Serena Williams war völlig abgekämpft, als sie kurz vor 23 Uhr im Bauch des New Yorker Arthur-Ashe-Stadions Platz nahm. Die Tränen hatte sich die Ikone aus dem Gesicht gewischt, doch der hochemotionale Moment des Abschieds bei den US Open, der um die Welt ging, wirkte nach.

"Danke Papa, danke Mama. Oh, mein Gott", hatte die Tennis-Queen nach ihrem Drittrunden-Aus mit zitternder Stimme gesagt und schwer bewegt auch ihren Mann Alexis Ohanian und ihre Schwester Venus in eine emotionale Rede eingeschlossen: "Ich wäre nicht Serena, wenn es Venus nicht gäbe." Nach ihren Danksagungen betonte sie: "Das sind Freudentränen."

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Der Abschied der 40 Jahre alten 23-maligen Grand-Slam-Siegerin von der ganz großen Tennis-Bühne nach dem 5:7, 7:6 (7:4), 1:6 in rund drei Stunden gegen die Australierin Ajla Tomljanovic war der krönende Höhepunkt einer seit Tagen aufgeladenen Inszenierung.

Seitdem Williams, die Tennis-Queen, die auch abseits des Platzes so viel bewegt hat, Anfang August öffentlichkeitswirksam ihr anstehendes Karriereende angekündigt hatte, entwickelte sich ein Hype um die US-Amerikanerin, den die Veranstalter gekonnt pushten. Nun ist alles vorbei und die Karriere der Ausnahmesportlerin beendet – oder doch nicht?

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Williams lieferte noch einmal eine große Show und kämpfte um jeden Ball – doch es reichte nicht zu einem weiteren umjubelten Sieg. Ihr Match gegen die australischen Weltranglisten-46. Tomljanovic war bei ihrer 21. Teilnahme in New York die erst zweite Drittrundenniederlage. Die erste hatte sie bei ihrem Debüt 1998 gegen die Rumänin Irina Spirlea erlitten.

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Bei einem Erfolg wäre die US-Amerikanerin die älteste Frau seit Einführung des Profitennis 1968 geworden, die in die Runde der letzten 16 bei einem Grand Slam einzieht. Stattdessen könnte sie jetzt ihren endgültigen Abschied vollziehen. Aber so ganz sagen wollte sie es noch nicht.

Sie werde ihre Rücktrittsankündigung wohl nicht noch einmal überdenken, sagte Williams. Wohl. Und dann streute sie weitere leichte Zweifel an der Endgültigkeit ihrer Entscheidung. Gibt es da doch noch Spielraum? "Ich weiß es nicht", sagte sie: "Darüber denke ich nicht nach. Aber ich habe Australien immer geliebt."

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Williams lächelte bei dem Gedanken an das Land, in das die Szene jedes Jahr reist, um im Januar in Melbourne Grand-Slam-Sieger zu ermitteln. Doch ein Umdenken käme überraschend. Williams hatte bereits angekündigt, ein zweites Kind kriegen zu wollen und künftig vor allem ihren Aufgaben als Mutter und Geschäftsfrau nachzugehen. Und sie sagte nun, sie wolle "etwas vom Leben haben, solange ich noch laufen kann". Zuvor hatte die Starspielerin schon Freunden und Fans gedankt, die "jahrzehntelang auf meiner Seite waren".

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Dass Williams es immer noch kann, hatte sie eindrucksvoll bei ihren gefeierten Siegen gegen Danka Kovinic und die Weltranglistenzweite Anett Kontaveit bewiesen. Und auch gegen Tomljanovic ließ sie ihr großes Können mehr als einmal aufblitzen. "Ich glaube, dass ich dem Tennis wirklich etwas gegeben habe", sagte Williams und nannte ihre "verrückte Intensität" als ein Beispiel: "Ich denke, dass Leidenschaft ein wirklich passendes Wort ist."

Nun wolle sie erst einmal spüren, wie es ist, nach dem Aufstehen nicht direkt ins Gym gehen zu müssen. Stattdessen rückt Töchterchen Alexis Olympia nun noch viel mehr in den Mittelpunkt. (sid, red, 3.9.2022)

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