Florian Tursky (ÖVP) ist seit Mai Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation im Finanzministerium.

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Die IFA in Berlin gilt als einer der weltweit größten Tummelplätze für Tech-Enthusiasten, von High-End-Fernsehern bis zu Robotern für den Haushalt werden hier die verschiedensten Produkte vorgestellt. In diesem futuristischen Umfeld erläutert Florian Tursky, Staatssekretär für Digitalisierung und Telekommunikation, dem STANDARD seine Pläne für eine digitale Schule.

STANDARD: Wir sitzen hier umgeben von Robotern, 8K-Monitoren und Kühlschränken, die ihren Inhalt dank künstlicher Intelligenz erkennen – also am Puls der Digitalisierung, Ihrem Ressort. Was muss sich jetzt in Österreich ändern?

Tursky: Prinzipiell ist die Bildung Schlüssel für die Digitalisierung. Wir müssen vom Kindergarten bis ins Altersheim die Menschen dort abholen, wo ihr Kenntnisstand ist. Und wir müssen sie digital abholen. 90 Prozent der Berufe erfordern heute digitale Grundkenntnisse, die ein Drittel der Österreicher aber nicht hat. Ob man an der Digitalisierung dran ist, wird aber in Zukunft über die Wettbewerbsfähigkeit jedes Standortes entscheiden. Früher haben wir von Globalisierungsverlierern und -gewinnern gesprochen, wir werden in Zukunft von Digitalisierungsgewinnern reden.

STANDARD: Was muss sich in der Bildung in Österreich ändern?

Tursky: Die Bildung ist ein absoluter Schlüssel dafür. Corona hat schon wahnsinnig viel bewegt, weil man gesehen hat, was digital alles möglich ist. Diese Chance müssen wir nützen, um etwas wie eine digitale Bildungsreform anzustoßen. Das beginnt bei der Infrastruktur. Natürlich muss der Overheadprojektor und ab einer gewissen Schulstufe auch die Kreidetafel verschwinden. Es steht nicht mehr in jeder Schule ein Overheadprojektor oder eine Kreidetafel, das ist mir bewusst, aber es soll diese Dinge in keiner Schule mehr geben.

STANDARD: Gibt es tatsächlich noch Overheadprojektoren im Jahr 2022?

Tursky: Ja, sie gibt es noch. Aber auch das muss man sagen: Es gibt sicher Lehrerinnen und Lehrer, die seit Jahrzehnten nicht mehr damit arbeiten. Es ist schon ein Symbol dafür, dass unsere Schulen digital ausgestattet sein müssen. Es muss die Kreidetafel ja nicht komplett verschwinden, die hat sicher in den unteren Schulstufen noch Sinn. Aber wir müssen mehr auf Smartboards setzen und insgesamt bei der Ausstattung besser werden.

Florian Tursky, Staatssekretär für Digitalisierung, möchte bei der digitalen Bildung ansetzen, um den Standort zu stärken.
Foto: Jakob Glaser

STANDARD: Was muss am schnellsten passieren?

Tursky: Die digitale Grundbildung ist der Schlüssel, sie kann ein Change-Moment sein, den wir nutzen müssen. Wir bekommen gerade viele junge Lehrer auf den Markt, die sehr motiviert sind, da bewegt sich schon sehr viel. Und natürlich glaube ich schon, dass wir auch in der Schule einen Mind-Change zusammenbringen, dass Bildung digital ist.

STANDARD: Kritik an digitaler Grundbildung gab es schon: Im Schulbuch fand man plötzlich Bilder von 20 Jahre alten Computern und einige schwere inhaltliche Fehler. Ist das nicht in die Hose gegangen?

Tursky: Das ist natürlich nicht ideal gelaufen. Da werden auch Adaptierungen vorgenommen, aber ich glaube auch, dass man eine so gute Initiative nicht an so einem Detail aufhängen darf. Digitale Grundbildung ist wirklich ein Meilenstein, das gehört ausgebaut und weiterentwickelt.

STANDARD: Es gibt auch sehr viele ältere Lehrer, die sich mit dem Tempo der Digitalisierung schwertun oder nicht mehr mitkommen. Wie holt man diese ab?

Tursky: Ein Veränderungsprozess löst immer Widerstände aus, das ist vollkommen klar. Es gibt auch sehr viele ältere Lehrpersonen, die hervorragend arbeiten, das muss man aber auch sagen. Wahrscheinlich wird es auch Junge geben, die sich dagegen sperren. Denen müssen wir helfen. Ihnen muss man auch Weiterbildung zur Verfügung stellen. Was ich allerdings nicht akzeptieren möchte, ist eine prinzipielle grundlegende Abwehrhaltung. Das sollte es eigentlich nicht geben, es geht doch um unsere Zukunft, um die Schülerinnen und Schüler. Digitalisierung gehört zukünftig auch zum Unterricht dazu.

Auch in der Lehrerausbildung gibt es mehr zu tun, auch älteren Lehrern Hilfestellung zu geben – etwa in einem Buddy-System. In einem solchen System helfen die Älteren meist den Jüngeren, bei der Digitalisierung ist es oft umgekehrt. Und wir müssen natürlich auch darauf achten, dass Systemadministratoren vor Ort sind, die müssen ordentlich gestärkt werden.

STANDARD: Sind unsere Schulen dahingehend ausreichend vorbereitet? Einen Overheadprojektor kann man einfach aus der Klasse entfernen, aber gibt es Netzinfrastruktur, Glasfaser und WLAN an den österreichischen Schulen?

Tursky: Das ist vollkommen unterschiedlich, bei der Infrastruktur wird einiges zu tun sein. Wir sind bei der Glasfaser dran, dass das überall bestmöglich funktioniert. Natürlich gibt es Schulen, die fantastisch darauf vorbereitet sind, und dann jene, in denen man noch investieren muss.

STANDARD: Das heißt, Glasfaser an jeder Schule, ohne auf Mobilnetze als Zwischenlösung auszuweichen?

Tursky: Ja, natürlich. Sie haben das im STANDARD vor ein paar Tagen ganz gut beschrieben. Das ist eines der Grundprobleme in Österreich, dass wir so ein gutes 5G-Netz haben. Da gibt es mittlerweile einen breiten Konsens, dass es beides geben muss. Wir brauchen zu 100 Prozent Glasfaser. (Peter Zellinger, 5.9.2022)