Die Vizepräsidentin überlebte einen Anschlag auf ihr Leben.

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Der Vergleich mit der früheren First Lady Eva "Evita" Perón liegt nahe: Die ehemalige argentinische Präsidentin und nunmehrige Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner wird von ihren Anhängern ähnlich stark verehrt. Ebenso wie die Kultfigur Evita ist die frühere Staatschefin allein mit ihrem Vornamen identifizierbar – ihre Gefolgsleute nennen sich "Cristinistas". Und deshalb ist es wenig verwunderlich, dass Kirchners Fans nach dem versuchten Anschlag auf die Vizepräsidentin am Wochenende zu Tausenden durch die Hauptstadt Buenos Aires gezogen sind.

Vor ihrem Anwesen im eleganten Stadtteil Recoleta – wo auch Evita an ihrem Grab noch fast religiös verehrt wird – hielt ein Rechtsradikaler aus kürzester Entfernung Kirchner eine Waffe ins Gesicht und drückte ab. Eine Ladehemmung verhinderte Schlimmes.

Korruptionsverdacht

Die Stimmung in der Bevölkerung Argentiniens war bereits vor dem Anschlag aufgeheizt: Gegen die 69-jährige Kirchner wird (erneut) wegen Korruptionsverdachts ermittelt. Sie soll – mit weiteren Angeklagten – im Zusammenhang mit Bauaufträgen Schmiergelder angenommen haben, die Staatsanwaltschaft fordert zwölf Jahre Haft und eine lebenslange Sperre für öffentliche Ämter. Dabei hoffen ihre Anhänger, dass sich Kirchner doch noch einmal an die Spitze des Staates wählen lässt.

Gleichzeitig mit ihrem Uni-Schwarm und späteren Ehemann Néstor Kirchner arbeitete sie sich die politische Karriereleiter ab den 80er-Jahren hinauf: von der Abgeordneten im Regionalparlament über den Senat bis hin zur Stütze im Präsidentschaftswahlkampf ihres Mannes 2003. Als dieser nicht mehr für eine zweite Amtszeit kandidieren wollte, fuhr Cristina Kirchner den Sieg im ersten Wahlgang 2007 ein.

Als Staatschefin legte sie eine autoritäre Art an den Tag und führte gleichzeitig die als "Kirchnerismo" bekannt gewordene linkspopulistische Politik ihres Mannes fort. Sie förderte die Industrie und führte große Sozialprogramme ein. Der Tod Néstor Kirchners 2010 brachte ihr nach einem zwischenzeitlichen Absturz wieder hohe Beliebtheitswerte. Ein Jahr später wurde sie als erste Staatschefin Lateinamerikas im Amt bestätigt. Bereits 2009 wurden erste Korruptionsvorwürfe laut – mit der Präsidentschaft ihres Mannes soll sich das Vermögen der Kirchners um fast 600 Prozent vermehrt haben. Untersuchungen wurden trotz Kritik eingestellt.

Das aktuelle Verfahren dauert bereits drei Jahre, ein Urteil wird frühestens im Dezember erwartet. (Bianca Blei, 4.9.2022)