Wien – Die Energiekosten schießen fast ungebremst in die Höhe und befeuern die Inflation. Dementsprechend groß ist der Druck auf die Regierung, etwas zur Entlastung der Bevölkerung zu unternehmen. Am Sonntag wurden erste Details zur Strompreisbremse bekannt, auf die sich die türkis-grüne Regierung geeinigt hat. Am Mittwoch soll das Modell im Ministerrat verabschiedet werden. Ein Überblick über die bisher durchgesickerten Informationen.

Frage: Wie sieht die Strompreisbremse aus?

Antwort: Man bekommt sozusagen ein gefördertes Kontingent. Jeder Haushalt soll für jenen Anteil am Stromverbrauch, der 80 Prozent des Verbrauchs eines durchschnittlichen österreichischen Drei-Personen-Haushaushalts entspricht, weniger bezahlen. Die Grenze liegt bei 2.900 Kilowattstunden (kWh). Eine kWh soll zehn Cent kosten. Für alles darüber fällt der aktuelle Marktpreis an.

Frage: Wie berechnet sich dieser Durchschnittspreis?

Antwort: Das ließ die Regierung bis dato offen. Es dürfte sich um den von der Regulierungsbehörde E-Control ermittelten durchschnittlichen Jahresverbrauch aller Haushalte in Österreich handeln.

Frage: Wo finde ich meinen persönlichen Verbrauch?

Antwort: Auf der Jahresabrechnung des Energieversorgers. Dieser weicht mit Sicherheit vom Durchschnittsverbrauch aller Haushalte ab und ist deshalb nicht aussagekräftig. Er ist auch irrelevant, weil die Förderung von einem fiktiven Durchschnittswert für einen Drei-Personen-Haushalt ausgeht.

Frage: Wie viel erspart sich ein Haushalt dadurch?

Antwort: Die Maßnahme soll die Kosten für den Arbeitspreis, also den verbrauchten Strom, um rund 70 Prozent senken und eine jährliche Entlastung von etwa 500 Euro pro Haushalt bringen. Alles darüber hinaus ist zum Marktpreis zu zahlen. Das soll zum Energiesparen motivieren. Das Wifo, das ein Modell für ein solches Energiekontingent ausgearbeitet hat, empfahl allerdings, maximal 75 Prozent des durchschnittlichen Jahresverbrauchs aus drei Jahren heranzuziehen.

Frage: Ab wann gilt die Strompreisbremse?

Antwort: So genau weiß man das noch nicht. Wirksam wird sie über die Energieversorger, also ist davon auszugehen, dass der eingefrorene Preis pro Kilowattstunden bei der nächsten Jahresabrechnung zur Anwendung kommt. Der Nationalratsbeschluss ist im Oktober anvisiert, gelten soll die Bremse ab Dezember 2022 für ein Jahr.

Wie viele Menschen in einem Haushalt leben, spielt für die Strompreisbremse vorerst keine Rolle.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Frage: Gilt die Bremse auch für Zweitwohnsitze?

Antwort: Ja, sie soll dem Vernehmen nach auch für Nebenwohnsitze ausgeschüttet werden. Bestätigt ist diese Information nicht. Allerdings unterscheiden die Stromversorger bei den Anschlüssen nicht zwischen Haupt- und Nebenwohnsitz. Es ist also wieder ein Datenproblem.

Frage: Macht es einen Unterschied, wie viele Menschen in einem Haushalt leben?

Antwort: Nein. Es gibt vorerst weder eine soziale Staffelung, noch wird nach Haushaltsgröße bzw. dem individuellen Stromverbrauch unterschieden. Das wird damit begründet, dass die Bremse schnell greifen solle und es keine Möglichkeit gebe, die Daten aus dem Zentralen Melderegister mit den Zählpunkten des Stromanschlusses zu verknüpfen.

Frage: Wird das so bleiben bzw. gibt es zusätzliche Hilfen für einkommensschwächere Haushalte?

Antwort: Das ist noch nicht klar. Die Regierung behauptet jedenfalls, in einem zweiten Schritt sozial differenzieren zu wollen. Man prüfe Möglichkeiten, Mehrpersonenhaushalte stärker zu unterstützen. Auch steht im Raum, Personen, die von der Rundfunkgebühr (GIS) befreit sind, noch stärker zu entlasten. Aufgrund der Datenlage dürfte sich aber auch das schwierig gestalten. Ärmere Haushalte – etwa Mindestsicherungs- und Pflegegeldbezieher und Pensionisten, deren Rente mittels Ausgleichszulage aufgestockt wird – dürften nach dem derzeitigen Stand der Informationen einmalig 140 bis 150 Euro extra bekommen. Haushalte mit mehr als fünf Bewohnern sollen eigens eine zusätzliche Unterstützung beantragen können.

