Wenn die 30-Stunden-Woche wirklich die Zukunft sein soll, dann ist es zumindest unter den meinungsstarken Unternehmern des Landes noch nicht angekommen. "Leistung heißt Arbeit pro Zeit", ließ sich KTM-Chef Stefan Pierer unlängst zitieren. Und auch "Investment Punk". Gerald Hörhan sagte in einem Interview eher abschätzig, wer 30 Stunden arbeite, der dürfe eben nur einen Dacia fahren. Das Problem ist: Dieses Argument funktioniert nur, wenn der Dacia eine Drohung ist. Und für viele junge Menschen ist das nicht mehr so.

Die Diskussion um die Arbeitsmoral der "Generation Z", also der ab 1997 Geborenen, ist in vollem Gange. HR-Abteilungen sehen sich zunehmend mit Berufseinsteigern konfrontiert, die lieber weitersuchen, als sich auf das alte Modell einer Fünf-Tage-Woche mit 40 Stunden einzulassen – und die sich auch nicht mit mehr Geld ködern lassen. In der Debatte geht es um Generationskonflikte, Lebensentwürfe und den Vorwurf der Faulheit. Es geht um die Gegenwart und die Frage, wie sehr ich verpflichtet bin, an morgen zu denken. Und damit geht es natürlich auch um Pensionen.

Teilzeit = Altersarmut? Was aktuell in vielen Fällen gilt, muss nicht so bleiben.
Foto: iStock; Illustration: Lukas Friesenbichler

"Der Wunsch nach Teilzeit unter jungen Menschen ist ein Thema, bei dem viele Fragen von Arbeit, Wohlfahrt und Pensionssystems zusammenkommen", sagt Pensionsexperte Bernd Marin. Wenn die Gesellschaft das Arbeitsvolumen verringere, mache sie das materiell ärmer, aber "zeitwohlhabender". Die Pensionen müssten, wolle man ihre Kaufkraft erhalten, noch stärker aus dem Budget gestützt werden als bisher – und als das die nötigen Zukunftsinvestitionen erlaubten. Und nicht zuletzt berührt das Thema auch Verteilungsfragen: "Der Pensionsanspruch ist für die meisten Menschen der weitaus größte Vermögenswert im Leben – und sollte daher zwischen Ehepartnern beziehungsweise Eltern fair geteilt werden."

Österreich hat mit 27,2 Prozent eine Teilzeitquote, die weit über dem EU-Schnitt von 18,2 Prozent liegt. Und trotzdem würden gern noch mehr Menschen in die Teilzeit. In Umfragen sagt regelmäßig knapp die Hälfte der Vollzeitarbeitnehmer, dass sie gerne Stunden reduzieren würde. Dass jungen Menschen "weniger hackeln" wollen, bildet sich in den Studien so pauschal nicht ab. Aber der Wunsch nach Flexibilität, nach einer besseren Work-Life-Balance und die Ablehnung des klassischen Acht-Stunden-Tages schon. Die meisten Experten erklären das mit einem allgemeinen Wertewandel. "Das große Ziel, auf die Rente hinzuarbeiten, hat an Attraktivität verloren", beschrieb Psychologin und "Sinnforscherin" Tatjana Schnell von der Uni Innsbruck das Phänomen in einem Gastbeitrag. "Das Leben aufzuschieben gilt unter jungen Menschen nicht mehr als vernünftige Entscheidung." Vor allem, wenn die Zukunft unsicher, komplex und unbeständig erscheine.

Die geteilte Zeit

Das österreichische Pensionssystem ist "beitragsgedeckt mit einer sozialen Komponente", wie Fachleute sagen. Das heißt: Die Erwerbstätigen von gestern werden mit den Beitragen der Erwerbstätigen von heute bezahlt. Weil aber heute nur noch 1,3 Erwerbstätige auf einen Pensionisten kommen (statt zwei wie im Jahr 1970), füllt der Staat die "Pensionslücke" aus dem Budget. 2021 betrugen die Zuschüsse zur gesetzlichen Pensionsversicherung 12,7 Milliarden sein, 2030 werden es fast 20 Milliarden sein, wie der Rechnungshof prognostiziert. Zusätzlich kommen noch die Ausgaben für Beamtenpensionen – sehr viel Geld, das für Zukunftsinvestitionen fehlt. Weshalb auch immer wieder Reformen gefordert werden. Allerdings gibt es auch Zahlen, die der Vorstellung "Junge Leute kriegen doch später eh keine Pension mehr" entgegenstehen: Die ASVG-Pensionen, der weit größte Teil, sind noch immer zu 86 Prozent beitragsgedeckt. Und die Zuschüsse des Bundes sollen laut der langfristigen Budgetprognose ab 2035 – gemessen am BIP – zumindest nicht mehr steigen.

