Das Copyright auf die Figur ist abgelaufen, das erweitert ihren Spielraum.

Erst im August musste ein heimischer Großhändler seinen "Winnie the Pooh Teller" aus dem Angebot zurückrufen lassen. Produkttests wiesen erhöhte Blei- und Formaldehydwerte nach. Das will man weder auf noch in den Tellern, schon gar nicht für den Nachwuchs.

Und nun kommt buchstäblich die nächste Horrormeldung: Der neue Film des britischen Regisseurs Rhys Frake-Waterfield richtet sich ebenfalls nicht wirklich an die traditionelle Zielgruppe des Bären. Frake-Waterfield hat den Horrorfilm Winnie the Pooh: Blood and Honey gedreht, dessen Trailer eine doch recht deutliche Abkehr von dem Image zeigt, das Pu den Bären bisher so populär gemacht hat. Er galt als kleiner, süßer Flauschekollege, nicht der Hellste und dick, wie es sich für seine Art geziemt. Jetzt meuchelt und blutbadet er durch einen Slasherfilm: Pu der Bär erstmals nicht jugendfrei, was ist da los?

Der ewig junge Pu ist im Vorjahr 95 Jahre alt geworden und hat damit jene Zeitgrenze überschritten, an der in den USA das Copyright ausläuft. Jetzt ist Pu gewissermaßen Freiwild – zumindest für Ideen. Blood and Honey ist ein erster Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte. Und das beunruhigt Walt Disneys Vermarkter.

95 Jahre Copyright

Der Unterhaltungskonzern besaß seit 1961 die Rechte auf die von dem britischen Autor Alan Alexander Milne (1882–1956) erdachte Figur, die seit Jahrzehnten zur Ausstattung von Millionen Kinderzimmern auf dem Planeten Erde gehört.

Die Verwertung der von einer Zoobärin inspirierten Figur via Bücher, Filme und Merchandise aller Art hat dem Konzern Milliarden eingebracht. Disney hatte deshalb schon in den 1990er dafür lobbyiert und erreicht, dass die Copyright-Dauer von 75 auf 95 Jahre verlängert wurde.

Next Stop: Mickey Mouse

Der Grund ist ein anderes Tierchen: Mickey Mouse, das Kronjuwel des Unterhalters. Das Copyright auf die Maus läuft in zwei Jahren aus, und das ist nicht im Sinne Disneys. Pu der Bär galt dem Konzern deshalb als Testlauf. Welche Erkenntnisse der ihm bisher gebracht hat, ist unklar.

Für Pu bedeutet das, dass er mit seiner naiv entwaffnenden Weltsicht in neue Gefilde vorrücken wird – ob er will oder nicht. Das Auslaufen des Copyrights ermöglicht einen kreativen Umgang mit dem Sujet, und da ist einiges möglich. Wer mit seinen Kleinen zu Pu ins Kino will, muss künftig genauer schauen, ob der Film tatsächlich passt. Nicht dass es auf der Leinwand Blut und im Saal Tränen regnet. (Karl Fluch, 2.9.2022)