Blase leer, Darm entleert: Paul McCarthy und Lilith Stangenberg.

Foto: Ryan Chin and Alex Stevens

Neunzig Minuten, dann war der Penis ab und die Performance zu und am Ende. Was hätte denn auch noch kommen sollen? Die Blase war leer, der Darm ebenso, und die Gurke hatte als Sexspielzeug ausgedient.

NV/Night/Vater/Vienna nennen der amerikanische Künstler Paul McCarthy und die deutsche Schauspielerin Lilith Stangenberg das Projekt, mit der sich das Wiener Volkstheater in die neue Saison schweinigelt. Die Wiener Festwochen hatten seinerzeit die Finanzierung der Performance zurückgezogen, das Volkstheater unter Kay Voges sprang mit stattlichen 120.000 Euro ein. Mit Körperflüssigkeiten kennt man sich an diesem Theater ja aus.

Dabei geht die Vorlage, auf die sich McCarthy und Stangenberg berufen, damit recht sparsam um. Liliana Cavanis Kultfilm Der Nachtportier aus dem Jahre 1974 erzählt von der sadomasochistischen Verstrickung einer KZ-Insassin mit ihrem Peiniger. Zwölf Jahre nach Ende des Kriegs treffen diese in einem Wiener Hotel wieder aufeinander – und setzen die Liaison in der Wohnung des ehemaligen SS-Manns fort.

Auf der Bühne des Volkstheaters dominiert die körperliche Entäußerung.
Foto: Chin/Stevens

Das Begehren, die Moral und die Macht driften in dieser Beziehung derart auseinander, dass die italienische Staatsanwaltschaft den Film verbot. Erst nach einem Gerichtsprozess wurde er schließlich freigegeben – und Charlotte Rampling auch international zum Star.

So vielschichtig die Vorlage ist, so unterkomplex gehen McCarthy und Stangenberg ihre Beschäftigung damit an. Auf der Drehbühne des Volkstheaters ist die Wohnung des nunmehr als Nachtportier arbeitenden Peinigers nachgebaut, mehrere Kameras zoomen durch die teils kaum einsehbaren Räume, deren Bilder auf riesige Videoscreens übertragen werden. Das Ganze zielt offensichtlich auf die filmische Weiterverarbeitung ab, die Theaterzuschauer sind Staffage, die den auf vier Abende angelegten Exzess beiwohnen dürfen bzw. müssen.

Keine Sekunde interessiert sich das Duo dabei für das Spannungsfeld aus Macht und Libido, stattdessen dominiert die körperliche Entäußerung. Das führt in Großaufnahme zu einigen ekeligen Momenten, in vielen aber nur zu Langeweile und unfreiwilliger Komik. Aufgewärmter Aktionismus – in den USA wäre das kaum finanzierbar.

Also weicht der von der Megagalerie Hauser & Wirth vertretene McCarthy auf europäische Bühnen aus (in Hamburg lief der erste Teil). Man kann nur hoffen, dass diese an der Weiterverwertung dieser Ferkelei finanziell kräftig mitschneiden. (Stephan Hilpold, 5.9.2022)