So könnte der Donnervogel Dromornis ausgesehen haben.
Bild: Peter Trusler

Drachen und Dinosaurier üben nicht nur auf Kinder eine ungetrübte Faszination aus. Ob gefährliche Fabelwesen oder gigantische Fossilien aus längst vergangenen Zeiten: Wenn man sich überlegt, welche noch heute lebenden Tiere ihnen wohl am nächsten kämen, fällt die Antwort einigermaßen belustigend aus. Immerhin sind Vögel mit Velociraptor, T. rex und Co verwandt – sie alle gehen auf zweibeinige Dinosaurier, die Theropoden, zurück.

Bei mythologischen Kreaturen ist die Frage komplizierter, womöglich stießen riesige Saurierknochen den Glauben an Drachen an. Zumindest ab dem 19. Jahrhundert gibt es Beweise dafür, dass die Paläontologie für manche Menschen bestätigte: Drachen habe es tatsächlich gegeben, sie könnten sogar noch immer die Erde bevölkern. Tatsächlich ist dies aber nur mehr in Form entfernter Verwandter der Fall, die sich nicht mehr an Schafherden vergreifen und zur Abwehr Feuer spucken. Jedenfalls sollen sämtliche Versuche, Haushühner und Kanarienvögel wie in der Serie "Game of Thrones" mit einem geflüsterten "Dracarys" zum Flammenspeien zu animieren, fehlgeschlagen sein.

Der schwerste Vogel

Denkt man aber an territoriale Schwäne und schnapplustige Gänse, können auch Vögel für Angst und Schrecken sorgen. Außerdem liefern Albatrosse – mit mehr als drei Metern Flügelspannweite – und Strauße, die über 2,50 Meter hoch werden, Beispiele für beeindruckend große Exemplare. Welcher der massivste Vogel aller Zeiten war, wird unter Fachleuten je nach Messmethode noch diskutiert: Einige gehen davon aus, dass der Elefantenvogel von Madagaskar, der vor 1.000 Jahren ausstarb, 700 bis 800 Kilogramm schwer werden konnte.

Diese Knochen gehören tatsächlich zu Vögeln.
Foto: Flinders University

Bei diesem Rekord setzt Warren Handley von der Flinders University im australischen Adelaide hingegen nicht auf südafrikanische Riesen, sondern auf die Donnervögel seines Kontinents. Vertreter der Gattung Dromornis, die einst in Australien und Tasmanien lebten, brachten es ebenfalls locker auf ein Gewicht von mehr als einer halben Tonne. Nun dürfte jedoch ein weiteres Rätsel um die flugunfähigen, fleischfressenden Vögel gelöst sein: Handley veröffentlichte mit seinem Kollegen Trevor Worthy und Erstautorin Anusuya Chinsamy-Turan von der Universität Kapstadt im Fachmagazin "Anatomical Record" eine Studie, die mit erklären könnte, weshalb die Tiere ausstarben.

Mikroskopisches Knochenlesen

Um diesen riesigen Verwandten heutiger Enten und Gänse auf die Spur zu kommen, untersuchte das Team Fossilien des vor acht bis sechs Millionen Jahren lebenden Stirton-Donnervogels (Dromornis stirtoni, benannt nach dem US-Paläontologen Ruben Arthur Stirton). Die Knochen wurden mit jenen eines späteren Nachfahren mit dem Namen Genyornis newtoni verglichen, der erst vor rund 50.000 Jahren ausstarb.

Das genaue Aussehen der australischen Riesenvögel ist nicht gesichert und der künstlerischen Freiheit überlassen.
Bild: Brian Choo

"Die mikroskopische Struktur ihrer Knochen gibt uns Aufschluss darüber, wie lange sie brauchten, um Erwachsenengröße zu erreichen, wann sie Geschlechtsreife erlangten, und wir können sogar feststellen, wann die Weibchen ihren Eisprung hatten", sagt Paläontologin Chinsamy-Turan. Das Ergebnis der Untersuchungen: Der Stirton-Donnervogel legte in den ersten zwei Lebensjahren ein immenses Wachstum hin, pausierte danach allerdings und konnte sich wohl erst ab dem ungefähren Alter von zehn Jahren fortpflanzen.

Lange Jugend

Wenn man bedenkt, dass manche Exemplare 60 Jahre lang lebten, ist das nicht sonderlich spät. Doch Dromornis war nicht der einzige große Vogel, der im damaligen Regenwald mitten in Australien lebte. Auch Emus besiedelten die Region und könnten in Konkurrenz zu den Donnervögeln gestanden sein. Ihr Vorteil bestand in der relativ schnellen Geschlechtsreife nach etwa zwei Jahren. Der Donnervogel mit seiner langen Jugend konnte sich vergleichsweise viel langsamer vermehren.

In stabilen Ökosystemen kann die Taktik, sich für die Fortpflanzung Zeit zu nehmen, durchaus nützlich sein. Problematisch wurde es für den vielleicht mächtigsten Vogel aller Zeiten, als sich die klimatischen Bedingungen veränderten und der Regenwald austrocknete: Der Stirton-Donnervogel und zwei weitere Donnervogelarten starben aus.

Späte Paarung

Anders erging es der Vergleichsspezies der Studie, Genyornis newtoni, die sich vermutlich erst später in dieser Vogelfamilie entwickelte. Dieses Tier zählte mit etwa 240 Kilogramm Körpergewicht ebenfalls zur australischen Megafauna. Und es konnte sich – wie auch der Emu – über mehrere Umweltveränderungen hinweg durchsetzen, sagt Paläozoologe Worthy.

Trevor Worthy zeigt Knochen des Donnervogels (links) im Vergleich zu Emu-Knochen.
Foto: Flinders University

Doch obwohl Genyornis besser an die trockene Umgebung angepasst war als seine Vorfahren, "war das im Vergleich zum Emu noch immer ein langsam wachsender und sich langsam fortpflanzender Vogel". Er kam in den ersten zwei Lebensjahren auf seine volle Größe, brauchte aber anschließend mehr Zeit als die Konkurrenz, bis er sich mit Balz und Paarung beschäftigte.

Des Menschen Beitrag

Daher waren die Voraussetzungen der Donnervögel bei der Ankunft des Menschen vor vermutlich 65.000 Jahren nicht ideal. Und vor etwa 47.000 Jahren dürften die letzten Donnervögel relativ plötzlich ausgestorben sein – weshalb ihr Verschwinden oft unmittelbar mit menschlicher Jagd und Eierdiebstahl in Verbindung gebracht wird, obwohl die Gründe noch nicht abschließend geklärt sind.

Bisher gibt es noch keine Hinweise darauf, dass die ersten menschlichen Bewohnerinnen und Bewohner Australiens die riesigen Genyornis-Vögel jagten, um ihr Fleisch zu verzehren. Allerdings wurden Reste verbrannter Eierschalen an mehr als 200 Fundorten entdeckt. Daher liegt die Vermutung nahe, dass Menschen zumindest die Eier gebraten und verspeist haben. Gewissermaßen die Umkehrung des Drachenfeuers "Dracarys". (Julia Sica, 6.9.2022)