Treffen im Wahlkampf: Der amtierende Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer am Würstelstand.

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"Du bist also Künstler?", ist als Frage im Tiktok-Video des Präsidenten eingeblendet. Alexander Van der Bellen nickt. "Bist du gut darin?", ist die nächste Frage: Der Präsident nickt wieder, selbstbewusst schmunzelnd. Darauf folgt ein Stakkato an Bildern: Van der Bellen beim Händeschütteln, beim Redenhalten, bei der Arbeit am Schreibtisch in der Hofburg. Normalerweise präsentieren Künstlerinnen und Künstler in diesem Format ihre Werke – Van der Bellen bemüht sich so um junge Stimmen.

"Man nimmt das Amt immer mit. Er ist auch als Kandidat immer noch Bundespräsident und wird die Würde des Amts auch auf Tiktok im Auge haben", sagt Alexander Van der Bellens Wahlkampfsprecher.
Foto: screenshot tiktok
Alexander Van der Bellen inszeniert sich für Instagram mit seinem Vorgänger Heinz Fischer am Würstelstand.

So macht Van der Bellens Team seinen Wahlkampf auf Tiktok: schnell geschnitten, ein bisschen schräg – und natürlich mit dem Kandidaten im Mittelpunkt. An der besonders bei jungen Menschen beliebten Kurzvideoplattform kommt im Jahr 2022 niemand vorbei, der eine breite Kampagne betreibt. Überhaupt sind die Zeiten vorbei, in denen man einen Wahlkampf nur mit Plakaten und Zeitungsinseraten bestreiten konnte.

Und: Es sind eigentlich auch die Zeiten vorbei, in denen man einen Social-Media-Wahlkampf nebenbei erledigt, hin und wieder ein Foto oder ein Video auf Facebook lädt und das gleiche Sujet für alle anderen Netzwerke weiterverwerten kann. Gerade für kleinere Kampagnen sprengt das aber oft den Rahmen: Die Arbeit auf den diversen Kanälen braucht Zeit und Ideen.

Lockerer Kandidat mit Grenzen

Wer nicht täglich durch die Millionen Videos auf Tiktok scrollt, für den mag Van der Bellens Präsentation seiner ersten Amtszeit etwas eigen anmuten. Aber: "Wir machen unsere Tiktoks in erster Linie für die Leute, die auf Tiktok sind", sagt Stephan Götz-Bruha, Van der Bellens Kampagnensprecher. Jede Social-Media-Plattform habe eben ihre eigene Ausdrucksform. "Die Inhalte auf Tiktok sollen die Sprache sprechen, die auf Tiktok gesprochen und verstanden wird." Dasselbe gelte für Youtube, Facebook, Instagram und Twitter, wo Van der Bellen als Kandidat ebenfalls aktiv ist.

Eben als Kandidat: Denn wie im gesamten Wahlkampf gibt es auch auf Social Media getrennte Plattformen für den amtierenden Bundespräsidenten – und den Kandidaten, der um Stimmen wirbt. Dem Kandidaten Van der Bellen gibt das auch die Chance, ein bisschen lockerer aufzutreten. Mit Grenzen: "Man nimmt das Amt immer mit. Er ist auch als Kandidat immer noch Bundespräsident und wird die Würde des Amts auch auf Tiktok im Auge haben", sagt Götz-Bruha.

"So volksnah wie ein Sechsertragerl"

Ginge es nach Tiktok, hätte Marco Pogo – bürgerlich Dominik Wlazny – die Wahl schon gewonnen: Mit einer Gefolgschaft von 47.100 Personen auf der Plattform zählt der Vorsitzende der Bierpartei etwa 5.000 Follower mehr als Van der Bellen.

Wlazny hat für seinen Wahlkampf keine Spenden gesammelt und verzichtet auf Werbeplakate. Dadurch ist er besonders auf seinen Online-Auftritt angewiesen. Und den weiß er zu bespielen: Die Videos auf Instagram und Tiktok sind kurz und pfiffig, meistens mit Untertiteln versehen, damit sie auch unterwegs angesehen werden können.

