Die Uhr auf dem berühmten blauen Turm hat noch nicht einmal zehn geschlagen, da herrscht in dem kleinen Ort, der auf dem Papier eigentlich eine Stadt ist, bereits reger Betrieb: Radfahrer schieben sich durch die Gassen, Wanderer schultern ihre Rucksäcke, man begegnet einem Pärchen aus Israel und einem Trio aus New York City, das sich mit Türmen und Städtchen freilich auskennt – die größte Besuchergruppe aber sind Deutsche.

Lokale Ausflugsschiffe wie dieses stören in Dürnstein niemanden. Bei den internationalen Kabinenschiffen sieht es anders aus.
Foto: DDSG / Christian Wöckinger

An diesem ganz normalen Donnerstagvormittag im Spätsommer ist in Dürnstein in der Wachau von Krise jedenfalls keine Spur. Auf den ersten Blick aber nur. Denn egal, wen man anspricht, die Corona-Pandemie hat hier niemanden kaltgelassen. Es sei anders, sagen viele. Der Tourismus sei zwar zurückgekehrt, vom Massentourismus, der sich in einem kurzen überfallsartigen Durchgeschiebe großer Reisegruppen äußert, die mit Bussen oder Schiffen kommen, Fotos machen und schnell wieder weg sind, sei aber nicht mehr viel zu sehen.

Angenehm finden das mitunter die Einheimischen. Nur noch rund 80 von ihnen leben direkt in der Altstadt, der Rest ist längst an den Rand gerückt oder weggezogen. Zwei Frauen, die erst vor wenigen Jahren zugezogen sind, bestätigen dem STANDARD unabhängig voneinander, dass der Massentourismus sie vor der Pandemie manchmal sogar bis in die eigenen vier Wände verfolgt habe: Touristen verirrten sich in Privatgärten oder platzten in Familienfeiern, weil sie diese mit einem Heurigen verwechselten – Geschichten, die zwar schmunzeln machen. Die Leidtragenden aber sind froh, dass derlei der Vergangenheit angehört. Vorerst zumindest.

Australien lässt aus

Es gibt in der Wachauer Tourismushochburg, die diesbezüglich am ehesten mit Hallstatt im Salzkammergut verglichen werden kann, aber auch jene, die der Masse nachtrauern, weil ihre Existenz daran hängt: jene, die mit Souvenirs und kunsthandwerklichen Erzeugnissen handeln. Weil der Schiffstourismus noch immer große Einbußen habe, sei es für viele von ihnen existenzgefährdend, sagen sie.

Vor allem die Kundschaft aus Australien, die früher zu den stärksten gehörte, bleibe nun aus, auch jene aus Asien, aus China und Japan sei noch nicht zurückgekehrt. "Sogar die Amerikaner geben nicht mehr so viel aus", sagt eine Händlerin, die es unfair findet, dass ihresgleichen von Einheimischen schon einmal als "Wegelagerer" beschimpft wurden. "Viele haben es uns vergönnt, dass es uns schlechtging", sagt sie.

VIDEOREPORTAGE: Der Tourismus ist nach Dürnstein zurückgekehrt – mit harschen Einbußen. Einheimische aber sind froh, dass statt Massengruppen nun vermehrt Individualbesucher kommen
DER STANDARD

Zufällig läuft dem STANDARD ein Altbürgermeister über den Weg: Johann Schmidl, 2018 aus dem Amt geschieden, wohnt selbst noch im Epizentrum der Stadt. Die Pandemie habe zunächst den Individualtourismus sehr befördert, also lokalere Gäste, die länger bleiben. Mittlerweile, meint er, sei aber alles wieder "wie gehabt". Vor allem die großen Kabinen-Kreuzfahrtschiffe, die meist im deutschen Passau ablegen und die ganze Donau abfahren, sehen er und viele andere nicht gerne – auch weil die Stadt selbst an den Anlegestellen nichts verdient.

Als vor 30 Jahren die Donauschifffahrt privatisiert wurde, habe man zu wenig Weitblick bewiesen – die Wachaudörfer verabsäumten es, sich an den Anlegestellen zu beteiligen. So bleibt als einzige kommunale Einnahmequelle heute die Parkraumbewirtschaftung. Die immer wieder geäußerte Überlegung, Eintritt zu verlangen? "Schwierig", sagt Schmidl. Man würde die Stadt zum Museum erklären, "will man das?"

Christian Thiery, Tourismusstadtrat und Betreiber des Fünf-Sterne-Schlosshotels in Dürnstein, hält von Eintritt wenig, wenn, dann würde er ein Modell wie bei den US-Nationalparks bevorzugen: eine Art Maut für die ganze Region Wachau, die bei der Einfahrt zu entrichten wäre. "In den USA ist das allgemein akzeptiert und völlig normal."

Grundsätzlich freue man sich "über alle Touristen, denn das ist der Beweis dafür, dass es hier schön ist, aber natürlich ist uns lieber, wenn hier auch konsumiert und genächtigt wird." In den Kreuzfahrtschiffen sieht Thiery kein großes Problem, was ihn aber stört, ist, "dass sie als schwimmende Hotels in Österreich noch immer steuerbefreit sind".

Und wie kann der Ortskern wieder mit Einheimischen belebt werden? "Das Problem ist das Fördersystem", ist Thiery überzeugt. Es gebe in Österreich so gut wie keine Förderung für Altbausanierung. Anstatt hier anzusetzen, werde immer mehr neuer Boden versiegelt. (Stefan Weiss, 7.9.2022)