Viel, fast schon zu viel, wurde diese Woche darüber geredet, gestritten und spekuliert, ob sich hinter Liquiditätsproblemen der Wien Energie mehr verbirgt als nur der Effekt eines kurzfristigen Preissprungs an den Strombörsen. Das Management des größten Energieversorgers in Österreich bestreitet vehement, irgendetwas falsch gemacht zu haben. Mit Nachdruck wird zurückgewiesen, dass die zutage getretene Schieflage, vom Staat über Nacht einen Milliardenkredit zu benötigen, Folge von Spekulation mit Termingeschäften – umgangssprachlich Zockerei – gewesen sei.

Wien Energie hat zu lange Strom und Fernwärme fast ausschließlich mit Gas erzeugt, anstatt in Nachhaltigkeit zu gehen.
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Das kann und mag man gerne glauben, wenn dieselben Manager und der Aufsichtsrat der Öffentlichkeit Dokumente vorgelegt hätten, die ihre Version der Geschichte auf Punkt und Beistrich bestätigen würden. Das haben sie zumindest bisher nicht getan, nur Erklärungen abgegeben.

Genaues wissen wir also nicht. Es ist daher zu begrüßen, wenn die Opposition im Wiener Gemeinderat, zugleich Landtag, die Einrichtung einer Untersuchungskommission beantragt. Die Grünen haben bereits erklärt, dass sie das unterstützen. Auch die Neos als kleiner, in der Causa offensichtlich schlecht informierter Koalitionspartner der SPÖ wären gut beraten, das mit vollen Kräften zu unterstützen.

Alarmierende Sachverhalte

Ja, sogar SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig könnte zur Verbesserung der politischen Kultur im Land im Allgemeinen und im Speziellen einen Beitrag leisten, wenn er die Aufklärung in der Sache nach Kräften unterstützt. Die Krise der Wien Energie muss transparent, nicht hinter verschlossenen Türen aufgearbeitet werden, wie das der Rechnungshof tun wird.

Denn ein paar kritisierenswerte und alarmierende Sachverhalte, die mit Stromgeschäften im engeren Sinn gar nichts zu tun haben, sind bereits jetzt zu verzeichnen. Es ist in höchstem Maße irritierend, dass der Bürgermeister einer Stadt, auch wenn sie groß ist, 1,4 Milliarden Euro Kredit vergeben kann – ohne groß zu prüfen, warum. Das muss dringend politisch repariert werden, die Stadtverfassung präzisiert.

Wenn Ludwig meint, die Affäre sei nur eine Folge schlechter Kommunikation der Konzernverantwortlichen, irrt er. Wien Energie wurde nicht von einem "Tsunami" überrascht. Kein anderer Versorger in Europa hat diesen gesehen. Der Konzern hat zu lange zu stark eine alte Strategie gefahren, indem er Strom und Fernwärme fast ausschließlich mit Gas erzeugt, anstatt in Nachhaltigkeit zu gehen. Dafür wurde er bestraft. (Thomas Mayer, 2.9.2022)