Es gibt die These, dass es den Menschen vielfach nicht darum geht, Arbeitszeit zu verkürzen – sondern die bezahlte und unbezahlte Arbeit in Paarbeziehungen gerechter aufzuteilen. Also: Beide Partner arbeiten 30 Stunden, kümmern sich um die Kinder und räumen die Spülmaschinen aus. Anstatt dem aktuell häufig vorherrschenden Modell, bei dem die Frau 20 Stunden arbeitet und die "Care-Arbeit", also alles von Hausarbeit bis Kinderbetreuung, unbezahlt nebenher macht. Denn die Teilzeit ist nicht gleich verteilt: 49,6 Prozent der Frauen waren 2021 im Jahresdurchschnitt über alle Wochen nur Teilzeit beschäftigt, bei den Männern waren es 11,6 Prozent. "Das schlägt sich in einem sehr großen Gender-Pensions-Gap nieder", sagt Christine Mayrhuber, Ökonomin am Wifo. Frauen erhielten in Österreich durchschnittlich knapp 40 Prozent weniger Pension als Männer. "Dementsprechend ist auch die Altersarmut bei den Frauen viel höher."

Die Pensionsrechnung

Doch der alleinige Blick auf weibliche Arbeitskräfte taugt als Vorausge in eine mögliche Zukunft, in der Teilzeit die Norm sein könnte, nur bedingt. Zum einen ist der Gender-Gap zu einem großen Teil ein "Maternity Gap": Frauen verlieren durch Schwangerschaft, Karenz und den danach oft gehemmten Wiedereinstieg enorm viel Lebenseinkommen. Das Pensionssplitting – dabei werden für die Zeit der Kindererziehung die Gesamtansprüche auf beide Partner verteilt, egal, wer arbeitet oder zu Hause ist – ist in Österreich bislang freiwillig und wird kaum in Anspruch genommen. "Die Sozialversicherungen werben auch nicht dafür", sagt Mayrhuber. "Es käme sie auch teuer: Frauen leben länger und beziehen damit auch länger Pension." Darüber hinaus haben Frauen oft nur 20-Stunden-Stellen, auch aufgrund von fehlenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Das ist ein Problem, weil Teilzeit nicht gleich Teilzeit ist: Bei 30 Stunden Wochenarbeitszeit fällt die Pension nur noch um 20 Prozent geringer aus. Davon kann man leben, meistens zumindest.

Der wichtigste Grund, warum ein schleichender Wechsel zu einer Teilzeit-Arbeitsgesellschaft doch nicht den Zusammenbruch des Pensionssystems bedeuten muss, ist aber ein anderes, sehr bekanntes Phänomen: Erwerbstätige Frauen arbeiten statistisch zu deutlich geringeren Stundenlöhnen.

"Das österreichische Pensionssystem ist erwerbszentriert", sagt Marin. Sprich: Wie viele Wochenstunden jemand für wie viel Einkommen arbeitet, ist für die Pensionsansprüche entscheidend. "Apothekerinnen, überwiegend Frauen, arbeiten heute schon großteils vollzeitnahe Teilzeit. Sie verdienen gut genug, um trotzdem gute Pensionsansprüche zu erwerben, während den meisten Frauen in weniger attraktiver Teilzeitbeschäftigung Altersarmutsgefährdung droht."

"Wer durch seinen Stundenlohn auf Vollzeit gerechnet eine gute Pension hat, der wird auch mit 30 Stunden gut davon leben." – Ökonomin Christine Mayrhuber

Die Rechnung "Teilzeit = Altersarmut" ist richtig, aber eben in den oben beschriebenen Parametern. Wenn man so will, benachteiligt das System aktuell weniger die Teilzeitkräfte, sondern die Frauen. Aber diese Parameter können sich ändern. Und wenn die Gen Z – die sich auf einem Arbeitsmarkt wiederfindet, der zunehmend Arbeitnehmer bevorteilt – diese Änderungen einfordern, werden die Firmen kaum darum herumkommen, vom Gedanken "1 Job = 40 Stunden" wegzukommen und ihr Arbeitszeitmodelle zu flexibilisieren. Wenn dann irgendwann nicht mehr nur die schlecht bezahlte Mitarbeiterin im Einzelhandel in Teilzeit arbeitet, sondern vielleicht sogar die Führungskraft, dann stimmt die Rechnung mit der Altersarmut nicht mehr. "Jemand, der durch seinen Stundenlohn auf Vollzeit gerechnet eine gute Pension hat, der wird auch mit 30 Wochenstunden gut davon leben können", sagt Mayrhuber – noch mehr, wenn man davon ausgeht, dass dann vielleicht zwei Partner im Haushalt leben, die solch eine 30-Stunden-Pension bekommen.

Das alles erklärt auch die leicht paradoxe Situation, dass Organisationen wie die Arbeiterkammer Sturm gegen die Teilzeit laufen und vor Altersarmut warnen, während gleichzeitig eine Generation heranwächst, die genau das öfter anstrebt. Vielleicht ist nämlich nicht die Teilzeit an sich böse, sondern die Resultate, die sie aktuell produziert. Das muss aber nicht so bleiben. (Jonas Vogt, 4.9.2022)