Amateurastronomie erwies sich als überraschend erfolgreich in der Entdeckung neuer kosmischer Objekte. Besonders Asteroiden und Kometen haben es den Laiinnen und Laien angetan.
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Don’t try this at home – versuchen Sie nicht, es zu Hause nachzumachen. So lautet der meist ironische Rat, den Profis Neulingen gern mit auf den Weg geben, um davor zu warnen, dass manches schwieriger ist, als es aussieht.

In den modernen Naturwissenschaften ist es so schwer wie nie zuvor, ohne Anstellung in einem Forschungsbetrieb und das dazugehörige Equipment etwas Relevantes beizutragen. Besonders gilt das für die Astronomie, wo die Forschung von Hightech-Teleskopen im Wert von Milliarden beherrscht wird, die in den abgelegensten Regionen der Welt auf Berggipfeln stehen, wenn sie nicht überhaupt ins All geschickt werden wie das James-Webb-Teleskop. Was kann angesichts dieser technischen Möglichkeiten jemand mit einem selbstgebauten Teleskop noch ausrichten? Überraschend viel, wie sich zeigt.

Am 30. August 2019 registrierte ein russischer Amateurforscher mit seinem selbstgebauten Teleskop ein Objekt, das er nicht zuordnen konnte. Er verglich den Lichtpunkt mit seinen Unterlagen und fand keine Erklärung. Dass er einen neuen Himmelskörper vermutete, war in seinem Fall nicht vermessen – zu diesem Zeitpunkt trugen bereits mehrere Kometen seinen Namen. Doch dieses Objekt hatte eine besonders eigenartige Bahn. Der Mann hielt Rücksprache mit dem Minor Planets Center der Internationalen Astronomischen Union, der zentralen Stelle für die Identifikation kleiner kosmischer Objekte, und bekam die Antwort, die er sich erhofft hatte: Es war ihm wieder gelungen, ein unbekanntes Objekt aufzuspüren. Der Name des Mannes ist Gennadi Borissow, und er ist eine Legende unter den Amateuren. Das Objekt sollte sein Leben für immer verändern.

Das Bild des einsamen Amateurs mit seinem Teleskop ist romantisch, aber es braucht nicht unbedingt ein eigenes Teleskop, um ein neues Himmelsobjekt zu entdecken. Ganz ohne Teleskop konnte eine Gruppe von 42 Amateurinnen und Amateuren vor fünf Jahren mehrere Exoplaneten entdecken. Die Plattform Zooniverse hat es sich zur Aufgabe gemacht, Interessierte in naturwissenschaftliche Arbeit einzubinden.

Zweifelsfälle einordnen

Wie viele andere Wissenschaftsgebiete bedient sich die Astronomie intensiv Computermethoden, um aus der Fülle an Daten die relevanten Beobachtungen herauszufiltern. Doch nicht immer ist das Computerergebnis eindeutig. Zooniverse hat Daten des Weltraumteleskops Kepler gesammelt, das bis 2018 nach Exoplaneten gesucht hat. Das Teleskop maß die Helligkeit von Sternen. Diese verändert sich minimal, wenn ein Planet, einer Sonnenfinsternis auf der Erde gleich, vor dem Stern vorbeizieht. Manchmal ist das Signal aber nicht eindeutig. Auf der Zooniverse-Website wurde jeder und jede eingeladen, solche Zweifelsfälle richtig einzuordnen. Über 27.000 Freiwillige folgten dem Aufruf und fanden unzählige Signale, die auf die Existenz von Exoplaneten hindeuteten. 2017 wurde die Entdeckung eines Systems mit vier Planeten bestätigt. Die Namen der stolzen Entdeckerinnen und Entdecker sind auf der Website zu lesen.

Eine weitere von Zooniverse ins Leben gerufene Initiative sucht nach Spuren von Asteroiden in alten Bildern des Hubble-Teleskops. 37.000 Bilder gab es zu untersuchen, die zwischen 2002 und 2021 aufgenommen wurden. Die Asteroiden hinterließen in den Bildern charakteristische, längliche Spuren. Computer taten sich mit den gekrümmten Linien schwer, weshalb sich die Forschenden an Zooniverse wandten. Eine erste, von den Freiwilligen vorgenommene Klassifizierung diente als Vorlage, um eine künstliche Intelligenz zu trainieren, die so lernte, Asteroiden zu identifizieren. Über 11.000 Personen nahmen teil, was zur Entdeckung von fast 1000 möglichen Asteroiden führte.

Amateurin hilft aus bei Webb

Astronomische Arbeit besteht aber nicht nur aus der Entdeckung und Klassifizierung neuer Objekte. Eine Amateurin hat sich erst kürzlich mit der Bearbeitung von Bildern des James-Webb-Teleskops einen Namen gemacht. An Webb ist auch die Europäische Weltraumorganisation Esa beteiligt, zu deren Etat das österreichische Klimaministerium beiträgt. Die Kalifornierin Judy Schmidt hat keinen astronomischen Hintergrund, ist aber eine Expertin für Bildbearbeitung. Sie gibt an, fasziniert von der Idee zu sein, Licht unsichtbarer Wellenlängen zu Bildern zu kombinieren, die so echt aussehen, als würden wir das Objekt mit eigenen Augen betrachten. Das erregte die Aufmerksamkeit eines Teams, das mit Webb forscht. Für Aufnahmen der Aurora des Jupiter kontaktierte man sie und bereitete gemeinsam mit ihr die Bilder auf.

