Foto: Fatih Aydogdu

Das war schon was, als es zu Beginn der 1990er-Jahre plötzlich keine sportlichen Alufelgen oder Heckspoiler mehr brauchte, um das wichtigste Identifikationsobjekt vieler Österreicherinnen und Österreicher zu individualisieren. Da musste auf einmal auch kein Wimpel vom SK Rapid mehr am Rückspiegel hängen, kein "Atomkraft? Nein, danke"- oder "Ich bremse auch für Tiere"-Sticker zwischen den Rücklichtern kleben. Und es brauchte auch weder kleine Perserteppiche anstelle der Gummi-Fußmatten noch nickende Dackel auf der Hutablage mehr, um sich von anderen Lenkerinnen zu unterscheiden.

Wo man stand und wer man war, das konnte man fortan mit einer Kombination aus Buchstaben und Ziffern zeigen. An der Vorder- wie der Rückseite seiner kleinen Freiheit auf vier Rädern, für gar nicht so viel Geld.

Es war der 1. Jänner 1990, als eine Novelle des Kraftfahrgesetzes in Kraft trat. Mit ihr wurden nicht nur die bis dahin schwarzen Nummerntafeln bei Neuzulassungen durch weiße ersetzt und um ein Wappen des jeweiligen Bundeslandes ergänzt. Möglich waren von da an auch Wunschkennzeichen aus einer Kombination von drei bis sechs Zeichen und zumindest einer Ziffer am Ende.

Fortan zierten Schriftzüge wie "JOE 64", "BMW 530", oder auch "W – IENER 1" zahlreiche Autos in der Hauptstadt und rundherum. Auch die Einbeziehung des Kürzels der jeweiligen Zulassungsbehörde von "AM" wie Amstetten bis "ZE" wie Zell am See lud nämlich fortan zu kreativen Kombinationen ein.

Wortspiel aus Hermagor.
Foto: Heribert Corn

So entstanden bald aufsehenerregende Kennzeichen wie "KO-KAIN 2" oder "VI-AGRA 1". Dass bei manchem Fahrzeugbesitzer bei der Wunschplakette womöglich der Übermut oder Schlimmeres mit ihm durchgehen würde, hatte der Gesetzgeber allerdings schon von Beginn an bedacht. Und so wurde in der Novelle auch festgelegt, dass Buchstabenkombinationen "nicht anstößig oder lächerlich" sein dürften.

Auf Abkürzungen aus der Geschichte des Nationalsozialismus beziehungsweise dem rechtsextremen Spektrum hatte man es dabei besonders abgesehen. So waren Kombinationen wie NSDAP, SS oder SA aus naheliegenden Gründen nicht erlaubt.

Kreatives aus Steyr Land.
Foto: Heribert Corn

2015 schließlich verbannte man mit einer neuerlichen Novelle auch weitere Buchstaben- und Ziffernkombinationen, die Gesetzgeber beziehungsweise Behörden zuvor offenbar noch nicht auf dem Radar – oder möglicherweise auch schlicht übersehen – hatten. So war "KZ 88" einst tatsächlich ebenso zugelassen worden wie "W-EHRM 8".

Mit der Novelle fokussierte man einerseits auf die Einbeziehung des Behördenkürzels. Denn es mag schon sein, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zulassungsbehörde von Kufstein die zusammengenommene Bedeutung von "KU-KLUX" nicht auf Anhieb aufgefallen ist – oder jenen aus Klagenfurt nicht die von "K-KK".

Ungeplante Botschaften

Andererseits ergänzte man die nicht erlaubten Kombinationen um viele weitere, die auf einer Liste der Fachleute des Mauthausen-Komitees beruhten. So wurden einschlägige Codes des neonazistischen und rechtsextremen Spektrums wie "18" (Code für Adolf Hitler – erster und achter Buchstabe des Alphabets), "88" (Heil Hitler) oder auch "198" (Sieg Heil) berücksichtigt. Auch "IS" oder "ISIS" kann seither auf keinem österreichischen Kennzeichen mehr stehen.

Neben etwaigen Versuchen nationalsozialistischer Wiederbetätigung gab es aber auch immer wieder eher lustig-skurrile Taferln. Ein Pfarrer aus Salzburg etwa wollte seiner religiösen Überzeugung einst mit dem Wunschkennzeichen "AMEN 1" Ausdruck verleihen. Mit dem vorangestellten "S" der örtlichen Zulassungsbehörde ergab das allerdings eine für ihn mutmaßlich ungünstige Kombination, die er so wohl eher nicht intendiert hatte.

Aber wie beliebt sind Wunschkennzeichen heute überhaupt noch? Nach dem recht offensichtlichen Boom in den 1990er-Jahren scheinen die personalisierten Nachrichten und Namenszeilen in den vergangenen Jahren im Stadtbild eher seltener geworden zu sein. Oder fallen sie nur weniger auf, weil das Wiener Auge sich über die Jahrzehnte schon so stark an sie gewöhnt hat?

Für die vergangenen Jahre kann das zuständige Wiener Verkehrsamt jedenfalls keinen Rückgang bei der Zahl neu ausgestellter Wunschkennzeichen verzeichnen – sondern ganz im Gegenteil sogar eine deutliche Zunahme. Gab es 2019 noch 2367 Neuanträge, waren es 2020 bereits 2590 und ein Jahr darauf 2914. Heuer wurden bis Ende August bereits 2155 Wunschkennzeichen beantragt – hochgerechnet bis Ende des Jahres könnte der Vorjahreswert der Neuanträge also ein weiteres Mal übertroffen werden.

Ob heute allerdings mehr oder weniger Wunschkennzeichen auf Wiens Straßen zu bewundern sind als etwa in den Jahren unmittelbar nach der Einführung, lässt sich laut Wiener Verkehrsamt und Wiener Landespolizeidirektion aber nicht mit harten Zahlen eruieren. Die Aufzeichnungen bis zurück ins Jahr 1990 wären nämlich nicht mehr greifbar.

Verwirrungstaktik gegen Polizei

Auszugehen ist allerdings davon, dass es in den 1990er-Jahren in Wien tatsächlich deutlich mehr personalisierte Taferln gab als heute. Denn Wunschkennzeichen gelten 15 Jahre ab Zuweisung. Danach können sie zwar per Antrag neuerlich verlängert werden – viele Lenkerinnen und Lenker verzichteten nach der erstmaligen Registrierung aber darauf. Das heißt: Spätestens ab dem Jahr 2005 verschwanden wohl zahlreiche individualisierte Taferln aus dem Stadtbild. Einen gewissen Abschreckungsfaktor bei neuen Anträgen dürften zudem die gestiegenen Kosten darstellen: Inzwischen schlägt ein Wunschnummernschild inklusive Verwaltungs- und Antragskosten mit 228,30 Euro zu Buche – dies allerdings auch heute für immerhin 15 Jahre.

Nicht immer ist der Zug zum Spezialtaferl übrigens dem Wunsch nach einem individuellen Statement oder der Selbstdarstellung geschuldet. Beliebt sind nämlich auch schwer lesbare Buchstabenkombinationen wie "XXVXV" oder "XYXXV". Die Gründe dafür dürften meist eher pragmatischer Natur sein – und wohl eher nicht im Sinne des Gesetzgebers. So mancher Fahrzeuglenker will damit nämlich die Erfassung seines Kennzeichens bei unliebsamen, aber flüchtigen Begegnungen mit Polizeistreifen erschweren. (Martin Tschiderer, 6.9.2022)