"Versorgung gesichert, Wien Energie teilt Kartoffeln aus", kommentierte das Satireportal Die Tagespresse den Wiener Landesvater Michael Ludwig, der die notwendige Milliarden-Kreditbürgschaft für sein Energieunternehmen zunächst hartnäckig mit dem Mantra kommentierte, dass die Versorgung sichergestellt sei.

Das kann man lustig finden. Es steckt aber viel mehr in diesem angriffigen Scherz; er entblößt, vor welcher Herausforderung Politiker rundherum stehen. Sie müssten das tun, was für sie und ihre Parteien kurzfristig am gefährlichsten ist, nämlich Klartext reden und unangenehme Wahrheiten aussprechen, statt Beruhigungspillen auszuteilen. Scheinsicherheiten und Illusionen à la "Alles wird gleich wieder gut" zu verkaufen war noch nie so falsch – und ist letztlich selbstschädigend. "Die Menschen", wie wir von Politikerinnen und Politikern gerne gönnerhaft tituliert werden, spüren instinktiv, dass das nicht stimmt.

Wir sind in Klima-, Energie- und Gesellschaftsfragen weit weg von einem Happykurs, wir erleben alles andere als eine kleine krisenhafte Episode. Das Scheinversprechen von Sicherheiten wird nicht mehr geglaubt. Und das fühlt sich umso bedrohlicher an, je weniger ehrlich und klar Alternativen, erreichbare Meilensteine in die Zukunft, von der Politik kommuniziert werden.

Die Wohlstandswelt, wie wir sie kennen, wackelt und setzt sich nicht mehr selbst so zusammen, wie sie früher einmal war. Das ist die lebensbestimmende Unsicherheit vieler. Das wird nicht angesprochen, sondern mit jovialer "Wir sorgen ja eh für euch"-Geldsegenpolitik zugedeckt.

Der Politik wird seit geraumer Zeit erschreckend wenig zugetraut und kaum mehr vertraut; dagegen helfen Schnitzelgutschein und ein paar Hunderter Klimageld als Tauschware für die Stimme bei der nächsten Wahl nicht mehr. Denn diese "Goodies" senden das Gegenteil der Botschaft, die jetzt nötig wäre: "Ihr seid mündige Bürger, mit denen wir Wahrheiten über gut mögliche Zukunftsszenarien diskutieren, mit denen wir in eine Zukunft gehen, in der Ressourcen wie Wasser, Energie oder Natur so kostbar geworden sind, dass wir ganz anders damit umgehen müssen. Wir alle gemeinsam."

Denn was jetzt ist, war noch nie so, und ist ganz anders als in den vergangenen Dekaden mit durchschnittlichem Wachstum und durchschnittlicher Wirtschaftsschwäche. Disruptiv: So kann man das aufgrund der aktuellen Geschehnisse getrost nennen.

Scheinsicherheiten

Vollkaskoansprachen und "Alles gut"-Parolen sind jetzt aus zwei Gründen fahrlässig: Die Scheinsicherheiten können nicht eingelöst werden, und sie verhindern den dringend notwendigen Bewusstseinswandel, ohne den wir aus den Krisen keine Auswege finden werden. Wir brauchen jetzt Vorstellungen und Modelle für unsere Zukunft, die kein Zurück in die "schöne" Vergangenheit sein können. Wir können nicht mehr bei offenen Fenstern heizen, und wir können nicht mehr jede Grünfläche zu Parkplätzen betonieren. Aber was können wir – und wohin wollen wir?

Diese Debatte zu führen ist politische Führungsaufgabe – und so ziemlich das Unangenehmste, was Politiker tun müssen. Darin liegt aber auch die größte Chance: Bürgerinnen und Bürger in ihrer Mündigkeit und ihrer Verantwortung zu stärken, statt sie nur zu Gutscheinempfängern zu degradieren. (Karin Bauer, 5.9.2022)