Es war kein üblicher Vortrag, den Douglas Rushkoff an einem geheimen Ort, mitten in einer Wüste in den USA, gehalten hatte. Angelockt von einer "morbiden Neugier und Geld", fand sich der Autor und, nach eigener Beschreibung, "marxistische Medientheoretiker" gemeinsam mit fünf superreichen Männern aus dem Tech-Business in einem Raum wieder. Nachzulesen ist das im Buch "Survival of the Richest", von dem ein Auszug im "Guardian" erschienen ist.

Wer macht das Rennen bei Quantencomputern? Bitcoin oder Ethereum? Das Publikum war nicht gekommen, um zuzuhören, sondern Fragen zu stellen. Und diese beschäftigten sich bald mit Grundsätzlichem. Könne man in Neuseeland oder Alaska besser mit den Folgen des Klimawandels leben? Wie lange sollte man in einem Survival-Bunker unabhängig von der Außenwelt überleben können? Wie sichert man sich die Loyalität der eigenen Sicherheitsleute?

Selbstversicherung

Er warb eifrig für gemeinschaftliche Anstrengungen und Kooperation, um die kollektiven Chancen für alle zu erhöhen. Wer von seinen Wachen auch in Zukunft Einsatz erwarte, solle sie schon heute wie Freunde behandeln. Man müsse auch in Menschen und Beziehungen investieren, nicht nur in Munition und Elektrozäune. "Sie rollten ihre Augen ob dieser Aussagen, die für sie geklungen haben mussten wie Hippie-Philosophie", berichtet Rushkoff.

Trotz ihres Reichtums seien diese Leute eigentlich nicht die Gewinner der Zukunft. Denn für sie bestehe ein "Sieg" mittlerweile darin, genug Geld verdienen zu können, um sich gegen den Schaden isolieren zu können, den sie mit ihren Geschäften verursachen. Gedanklich lebten sie bereits in einer Zeit, in der es für sie darum gehe, der selbstgemachten Apokalypse irgendwie zu entkommen.

Virtuelle Tour durch einen "Ultra"-Bunker von Rising S, der rund 560 Quadratmeter an Platz bieten soll.
Rising S Bunkers

Farmgemeinschaft

Nachdem Rushkoff einen ersten Text über sein Erlebnis in der Wüste veröffentlicht hatte, meldeten sich schnell verschiedene Anbieter, deren Zielgruppe Vermögende auf der Suche nach solchen "Auswegen" sind. Einer von ihnen ist J. C. Cole, dereinst Leiter der US-Handelskammer in Lettland. Er arbeitet an Rückzugsorten im Umland von New York. Im Ernstfall seien diese innerhalb von drei Stunden erreichbar. Es handelt sich um kleine Landwirtschaftsgemeinschaften, die sich mit ihrem Ertrag selbst versorgen können sollen – bewacht von ehemaligen Elitesoldaten.

Das Sicherheitskonzept hat er sich von Botschaften abgeschaut. Neben Wachpersonal soll es Zäune, Warnschilder, Hunde und Überwachungskameras geben, die durch Abschreckung einer gewalttätigen Auseinandersetzung vorbeugen sollen. Für eine Investition von drei Millionen Dollar bekommt Coles Klientel nicht nur Zugang zu einer solchen Hochsicherheitsanlage, sondern auch Anteile an einer Firma, American Heritage Farms, die mit kleineren Landwirtschaftsbetrieben auf lokaler Ebene Hungerkrisen verhindern soll, wenn größere Lieferketten zusammenbrechen. Die Gewährleistung einer solchen Versorgung soll letztlich auch der Sicherheit der Farmbewohnerinnen und -bewohner zugutekommen.

"Europa One", ein "Fünf-Sterne-Bunker" als "ultimative Überlebensversicherungen für Familien mit großem Vermögen".
Vivos Group

Überleben im Luxus

Andere Anbieter plagen sich allerdings nicht mit solchen Sorgen. Ihr Fokus liegt darauf, dass sich die Klientel gar nicht erst mit moralischen Dilemmata befassen muss. Sie bieten Untergrundanlagen zu verschiedenen Preisen und mit unterschiedlicher Ausstattung an. Ein breites Portfolio hat etwa das texanische Unternehmen Rising S Bunkers. Für 45.500 Dollar kann man sich hier einen mit dem Notwendigsten ausgestatteten "Überlebensraum" mit rund neun Quadratmeter Fläche bestellen. Wer ein etwas größeres Budget hat, bekommt für 8,3 Millionen Dollar einen Luxusbunker inklusive Pool und Bowlingbahn.

Die Firma Vivos hat sich auf den Umbau ehemaliger Munitionslagerstätten aus dem Kalten Krieg spezialisiert. Organisiert sind diese wie Hotelanlagen. Die Kundschaft wohnt in eigenen Suiten. Man teilt sich aber Essensräume, Fitnessstudio, Kino, Pool und sonstige Annehmlichkeiten mit den anderen Bewohnern.

Visualisierung einer "Lounge" in einem Bunker von Oppidum.
Foto: Oppidum

Das schweizerische Unternehmen Oppidum will sich sogar speziell um das langfristige psychische Wohlergehen seiner reichen Kundschaft kümmern – etwa mit Wiesen und Weingärten, die mit künstlichem Sonnenlicht und simuliertem Tag-Nacht-Wechsel am Leben erhalten werden sollen. Selbst wenn "draußen" der Zusammenbruch droht, soll im Bunker der Vermögenden das Leben unbeeinträchtigt weitergehen.

Die langfristige Umsetzbarkeit solcher Projekte darf man freilich in Zweifel ziehen. Untergrund-Landwirtschaft in abgeschotteten Anlagen wirft eine Reihe an Problemen auf, die sich nicht einfach lösen lassen. Der Verlust einer Ernte oder gar des Saatguts lässt sich nicht einfach kompensieren. Das gilt auch, wenn man eine solche Anlage stattdessen auf einer privaten Insel errichtet, auch wenn es dort zumindest echtes Sonnenlicht gibt. Und auch sonst ist es eine massive Herausforderung, einen solchen Ort komplett unabhängig von der restlichen Welt zu erhalten, insbesondere wenn man zahlreiche Annehmlichkeiten abseits des bloßen Überlebens gewährleisten möchte.

Suche nach der "Isolierungsformel"

Dieser Beschränkungen müssten sich eigentlich auch schwerreiche Tech-Investoren bewusst sein, schlussfolgert Rushkoff. Ihnen müsse es also um etwas anderes gehen als einfach nur technische Lösungen. Ihre Anmerkungen seien auch sehr politisch gewesen, gespickt mit Begriffen wie "Individualität", "Souveränität", "Governance" und "Autonomie".

Sie arbeiten wohl an einer Art "Isolierungsformel", um herauszufinden, ob es möglich sei, so viel Geld zu verdienen, dass sie nicht nur im Fall einer Apokalypse die "ultimative Exit-Strategie" wählen und den Rest der Menschheit hinter sich zurücklassen können. (gpi, 5.9.2022)