Den Plakatspruch mit dem etwas rätselhaften Reim hat Johann Tschürtz selber gedichtet.

Foto: Wolfgang Weisgram

Mattersburg, die von ihrer 2020 zu Tode gekommenen Commerzialbank so geschurigelte Stadt, ist recht frühzeitig schon in den Wahlkampf um Gemeinderat und Bürgermeisteramt am 2. Oktober gestartet. Eigentlich schon Anfang 2021. Da hat das blaue Urgestein Johann Tschürtz erstmals laut überlegt, ob er sich nicht eine Kandidatur fürs Bürgermeisteramt überlegen solle. Und zwar mit einer eigenen Liste.

Austritte

Wenig später hatte er die Überlegungen zwar vorerst auf Eis gelegt, aber da war der Schaden bereits angerichtet. Die FPÖ – um es jetzt einmal ein wenig süffisant zu formulieren – ist aus der FPÖ ausgetreten. Stadtparteiobmann Siegfried Steiner und Bezirksobmann Christian Spuller nahmen den Hut. Nicht, ohne Tschürtz des parteischädigenden Verhaltens zu zeihen.

Vor einem Jahr hat Tschürtz die Überlegungen dann wieder vom Eis genommen. Nun führt er als Spitzen- und Bürgermeisterkandidat die "Liste Johann Tschürtz – Vorwärts Mattersburg" in die Wahl. "Mit der wollen wir über die FPÖ-Klientel hinaus wirken, uns breiter aufstellen." Beinahe wäre ihm da im Februar ein spektakulärer Coup gelungen: Der grüne Gemeinderat Werner Glaser sollte auf der Liste kandidieren. Zur Pressekonferenz war er schon eingeladen, in letzter Sekunde sagte Glaser ab. Tschürtz sagt, wegen grünen Drucks.

"In die Stichwahl könnte ich es vielleicht schaffen. Ich rechne mir Chancen aus, dass wir auch die Absolute brechen."
Johann Tschürtz

So stellte er sich eben doch etwas schmäler auf. Hinter ihm kandidiert Peter Pregl, den er 2013 aus der FPÖ vertrieben hatte, worauf der auf einer "Liste Zukunft Mattersburg" bis heute im Mattersburger Gemeinderat sitzt. Die Stimmen für die Liste Tschürtz zählen in der Statistik für die FPÖ. Sollte der Mensch Tschürtz Bürgermeister werden, wäre er das direkt als FPler. Ja, es ist nicht leicht, die blauen Wege nachzuzeichnen. Jene im Mattersburger Bezirk ganz besonders.

Johann Tschürtz stammt aus dem Mattersburger Bezirk, aus dem Grenzdorf Loipersbach. Aus FPÖ-Sicht ließe sich sogar sagen, er hat diesem Bezirk überhaupt erst Leben eingehaucht. 1992 geriet der gelernte Schlosser und damals junge Polizist in den Sog Jörg Haiders. Er gründete in Loipersbach eine Ortsgruppe, wurde im selben Jahr Bezirksobmann, 1996 Landesgeschäftsführer, 1997 zog er in den Landtag ein, in dem er heute noch als Klubobmann sitzt. Es ging damals schnell im expandierenden Universum des Jörg Haider. 2005 wurde er Landesobmann, überlebte in dieser Position so manche innerparteiliche Attacke und führte 2015 die FPÖ gar in die Landesregierung. Tschürtz wurde Landeshauptmann-Stellvertreter.

Klubobmann

Bei der Landtagswahl 2020 verlor die FPÖ fünf Prozentpunkte. Tschürtz legte den Obmann zurück, wechselte von der Regierungsbank auf den Klubobmannsessel. Er verdrängte dort Géza Molnár, der mittlerweile auch aus der FPÖ ausgeschlossen ist. Die bei allen Parteien geltende Steigerungsweise Feind-Todfeind-Parteifreund wird in der FPÖ traditionell recht intensiv gelebt.

Seit zwei Jahren lebt der 63-jährige Johann Tschürtz nun in der Bezirkshauptstadt. Er treibt sich, seinem Naturell folgend, gerne herum. Er ist, was man leutselig nennt. Empfindlich ist er nicht, er hält auch heftigeren Streitgesprächen im Wirtshaus stand. Rhetoriker ist er dabei keiner, aber er hat einen gewachsenen Schnabel, mit dem er gerne spricht. Und verspricht: Sein halbes Bürgermeistergehalt wolle er spenden; ein Hilfstausender für Bedürftige solle kommen; ebenso eine riesige "Indoor-Erlebniswelt" dort, wo die Bank eine innerstädtische Baulücke hinterlassen hat, die man nach dem defraudanten Bankchef "Pucher-Brache" nennt.

Plakate

Seit kurzem hängen Plakate. Fünf 16-Bogen-Plakate sind es außerhalb, 14 innerhalb der der Stadt. Die Mitbewerber klagen darüber, dass dies ein Bruch des Gentlemen-Agreements wäre, keine Plakate innerhalb der Stadt zu affichieren. "Aber das gilt nicht für die Fixflächen", sagt Tschürtz. "Die haben wir klarerweise schon vor langem buchen müssen."

Und so zieren nun 19 überlebensgroße Tschürtze die Stadt. Für die will der FPÖ-Kandidat "Handeln statt Wandeln". Das ist ein schöner, wenn auch etwas rätselhafter Spruch im Stil des Herbert Kickl, doch "der stammt von mir". Das "Wandeln" – ein Wort von einer ganz besonderen Bedeutungsbreite – hat er der Eiskanal-Sprache entnommen. So sagt man zu dem Missgeschick, wenn ein Bob oder eine Rodel schlecht aus der Kurve kommt. Oder einer schwer beladen aus dem Wirtshaus. Oder so, meint Tschürtz, wie die Stadtregierung sich durch die vergangenen fünf Jahre bewegt habe. Die ist absolut rot.

Die Langzeitbürgermeisterin Ingrid Salamon hat aber erst im Vorjahr ihr Amt an Claudia Schlager übergeben. Johann Tschürtz ist lange genug im G’schäft, um zu wissen, dass er gleichwohl nicht Bürgermeister werden wird. "Aber in die Stichwahl könnte ich es schaffen. Ich rechne mir Chancen aus, dass wir auch die Absolute brechen." (Wolfgang Weisgram, 6.9.2022)