Judy Schmidt unterstützte Forschende dabei, Webb-Bilder des Jupiter aufzubereiten. Sie will Bilder, die für Menschen eigentlich unsichtbar sind, möglichst echt aussehen lassen.
Foto: Nasa

Meist geht es für Amateurforschende in der Astronomie um das Durchforsten von Daten, bei dem sich die Schwarmintelligenz der Amateurgemeinde mit Computermethoden messen darf. Die Beobachtungen sind da längst passiert – mit Equipment von höchster Präzision und astronomischen Kosten.

Es gibt aber nach wie vor einzelne Amateurforschende wie Gennadi Borissow, die mit selbstgebauter Gerätschaft in den Himmel blicken. Sie betreiben Astronomie als Hobby und mit großer Leidenschaft. Es gibt kein Geld und nur wenig Aufmerksamkeit, vom jährlich vergebenen und mit 20.000 Euro dotierten Wilson-Award abgesehen, der an mehrere Personen geht und aufgeteilt wird.

Auch Förderungen gibt es: Die Planetary Society, eine gemeinnützige Organisation, betont die Wichtigkeit öffentlicher Beteiligung und will Interessierten den Zugang erleichtern. Man hat den Shoemaker Grant ins Leben gerufen, der Amateurforschung zur Entdeckung von potenziell gefährlichen Asteroiden finanziell unterstützt.

Dass Amateurforschende wie Borissow trotz leistungsfähiger Konkurrenz überhaupt auf eigene Faust Objekte entdecken können, liegt in der Menge an unbekannten Objekten im All. So registrierte das Minor Planets Center allein in diesem Jahr bereits über 1500 erdnahe Asteroiden. Wann und wo neue Asteroiden auftauchen werden, ist nicht bekannt, weshalb jedes in den Himmel gerichtete Teleskop eine reelle Chance hat, ein solches Objekt zu finden.

Zweifel an der Entdeckung

Borissow hatte bereits mehrere Kometen und Asteroiden entdeckt, doch über die Art seines letzten Objekts wurde heftig diskutiert. Es gab Zweifel an der Entdeckung, zu sonderbar war die Bahn. Dass die Bahn tatsächlich stimmte, wurde erst im September klar. Und das war eine Sensation.

Der von Borissow entdeckte Himmelskörper entpuppte sich als Komet, der bald einen typischen Schweif entwickelte. Eine Analyse der Bahn zeigte, dass er ungewöhnlich schnell war – zu schnell, um vom Schwerefeld der Sonne eingefangen zu werden. Diese hohe Geschwindigkeit muss das Objekt bereits mitgebracht haben, als es sich der Sonne näherte.

Borissows Entdeckung lässt sich ohne weiteres mit einem Lottogewinn vergleichen. Er hatte einen neuen Kometen gefunden, der nicht aus unserem Sonnensystem stammt, sondern aus dem interstellaren Raum zu uns gekommen ist. Es handelte sich erst um das zweite derartige Objekt, das überhaupt entdeckt werden konnte, nach dem sonderbaren Kometen Oumuamua, der mit einem Forschungsteleskop auf Hawaii gefunden wurde. Seine Bahn ist keine Ellipse, die ihn irgendwann wieder in die Nähe der Sonne bringen wird, sondern eine offene Hyperbelbahn, die ihn auf eine Reise ohne Wiederkehr schickt, zu neuen Sternen und Galaxien.

Der Komet 2I/Borisov, wie ihn das Hubble-Teleskop sah.
Foto: NASA, ESA, D. Jewitt (UCLA) via AP

Borissow erfüllte alle Anforderungen für einen Amateur: Er hat sein Teleskop mit 0,65 Metern Spiegeldurchmesser selbst gebaut, und sein Job war nicht die Beobachtung von Himmelsobjekten. Dennoch kann er als Grenzfall eines Amateurs gelten, denn er arbeitet in einer Abteilung des russischen Sternberg-Instituts für Astronomie auf der Krim, wo er für die Teleskoptechnik zuständig ist. Früher war er dort sehr wohl als Astronom in der Forschung tätig. Und wird auf der Website des Instituts auch als Forscher und nicht als Ingenieur geführt.

Die Entdeckungen von Asteroiden und Kometen durch Amateurforschende werden in Zukunft eher zurückgehen, sagte Borissow unlängst. Er spielt auf immer bessere professionelle Programme zur Entdeckung von erdnahen Objekten an. Einzelgänger wie er werden es künftig schwerer haben. Ihn wird es wenig kümmern: Sieben kosmische Objekte tragen seinen Namen, das sei es, was bleibe, zeigt sich der Amateur zufrieden. (Reinhard Kleindl, 4.9.2022)