Die Website Kiwi Farms ist derzeit nicht erreichbar, jedoch könnte sie dank eines neuen Anbieters zurückkehren, wie das davor auch schon der Plattform 8chan gelungen ist.

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Das Internet-Infrastruktur-Unternehmen Cloudflare hat am Samstag verkündet, die schon lange durch Hasskommentare und das gezielten Anfeinden und Drohen gegenüber Transpersonen auffällige Website Kiwi Farms zu "blockieren". Vor wenigen Tagen hieß es vonseiten des Unternehmens in einer Stellungnahme noch, dass man keinerlei Absichten habe, die Hassseite zu sperren. Der öffentliche Druck aufgrund aktueller Online-Hetzjagden auf bestimmte Personen wurde letztlich allerdings zu groß für das US-Unternehmen, nachdem bereits mehrere Fälle von Suiziden, ausgelöst durch den Kiwi-Farms-Mob, dokumentiert wurden.

Menschen bedroht

"Eskalierende Drohungen und das potenzielle Risiko für menschliches Leben haben Cloudfare davon überzeugt, Kiwi Farms zu blockieren und es über unsere Infrastruktur nicht mehr zugänglich zu machen", lässt Cloudflare auf Twitter wissen. Hauptgrund für das Einlenken des Unternehmens war wohl eine gezielte Social-Media-Kampagne mit dem Hashtag #DropKiwifarms, die sich direkt an Cloudflare richtete.

Darin wurde unter anderem der Fall der kanadischen Twitch-Streamerin und Transfrau Clara Sorrenti beschrieben: wie sie vor wenigen Wochen den Lauf einer Waffe vor dem Gesicht vorfand, als die Polizei ihr Haus stürmte – sie wurde "geswattet". Kiwi-Farms-Nutzer hatten eine mögliche Massenschießerei an die Polizei gemeldet und diese mit Sorrenti in Verbindung gebracht. Sorrenti zog daraufhin in ein Hotel, wurde dort aber aufgrund eines Fotos ebenfalls bedroht, nachdem der Kiwi-Farms-Mob offenbar aufgrund der Bettbezüge das Hotel hatte ausmachen können. Egal wo die junge Frau in den nächsten Wochen hinzog, ständig wurden ihr anonyme Sprachnachrichten auf das Smartphone geschickt, dass man sie "immer finden" würde. Sogar ihre Flucht ins Ausland wurde auf der Website kommentiert und aufgrund von aktuellen Fotos auch dieser Ort ausgeforscht.

Cloudflare, das unter anderem Schutz gegen gezielte DDoS-Attacken anbietet, stand schon länger in der Kritik, die speziell für ihre Feindlichkeit gegenüber Transpersonen bekannte Website Kiwi Farms zu schützen. Am Mittwoch hieß es noch in einem Blogpost von Cloudflare, dass man Sperrungen von Websites in der Vergangenheit immer bereut habe. Beispiele dafür waren etwa 8chan oder Daily Stormer in den Jahren 2019 und 2017. Man sei von den Nutzern in diesen Zeiten mit autoritären Regimen verglichen worden, und das sei "zutiefst beunruhigend" für die Geschäftsführung gewesen, weshalb man diesen Schritt eigentlich nicht mehr gehen wollte.

Das Umlenken begründete Cloudflare-Geschäftsführer Matthew Prince persönlich auf Twitter: "Die Drohungen auf der Website eskalierten in den letzten 48 Stunden so weit, dass es trotz proaktiver Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden nötig war, unmittelbar zu handeln." In einem aktuellen Blogpost bekräftigt er noch einmal, dass man lieber auf einen Prozess gegen die Website gewartet hätte, aber die direkte Bedrohung von menschlichem Leben habe schnelles Handeln unausweichlich gemacht. Trotz dieses Vorgehens stehe man zu den Aussagen vom Mittwoch. Dies sei ein "schwieriger Fall", er sei deshalb nicht als Präzedenzfall zu sehen.

Wird immer schlimmer

Für immer verschwinden werde die 2009 gegründete Seite Kiwi Farms deshalb nicht, gibt Prince zu. Die Plattform werde mit Sicherheit einen anderen Anbieter finden und dadurch wieder online gehen können, genau wie ähnliche Websites davor. Der Cloudflare-Geschäftsführer geht so weit zu sagen, dass diese Aktion möglicherweise sogar kontraproduktiv war. Die betroffenen Personen auf Kiwi Farms würden sich wohl noch "isolierter und angegriffener" fühlen und Cloudflare möglicherweise durch sein Eingreifen die Notlage "noch verschärft" haben.

Keine Rechtfertigung, die Plattform bestehen zu lassen, sieht der NBC-News-Redakteur Ben Collins. Der Reporter sprach kürzlich mit dem 8chan-Gründer Fred Brennan, der seit Jahren versuche, seine ehemalige Plattform aus dem Netz zu verbannen. Kiwi Farms bezeichnet er als noch schlimmer als 8chan und bezieht sich dabei auf seinen ehemaligen Arbeitskollegen und Kiwi-Farms-Gründer Josh Moon: "Was er macht, ist schlimmer. Er zielt tatsächlich auf bestimmte Personen." Drei Menschen seien durch solche gezielten Troll-Aktionen bereits in den Suizid getrieben worden und deren Hinterbliebene durch den Kiwi-Farm-Mob sogar danach noch auf Social Media belästigt worden. Das sei unentschuldbar, so Brennan.

Anleitung zum Terror

Diese "Anleitung zum Terror", die der Kiwi-Farms-Mob laut Collins perfektioniert hat, werde bereits von rechten Websites rund um die Welt kopiert. In Boston wurde ein Kinderspital kürzlich Ziel einer Bombendrohung, und auch eine LGBTQ-Suizid-Hotline wurde bereits zum Ziel von Kiwi-Farms-Nutzern. Laut Collins sind Transmenschen die aktuellen Ziele, aber die Feindesliste erweitere sich laufend.

In einem Interview mit Collins erzählt Clara Sorrenti: "Das Ziel von Kiwi Farms ist eine Welt, wo LGBTQ-User keine Daseinsberechtigung auf Social Media haben – sie sollen stattdessen in Angst vor Drohungen und Belästigungen leben."

Im August wurde die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene geswattet. Im Polizeireport wird erwähnt, dass der Anrufer seine Verbindung zu der Website von Kiwi Farms sogar betonte. (aam, 4.9.2022)