Gesundheitsministeriums um das Dreifache. Eine Reduktion um zwei Drittel wäre also eine "Win-win-Situation für Gesundheit, Umwelt und Tierwohl". Zumal die Produktion ein enorm ineffizienter Prozess sei, da Tieren immer mehr Kalorien zugeführt werden müssten, als Fleisch herauskomme.

Die Milchkuh, die Milch und Fleisch, oder das Schaf im steilen Gebirge, das Wolle und Fleisch liefere, mache aus Ressourcensicht Sinn, allein so funktioniere die Fleischwirtschaft heute nicht mehr. "Statt direkt Lebensmittel für uns Menschen anzubauen, bewirtschaften wir Futteräcker etwa für die Schweinemast", sagt Theissing-Matei.

In Österreich würden rund 60 Prozent der Ackerflächen für die Produktion von Tierfutter verwendet, und trotzdem müssten in Südamerika Wälder gerodet werden, um Soja anzubauen. "Wir erzeugen Umweltprobleme am anderen Ende der Welt", sagt Theissing-Matei. Ein Kilo Rindfleisch aus Österreich erzeuge hierzulande rund 15 Kilogramm CO2.

Seine Forderung an die Politik: Bis 2050 müsse der Fleischkonsum um zwei Drittel reduziert werden. Mit Maßnahmen dürfe man nicht bis 2049 warten, der Tierbestand müsse sofort zurückgefahren werden. Für einen Umstieg brauche es Förderprogramme in der Landwirtschaft. "Da passiert allerdings noch fast gar nichts."

Fleischlose Auswirkungen

Stefan Hörtenhuber, Nutztierwissenschafter an der Boku Wien, ist überzeugt: Fleischlose Ernährung würde den Klimawandel reduzieren und die Methangasemissionen deutlich senken. Wegen des vermehrten Anbaus pflanzlicher Produkte können sie zwar wieder steigen, "aber in Summe ist vegetarische und vegane Ernährung klimafreundlicher."

Doch ein kompletter Fleischverzicht würde die gesamte Bewirtschaftung ändern, und Grasflächen für Wiederkäuer müssten zu Äckern umgewandelt werden. Auch das ginge am Klimawandel nicht spurlos vorbei. Hörtenhuber ist überzeugt, dass eine derartige Flächenumwandlung "beachtliche CO2-Emissionen freisetzt".

Der Grund: Grünland weist einen hohen Humusgehalt auf, der wiederum Kohlenstoff bindet. Durch das Umgraben der Wiese gelangt das CO2 in die Atmosphäre. Nicht zuletzt deshalb und wegen Wasser- und Erosionsschutzes verbieten EU-weite Gesetze, Grünland umzubrechen.

Außerdem könne Dauergrünland, und damit etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche in Österreich und zwei Drittel der globalen Flächen, lediglich von Wiederkäuern genutzt werden. Hörtenhubers Lösung: Fleischkonsum hierzulande reduzieren und weniger Tiere halten. Aber generell und besonders in Ländern, "in denen es nicht alles in Hülle und Fülle gibt, ist Fleisch neben Eiern und Milch eine wichtige Proteinquelle.

Globaler Fleischverzicht würde die Versorgungssicherheit reduzieren." Das System sei zudem bei Doppelnutzung am effizientesten, wenn Kühe nicht nur für Milcherzeugung genutzt, sondern auch deren Fleisch gegessen wird.

Alt- statt Masthuhn

Laut dem Agrarexperten Werner Zollitsch vom Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Boku Wien setzt die globale Tierhaltung 18 Prozent der Treibhausgase frei. Würden alle Menschen auf Fleisch verzichten, könnten bis zu zwei Drittel dieser Emissionen gespart werden, rechnet er vor.

Die genaue Zahl der globalen Treibhausgas-Einsparungen sei schwer aufzudröseln, denn Rindfleisch ist gekoppelt an Milchkühe und Hühnchen an Eiererzeugung. Das mag in Österreich nicht so offensichtlich sein, in Afrika aber sei Fleisch von Althühnern deutlich gängiger als das von Masthühnern.

Ob Fleischverzicht den Klimawandel stoppen kann, diese Frage hört Werner Zollitsch nicht gern. "Sie impliziert, dass der einzige Zweck der Tierhaltung die Fleischproduktion wäre. Dem ist aber nicht so", sagt der Experte. Der Grund: In Österreich ist die Hälfte der Agrarfläche Dauergrünland für Weidetiere, wie etwa Almen.

Diese Flächen weisen die größte Biodiversität auf, und die wäre laut Zollitsch ohne Weidetiere verloren. Die oberste Fläche und damit das Gras bleibe nämlich nur bestehen, wenn regelmäßig abgeweidet oder gemäht werde. Ansonsten verbusche die Fläche und entwickle sich zu seiner natürlichen Vegetationsform als Wald zurück.

Dort sei die Biodiversität immer geringer als auf Grünlandflächen. Zollitschs Fazit: "Geben wir die Tierhaltung komplett auf, schütten wir das Kind mit dem Bad aus."

Fleisch als Beilage

Ansetzen müsse man viel eher beim enormen Fleischhunger. Auf einem Teller in einem typisch österreichischen Wirtshaus liegen zwei Drittel Fleisch und ein Drittel Beilage, "das sollte man umkehren", sagt Zollitsch. Würde das Fleisch zur Beilage und Kartoffeln sowie Gemüse zur Hauptspeise, würde sich der Fleischverzehr etwa halbieren.

Aus ernährungsökologischer Sicht "wäre die traditionelle Wiener Rindfleischküche die beste". Denn Rinder setzen Gras um, das können Menschen ohnehin nicht verzehren. Schweine und Hühner hingegen konkurrieren direkt um Nahrungsmittel mit Menschen.

Ihre Fütterung besetze heute zwei Drittel der österreichischen Äcker. Mais, Weizen und Soja etwa wären auch lebensmitteltauglich. Deren Anbau habe zudem ökologische Nachteile, weil sie Monokulturen seien und wenig Fruchtfolge entstehe. "Davon wegzukommen und das Grünland für Wiederkäuer zu erhalten wäre wünschenswert", sagt Zollitsch.

Für die globale Ernährungssicherheit ist die richtige Tierhaltung laut Zollitsch vollkommen unverzichtbar. "Soll man einem Massai erklären, er soll auf seine Rinder verzichten und das Gras selbst essen? Das ist unsinnig." (Julia Beirer, 2.9.2022)