Frage: Was kostet die Maßnahme?

Antwort: Die Regierung rechnet aktuell mit Kosten von 2,5 Milliarden Euro.

Frage: Was sagen Expertinnen und Experten dazu?

Antwort: Eco-Austria-Chefin Monika Köppl-Turyna kritisiert, dass es keine soziale Staffelung gibt. Kleineren Haushalten könnte so der gesamte Stromverbrauch abgegolten werden, sagte sie in der "ZiB 2". Die Maßnahme sei daher nicht sozial treffsicher, rege auch nicht genügend zum Energiesparen an. IHS-Chef Klaus Neusser sieht in der Strompreisbremse wegen der komplizierten Datenlage eine einfache und rasche Hilfsmöglichkeit.

Frage: Werden regionale Unterstützungsmaßnahmen wie zum Beispiel der "NÖ-Strompreisrabatt" abgezogen oder gegengerechnet?

Antwort: Nein. Der niederösterreichische Strompreisrabatt kommt obendrauf. Dieser sieht eine Entlastung von elf Cent pro Kilowattstunde für 80 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsverbrauchs vor. Basis für die Berechnung ist die Anzahl der im Haushalt gemeldeten Personen. Die blau-gelbe Förderung wird auf der Stromrechnung ab Oktober gutgeschrieben und gilt bis 30. September 2023.

Frage: Wie reagiert die Opposition?

Antwort: Scharfe Kritik kommt von den Neos. ÖVP und Grüne hätten "wieder einmal zu lange abgewartet, um sich dann auf etwas zu einigen, das weder die richtigen Energiesparanreize schafft, noch in irgendeiner Art und Weise treffsicher ist. Stattdessen packt die Bundesregierung erneut die Gießkanne aus", sagt Neos-Energiesprecherin Karin Doppelbauer. Das Ergebnis sei "die denkbar schlechteste Variante, die sich ÖVP und Grüne hätten ausdenken können".

Aus Sicht der SPÖ kommt die Maßnahme "viel zu spät", und sie falle zu gering aus. "Die Regierung ist weder fähig noch willens, den Menschen und unserem Land in dieser Krise wirksam und nachhaltig zu helfen", schreibt Klubobmann Jörg Leichtfried. "Mit der geplanten Strompreisbremse bekämpft die Bundesregierung wieder einmal nur die Symptome, aber nicht die Ursachen der Krise", sagt FPÖ Landespartei- und Klubobmann im niederösterreichischen Landtag, Udo Landbauer.

Arbeiterkammer und ÖGB sprachen von einem guten Anfang, es brauche aber mehr.

Frage: Werden Unternehmen auch unterstützt?

Antwort: Fix sind auch Unterstützungsmaßnahmen für die energieintensive Industrie. Für Industriebetriebe soll es eine Strompreiskompensation geben, wodurch sie sich CO2-Kosten ersparen, die Energieversorger verrechnen. An den Details arbeite die Regierung noch, heißt es. Auch für Gewerbe und Handel soll es Hilfe geben. Wichtig ist, dass die Maßnahmen mit den EU-Beihilfevorgaben vereinbar sind.

Frage: Wirken sich die hohen Energiekosten bereits entscheidend auf Unternehmen aus?

Antwort: Der oberösterreichische Faserhersteller Lenzing wird die Produktion an seinem Standort in Heiligenkreuz im Südburgenland wohl zurückfahren müssen. Aufgrund der hohen Gaspreise sei es derzeit nicht möglich, dort profitabel zu produzieren. Beim AMS wurde bereits Kurzarbeit angemeldet.

Frage: Wie sieht es aktuell beim Gaspreis aus?

Antwort: Der erneute Stopp russischer Gaslieferungen über die wichtige Pipeline Nord Stream 1 löste eine erneute Rally beim Gaspreis aus. Der europäische Future stieg am Montag um gut 30 Prozent auf 272 Euro je Megawattstunde und steuerte wieder auf den Rekordpreis von voriger Woche zu. (Andreas Danzer, Luise Ungerboeck, 5.9.2022)