Tschechiens Premier Petr Fiala kann weiterregieren.

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Ein Misstrauensantrag gegen die Mitte-rechts-Regierung in Tschechien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist am Freitag gescheitert. Nach mehr als 22-stündiger Debatte sprachen sich am Vormittag 100 der 184 anwesenden Abgeordneten für einen Verbleib des Kabinetts von Premier Petr Fiala aus. 84 stimmten gegen die Regierung, 16 waren abwesend.

Dem Misstrauensantrag wurden von Anfang an keine großen Chancen eingeräumt. Fialas Fünf-Parteien-Koalition aus konservativen Bürgerdemokraten (ODS), der liberalkonservativen Partei Top 09, den Christdemokraten (KDU-ČSL), der liberalen Bürgermeisterpartei Stan sowie den Piraten kann im Abgeordnetenhaus auf 108 der 200 Mandate zählen.

Eingebracht wurde der Antrag von beiden Oppositionsparteien: Die liberal-populistische Partei Ano von Ex-Premier Andrej Babiš und die Rechts-außen-Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) werfen der Regierung vor, keine ausreichenden Maßnahmen zur Abfederung der Energiekrise und der grassierenden Inflation zu ergreifen. Zudem kritisieren sie Verbindungen des – mittlerweile aus dem Amt geschiedenen – Chefs des Auslandsgeheimdiensts zu einem Lobbyisten, der im Zentrum eines Korruptionsskandals rund um die Prager Verkehrsbetriebe steht. In diesem Zusammenhang forderten sie insbesondere den Rücktritt von Innenminister Vít Rakušan (Stan).

Auch Babiš unter Druck

Von Regierungsseite wiederum hagelte es vor allem Kritik an Ex-Premier Babiš. Ihm wird vorgeworfen, in erster Linie von eigenen Skandalen ablenken zu wollen. Der milliardenschwere Unternehmer wird beschuldigt, für sein Freizeitresort Storchennest (Čapí hnízdo) missbräuchlich EU-Subventionen bezogen zu haben, das Gerichtsverfahren gegen ihn soll noch im September eröffnet werden. Babiš liebäugelt mit einer Kandidatur bei der Anfang nächsten Jahres anstehenden Präsidentschaftswahl, in drei Wochen stehen zudem Kommunalwahlen auf dem Programm.

Der Misstrauensantrag hatte Erinnerungen an das Jahr 2009 geweckt, als just während der ersten EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens die konservative Regierung von Premier Mirek Topolánek über ein Misstrauensvotum gestürzt war. Damals übernahm ein Beamtenkabinett unter Jan Fischer, dem vormaligen Chef des tschechischen Statistikamts, die Regierung und führte den EU-Vorsitz zu Ende.

Trotz des weitgehend reibungslosen Ablaufs wird der Machtwechsel während der Ratspräsidentschaft in Tschechien von vielen bis heute als internationale Blamage empfunden. (Gerald Schubert, 2.9.2022)