2147 Verhandlungen führte Barbara Salesch zwischen 1999 und 2012 als TV-Richterin.

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Krawalliges Unterschichtenfernsehen. So lautete die Kritik an jener Gerichtssendung, die zwischen 1999 und 2012 bei Sat1 lief und bei der Laiendarsteller an "Prozessen" mit absurden Verläufen oft unflätig pöbelten.

Doch die Zuseherschaft mochte die Urteile der Strafrichterin Barbara Salesch. Nach zehn Jahren zieht die 72-Jährige ihre Robe nun wieder an. Ab 5. September verurteilt sie bei RTL von Montag bis Freitag um elf Uhr Straftäter und Straftäterinnen.

STANDARD: Richterinnen und Richter gehen in Deutschland eigentlich mit 67 Jahren in Pension. Warum kehren Sie mit 72 Jahren ins Fernsehgericht zurück?

Salesch: Ganz einfach: Weil es das Pensionsalter im Fernsehen nicht gibt. Die haben mich von RTL einfach angerufen im Januar, und dann haben wir beraten. Nach drei Monaten habe ich gesagt: Okay, ich probiere es noch mal.

STANDARD: Eigentlich wollten Sie 2012, als die Sendung noch bei Sat1 lief, endgültig aufhören.

"An Beweismittel im Internet kommt man wunderbar ran. Das ahnen viele Menschen ja gar nicht."

Salesch: Ja, das war so, es war Zeit aufzuhören. Nach zwölfeinhalb Jahren war ich einfach total ausgelutscht. Dann habe ich was anderes gemacht, mich meiner Malerei gewidmet. Aber nun bin ich wieder erholt und gespannt auf etwas Neues.

STANDARD: Es wird also keine bloße Wiederauflage?

Salesch: Nein. In den vergangenen zehn Jahren hat sich so viel geändert. Das Internet spielt eine viel größere Rolle, was bedeutet, dass wir viel mehr Beweismittel haben, die irgendwo mal als Video aufgenommen wurden. An das kommt man wunderbar ran, das ahnen viele Menschen ja gar nicht.

STANDARD: Werden bei Ihnen auch Straftaten im Internet eine größere Rolle spielen?

Salesch: Absolut. Denken Sie an Stalking oder die ganzen Hassbotschaften im Netz. Ich bin damit nicht persönlich konfrontiert, weil ich nicht mal eine eigene Website habe und nicht aktiv bin. Aber es gibt viele Menschen, die das Internet beruflich nützen. Die müssen mehr geschützt werden. Das große Problem ist die Anonymität. Wenn die zu Straftaten führt, muss man sie brechen. Das passiert noch zu wenig.

STANDARD: Viele Menschen fühlen sich unter dem Deckmantel der oft vermeintlichen Anonymität sicher. Werden Sie denen in bewährter Manier die Leviten lesen?

Salesch: Auf jeden Fall. Darauf freue ich mich. Mit dem Begriff "Bildungsauftrag" bin ich ein bisschen vorsichtig, aber ich sage immer: Durch meine Sendung wird man nicht dümmer. Man kann immer was dazulernen, was im Alltag nützlich ist. Bei mir geht es um veritable Straftaten. Und vielleicht denken sich einige: Oh, ja, da lass ich jetzt aber lieber die Finger von ...

STANDARD: Sie haben im TV früher nicht nur Recht gesprochen, sondern auch immer gleich eine Lebensweisheit mitgegeben. Bleibt es dabei?

Salesch: Hundertprozentig wird das wieder so sein. Das war ja der Erfolg meiner Sendungen. Ich war zwar als Richterin sehr vorsichtig während der Verhandlung, hatte am Schluss aber eine klare Meinung und äußerte diese auch. Das mochten die Leute.

"Ich bin ein bisschen vorsichtig mit dem Begriff ‚Bildungsauftrag‘. Aber bei mir kann man immer dazulernen."

STANDARD: Deutscher Gerichtsalltag sieht oft anders und sehr ruhig aus. Ihrer Sendung wurde vorgeworfen, krawallig zu sein.

Salesch: Meine Aufgabe ist, eine interessante Sendung zu bieten. Aber sie ist nicht krawallig. In einer meiner letzten Verhandlungen im echten Gericht in Hamburg hat der Täter eine Waffe gezogen und wollte sich dann mit einer Fensterscheibe den Hals aufschneiden. So etwas ist auch Realität. Natürlich hat man da ruhige Fälle auch. Aber das zeigt man nicht im Fernsehen. Wir wollen doch das Besondere sehen. Ein früherer Präsident des Bundesgerichtshofs hat mal gesagt: Man kann auch mit Unterhaltung den Menschen Justiz näherbringen.

STANDARD: Werden Sie alle Facetten des Strafrechts beleuchten?

Salesch: Ja, sonst langweile ich mich selbst. Man kann ja nicht fünf Tage hintereinander Wohnungseinbrüche verhandeln. Es gibt so viele interessante Gebiete: vom Hausfriedensbruch bis zum Mord aus Habgier. Aber ich mache natürlich kein Jugendstrafrecht und auch keinen sexuellen Missbrauch von Kindern.

STANDARD: Ihren alten Richtertisch haben Sie nach der letzten Sendung 2012 zersägt.

Salesch: Ich habe einen neuen bekommen. Das Gericht jetzt wird heller und luftiger sein. Wir haben auch ein wunderbares Richterzimmer, wo man mir über die Schulter guckt, wie ich auch mit den Anwälten spreche. Da hängen meine eigenen Bilder drin. Und mein Hund spielt auch mit. Es wird wunderbar. (Birgit Baumann, 3.9.2022)