Liz Truss wird einige Ministerposten neu besetzen.

Foto: REUTERS

Seit Tagen liegen Kommentatoren, frühere Spitzenbeamte und Liberal-Konservative der neuen britischen Premierministerin in den Ohren: Nach dem brutalen innerparteilichen Kampf um die Macht müsse Liz Truss die Tory-Partei zusammenführen, das Kabinett nicht wie ihr Vorgänger nur mit engen Weggefährten und harten Rechten besetzen. Die kursierenden Namen für die wichtigsten Ministerposten legen nahe, dass die 47-Jährige die Ratschläge ignorieren will.

Kwasi Kwarteng war bisher Wirtschaftsminister. Jetzt soll es an die Spitze des Schatzkanzleramts gehen.
Foto: AFP/JUSTIN TALLIS
  • Das Schatzkanzleramt, also das Finanzministerium, soll Kwasi Kwarteng übernehmen. Der bisherige Wirtschaftsminister wäre damit – nach drei asiatischstämmigen Briten – der erste Schwarze im zweitwichtigsten Regierungsamt. Kwarteng ist nicht nur gleich alt wie die Chefin und ihr ideologischer Weggefährte. Seit Jahresbeginn wohnt er auch in derselben Straße im Londoner Stadtteil Greenwich wie Familie Truss. Zu Wochenbeginn versuchte der promovierte Wirtschaftshistoriker in der "Financial Times" die unruhigen Finanzmärkte zu beruhigen: Die neue Regierung werde, anders als es Truss' völlig haltlose Versprechungen im Wahlkampf suggerierten, "fiskalisch verantwortungsvoll" handeln.
Suella Braverman war zuletzt Generalstaatsanwältin.
Foto: IMAGO/Martyn Wheatley / i-Images
  • Das schwierige Innenministerium dürfte in die Hände von Suella Braverman fallen. Die Juristin indisch-afrikanischer Abstammung diente zuletzt als Generalstaatsanwältin. Vor allem aber gehört sie zu den Brexit-Ultras – ein zweijähriger Aufenthalt in Paris als Studentin resultierte nicht in Liebe zum europäischen Einigungsprojekt. Falls möglich, dürfte Braverman die Amtsinhaberin Priti Patel in der Härte gegenüber Asylwerbern und Wirtschaftsmigranten übertreffen. Ihre juristischen Expertisen deckten nicht nur Patels umstrittene Politik der Abschiebung von Flüchtlingen nach Ruanda. Auch den geplanten Bruch des EU-Austrittsvertrags hält die 42-Jährige für rechtens. Patel kündigte am Montagabend ihren Rücktritt an, sobald eine Nachfolgerin ernannt sei.
James Cleverly war bisher auf diversen Posten im Foreign Office zu finden.
Foto: IMAGO/Tayfun Salci
  • Vor seiner Berufung ins Bildungsministerium hatte sich James Cleverly nicht nur auf diversen Posten im Foreign Office bewährt. Der Reserveoffizier galt auch als "Medienminister", wurde also häufig zur Erklärung von Boris Johnsons erratischem Regierungshandeln in die Medien geschickt. Als neuer Außenminister wird er wie Truss begeistert das etwas vage Konzept eines "globalen Britannien" im In- und Ausland predigen. Der Sohn einer Schwarzen aus Sierra Leone und eines weißen Engländers vervollständigt das Trio der Angehörigen ethnischer Minderheiten in den Kernressorts des Kabinetts – ein neuer Meilenstein für die Integration, den die Konservativen gewiss bei jeder Gelegenheit der vergleichsweise homogenen Labour-Opposition um die Ohren schlagen werden.
Jacob Rees-Mogg soll Wirtschaftsminister werden.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire
  • Kwartengs bisherigen Posten an der Spitze des Wirtschaftsministeriums soll Jacob Rees-Mogg übernehmen, einer breiteren Öffentlichkeit durch sein gelangweiltes Fläzen auf der Regierungsbank bekannt. Der Sohn eines "Times"-Chefredakteurs spekulierte schon als Jugendlicher erfolgreich an der Börse. Seine Finanzfirma verlegte nach der Brexit-Entscheidung flugs ihren Sitz nach Dublin, um weiterhin die Wohltaten des Binnenmarkts in Anspruch nehmen zu können, die der katholische Vater von sechs Kindern in der politischen Debatte stets heftig bestritt.

Hinter dem Habitus des als "Abgeordneter für das 18. Jahrhundert" verspotteten 53-Jährigen steckt ein politisch kluger, knallhart ideologischer Kopf. (Sebastian Borger aus London, 5.9.2022)