Eine Wasserrutsche sorgte für einen Imageschaden für den österreichischen Frauenfußball.

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Es waren auch 28 Fans aus England da.

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Es war ein kurioses Foto, das in den sozialen Medien viral ging: Österreichs Fußballerinnen spielten in Wiener Neustadt WM-Qualifikation. Nicht gegen irgendwen, sondern gegen Europameister England. Von einer Wasserrutsche aus beobachteten Kinder das Match, neben dem Stadion befindet sich ein Schwimmbad. Der "Guardian" nannte die ÖFB-Heimspielstätte "einen einzigen Jammer", für die BBC fühlte es sich an "wie ein langer Weg von Wembley am 31. Juli mit 87.000 Zuschauern bis nach Wiener Neustadt".

Nach der 0:2-Niederlage wunderten sich nicht wenige Fußballinteressierte, warum der Europameister nicht vor einer größeren, nun ja, würdigeren Kulisse empfangen wurde. Das Match war mit 2.600 Zuschauern ausverkauft. Hätte man nicht in St. Pölten spielen können? Dort steht Österreichs einzige Fußballakademie für Frauen. Oder in der Generali-Arena in Wien? Oder in Graz?

Abwägen

Beim ÖFB hat man Argumente für Wiener Neustadt. "Der Verband übernimmt bei einem Länderspiel das Stadion nicht schlüsselfertig. Wir brauchen die Vereinsmitarbeiter vor Ort, in Wiener Neustadt sind wir sehr willkommen. Hier haben wir bisher kaum verloren, das Stadion hat den besten Rasen in Österreich, ist nur eine Busstunde entfernt vom Teamcamp in Bad Tatzmannsdorf", sagt Kevin Bell, ÖFB-Presseverantwortlicher für Mädchen- und Frauenfußball.

Beim ÖFB schätzt man, dass bis zu 3.500 Karten gegen England hätten verkauft werden können. Die Generali-Arena in Wien-Favoriten war keine Option, nicht nur weil es durch Bundesliga- und Europacup-Auftritte der Austria kaum freie Termine gibt, sondern auch weil ÖFB-Sponsoren in Konkurrenz zur Generali stehen und ein Abkleben der Arena fünfmal so viel kostet wie ein Auftritt in Wiener Neustadt.

Im Juni gaben die Stadt und der Fußballverband bekannt, dass die Mannschaft von Teamchefin Irene Fuhrmann ihre Spiele in Zukunft vorwiegend in Wiener Neustadt austragen wird. Auch weil die Stadt ein Investitionspaket schnürte, durch das die Arena fit für internationale Spiele gemacht wurde. In den Katakomben des Stadions gibt es neue Garderoben für getrennte Umkleide- und Duschmöglichkeiten für Damen und Herren.

Es wurde in Büroräumlichkeiten ebenso investiert wie in ein TV-Studio, insgesamt steckte die Stadt 330.000 Euro in die Erweiterung des Stadions. Der ÖFB ist aber nicht verpflichtet, seine Länderspiele in Wiener Neustadt auszutragen. Andere Spielstätten wurden und werden ins Auge gefasst. In Graz wurde man wegen Terminnot abgelehnt, Mattersburg wurde immer wieder ins Spiel gebracht. "Da vergessen die Leute nur, dass dort die Tribünensitze verkauft wurden und es keine Mitarbeiter mehr gibt".

Verkaufsstrategie

Einige Spielerinnen waren wehmütig, dass das Duell mit dem besten Team Europas nicht in einem größeren Stadion ausgetragen wurde. "Es ist schade, dass nicht mehr Menschen die Möglichkeit gegeben wurde, ins Stadion zu kommen", sagte Laura Wienroither.