Dominik Wlazny alias Marco Pogo setzt vor allem auf Humor.
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"Viel Geld brauch ich nicht", zitiert ihn Puls 4 bei einer Fernsehdiskussion. Bei einem Posting auf Instagram schreibt Wlazny zu einem Screenshot noch dazu: "Manchmal an der Bar schon." Seinem Ruf entsprechend setzt er besonders auf Humor – oft in Zusammenhang mit Alkoholkonsum ("so volksnah wie ein Sechsertragerl"). Geplant davon "ist nicht viel", sagt er zum STANDARD. "Die meisten Ideen kommen spontan. Meiner Meinung nach lässt sich vieles auch nicht planen, da muss man am Puls der Zeit sein."

Dabei nehme es viel Zeit in Anspruch, die Inhalte überhaupt für die verschiedenen Kanäle vorzubereiten: "Hoch, Quer, Quadrat – es ist ziemlich aufwendig", spricht Wlazny die notwendigen Bildformate an. Die wohl reichweitenstärkste Plattform ist für ihn Instagram – wo es aber schwierig sei, politische Ideen zu verbreiten. "Die Leute wollen gute Fotos sehen", sagt Wlazny, viel Text lasse sich nicht verfassen. "Oftmals ist es ein ziemlicher Spagat, da auch den Inhalt zu transportieren." Dafür eigne sich etwa Twitter besser. Insgesamt seien soziale Medien zwar wichtig – "aber überbewerten würde ich sie nicht".

Rosenkranz mit dem größten Facebook-Budget

Der Tiktok-Auftritt des FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Walter Rosenkranz wirkt hingegen für digitale Verhältnisse etwas aus der Zeit gefallen: Dort finden sich überwiegend Zusammenschnitte von Wahlkampfveranstaltungen und Pressekonferenzen. Manchmal spricht Rosenkranz direkt in die Kamera. Das Motto: Selbstbeweihräucherung. Rosenkranz’ Konto zählt auf der Plattform rund 1300 Follower. Der Account wird offensichtlich nicht so aktiv moderiert wie andere Kanäle. Bei einer Durchschau zeigt sich: Viele negative Kommentare mit zahlreichen Likes wurden nicht entfernt.

Parteimedien wie FPÖ TV haben im Wahlkampf der Freiheitlichen ihren fixen Platz.
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Rosenkranz' Accounts zählen auf Facebook und Instagram jeweils rund 11.000 und 2.600 Follower. Der FPÖ-Kandidat hat also vergleichsweise wenig Social-Media-Reichweite – dafür aber das größte Budget. Laut dem Facebook-Transparenzbericht gab Rosenkranz in den letzten drei Monaten mit rund 60.000 Euro das meiste Geld für Facebook-Werbung aus. Aus Van der Bellens Wahlkampfbudget landeten hingegen rund 30.000 Euro, also die Hälfte, bei Facebook.

Die blaue Social-Media-Macht liegt in den Parteimedien, allen voran FPÖ TV, das auf Youtube rund 185.000 Abonnenten zählt. Youtube sei für die FPÖ, gemeinsam mit den Facebook-Seiten der Politiker, am wichtigsten, sagt ein Sprecher von Rosenkranz. Grundsätzlich würden Inhalte für alle Kanäle angepasst und gepostet.

Naturtalent oder Maschinerie

Die stärkste Social-Media-Marke der rechten Kandidaten hat hingegen Gerald Grosz: Durchgebrandet im "Make Austria Grosz"-Design präsentiert sich der ehemalige FPÖ- und BZÖ-Politiker so, wie man ihn kennt: aufgedreht und skurril. Videoausschnitte aus oe24.tv funktionieren auf der Plattform gut, ebenso die theaterhaft vorgetragenen Polemiken.

Aufgedreht und skurril gibt sich Gerald Grosz nicht nur auf Instagram.
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In den sozialen Medien sind also die Kandidaten erfolgreich, die viel Budget und Ressourcen dafür haben (Van der Bellen, Rosenkranz) – aber eben auch jene, denen diese Form der Werbung persönlich entspricht (Wlazny, Grosz). Das macht diese spezielle Art des Wahlkampfs zur großen Herausforderung für Kandidaten außerhalb des Partei-Establishments. Bis zum nächsten Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2028 dürfte sich dieses Phänomen noch verstärken – unklar ist jedoch, welche Plattformen dann bespielt werden müssen. (Muzayen Al-Youssef, Sebastian Fellner, 3.10.2022)