Die NV-Arena in St. Pölten fasst 8.000 Zuschauer, in einem halbvollen Stadion will aber auch niemand kicken. "Wir hatten seit der EM 2017 nur ein Heimspiel, wo mehr als 3.000 Zuschauer kamen", heißt es seitens des ÖFB. "Im Vorverkauf gehen kaum Tickets weg, darum müssen wir auch einmal Spiele in einem kleineren Rahmen ausverkaufen, mit dem Ziel einer sukzessiven Steigerung des Interesses vorab."

Kritik gab es daran, dass einige Tribünenbereiche in Wiener Neustadt leer blieben. "Die Spielerbänke ragen in die Tribüne hinein, da mussten aus Sicherheitsgründen einige Reihen dahinter frei bleiben. Stehplätze waren von der Uefa nicht erlaubt, die VIP-Innenräume sind nur für 100 Leute ausgelegt, die VIP-Tribüne bietet aber 250 Plätze." Die Entscheidung für die WM-Quali-Spiele in Wiener Neustadt fiel bereits im März. "Was wäre, wenn England im EM-Viertelfinale ausgeschieden wäre? Wirtschaftlich war es die richtige Entscheidung."

Schwierige Suche

Weitere potenzielle Länderspielstadien? Hartberg. Dort gibt es zu wenige überdachte Sitzplätze. Admira: In der Südstadt ist der Rasen in bedauerlichem Zustand. Altach? Schlechte Trainingsplätze. Die Suche nach einem geeigneten Länderspielaustragungsort offenbart wieder einmal die Stadionmisere in Österreich. So etwas lässt sich laut ÖFB "nicht aus der Hosentasche organisieren".

Das Donauparkstadion in Linz mit einer Kapazität von 5.000 Zuschauern befindet sich im Bau, ist Zukunftsmusik. Bell: "Ritzing hat ein tolles Stadion. Da kommst du aber nur mit einem vollgetankten Auto hin. Am besten wäre es, das Ritzinger Stadion, so wie es ist, zu nehmen und in einen Wiener Außenbezirk zu stellen."

In sportlicher Hinsicht ist die Teilnahme am Play-off für die WM 2023 in Australien und Neuseeland fix. Trotzdem ist das abschließende Qualifikationsspiel gegen Nordmazedonien am Dienstag (20.30 Uhr / live ORF Sport +) nicht bedeutungslos. Mit einem hohen Sieg könnte vielleicht doch noch die erste Hürde auf dem Weg zur WM-Premiere übersprungen werden. Dafür ist allerdings auch Schützenhilfe notwendig.

Sportliches Ziel

Damit die ÖFB-Elf am Ende als einer der besten drei Gruppenzweiten abschließen kann, darf Irland in der Slowakei nicht gewinnen. Gewissheit darüber gibt es schon vor dem Anpfiff in Niederösterreich, da Irland bereits ab 18.30 Uhr im Einsatz ist. Auch dürfen Wales, Portugal und Schottland keine Kantersiege feiern. Ein Traumszenario für Österreich: ein 6:1 oder jeder andere Sieg mit zumindest sechs Toren Differenz.

Das wäre kein Traum von warmen Eislutschern, hatte es doch im ersten Aufeinandertreffen am 21. September 2021 in Skopje dank Toren von Marie-Therese Höbinger (12.), Nicole Billa (20./Elfmeter, 67., 71.) und Verena Hanshaw (37., 65.) einen 6:0-Erfolg gegeben. "Wir wollen dominieren, so viele Tore wie möglich erzielen und damit unsere Hausaufgaben erledigen. Alles andere können wir nicht beeinflussen", sagte Fuhrmann.

Das Play-off startet am 6. Oktober, die zweite Runde folgt am 11. Oktober. Von den drei dortigen Siegern lösen allerdings nur zwei das Fixticket für die Endrunde (20. Juli bis 20. August). Der am schlechtesten gerankte Play-off-Sieger muss kommenden Februar (18. bis 23.) im Interkontinental-Play-off in Neuseeland sein Glück versuchen. Das europäische Play-off wird bereits am Freitag (13.30 Uhr) ausgelost. (Florian Vetter, 5.9.2022)